Essen. . Fast 7000 Euro hebt ein Pfleger vom Konto eines Klinikpatienten ab. Doch das Verfahren wird eingestellt. Die Familie des Patienten ist fassungslos.

  • Krankenpfleger hebt fast 7000 Euro von Patientenkonto ab
  • Das Verfahren wird eingestellt
  • Die Familie des verstorbenen Patienten ist fassungslos

Als Heinz M. im Februar 2015 ins Elisabeth-Krankenhaus in Essen-Huttrop eingeliefert wurde, war er voller Zuversicht. Tatsächlich verlief die geplante, schwere Krebs-Operation erfolgreich, danach jedoch verschlechterte sich der Zustand des Patienten rapide, er wurde auf die Intensivstation verlegt. „Diese dramatische Wende hat uns sehr getroffen“, erzählt M.s Sohn Ralf. „Im März ist mein Vater mit nur 72 Jahren gestorben.“ Und dann erlebte die Familie einen weiteren Schock.

Bei M.’s Wertsachen fanden sich Uhr und Portemonnaie, nicht aber die Kontokarte des Verstorbenen. Besorgt riefen die Angehörigen bei der Bank des Vaters an und erfuhren, dass von dessen Konto rund 6600 Euro abgehoben worden waren – während er im Koma lag. „Wir haben sofort Anzeige erstattet, doch die Ermittlungen wegen Diebstahls der Karte wurden nach kurzer Zeit eingestellt“, erinnert sich Ralf M.

Familie erfuhr durch Zufall von Gerichtsverhandlung

Den Schaden habe die Bank sofort ersetzt, sagt der Sohn. Doch die Frage, wer die Karte des Vaters genommen, das Konto leer geräumt hatte, quälte M. und seine Schwester. Besonders die Vorstellung, dass ein Klinikangestellter die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt haben könnte. Genau das schien sich viel später bestätigen: Denn nach dem Mann, der mit der Karte an einigen Bankautomaten Geld abgehoben hatte, wurde mit einem Foto gefahndet – mit Erfolg.

Allerdings, und das irritiert Ralf M., wurde er als Anzeigenerstatter nie über den Fahndungserfolg informiert. Nur durch Zufall erfuhr seine Frau, dass im April diesen Jahres vor dem Amtsgericht gegen einen Krankenpfleger verhandelt werden sollte, der Geld von einem Patientenkonto abgehoben hatte. „Meine Frau hat sich in die Verhandlung gesetzt und musste sich anhören, mein Vater sei ein dementer Mann gewesen, der dem Pfleger Karte und PIN-Nummer gegeben habe – mit den Worten ,Nimm so viel Du willst.’“

Seine Frau habe sich dann als Angehörige zu erkennen gegeben und widersprochen. Ihr Einwand, ihr Schwiegervater sei keineswegs tüddelig gewesen, und die Familie könne sich nicht vorstellen, dass er seine EC-Karte freiwillig ausgehändigt habe, wurde gehört – änderte aber nichts daran, dass das Verfahren eingestellt wurde, nach Paragraph 153, also wegen Geringfügigkeit.

Schwierige Beweisführung

Angesichts von rund 6660 Euro und der Tatsache, dass der Beschuldigte acht Mal Geld vom Konto des alten Mannes abhob, kann die Familie diese Sicht kaum fassen. Amtsgerichtssprecher Michael Schütz, weist aber darauf hin, dass der Angeklagte das Geld zurückgezahlt hat „und somit letztlich kein Schaden entstanden ist“. Auch lasse sich kaum nachweisen, dass die Version vom großzügigen Senior falsch sei. „Denn eine Kontovollmacht hätte dieser auch mündlich erteilen können.“ Da der wichtigste Zeuge tot sei, wäre die Beweisführung hochkompliziert gewesen – der Fall hätte mit Freispruch enden können. Anders gesagt: Mit der Einstellung, bei der der Angeklagte den Verteidiger bezahlen muss, sei dem Rechtsempfinden womöglich besser gedient. Schütz sagt aber auch: „Ich fände es auch bedenklich, wenn Pflegepersonal von älteren oder gebrechlichen Menschen den Auftrag annimmt, größere Beträge abzuheben, ohne die Angehörigen zu kontaktieren.“

Wie die Contilia als Träger des Elisabeth-Krankenhauses erklärt, hat sie zu Zuwendungen von Patienten klare Regeln: Mehr als zehn Euro dürfen nicht angenommen werden; bei Verstößen schreite die Geschäftsführung ein. Allein: Das fragwürdige Gebaren des angeklagten Pflegers war dem Haus gar nicht bekannt – weder Gericht noch Staatsanwaltschaft hatten die Contilia informiert. „Viele Arbeitgeber sind an strafrechtlichen Verfehlungen ihrer Angestellten interessiert, aber juristisch betrachtet, geht es sie in vielen Fällen nichts an“, sagt Anette Milk, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Es sei übrigens auch nicht nötig gewesen, den Anzeigenerstatter – also Ralf M. – über das Verfahren gegen den Pfleger zu informieren. „Man hätte ihn lediglich als Zeugen benennen können.“ Auch davon sah man ab; der Fall galt als „schnöder Diebstahl“, eine Verurteilung schien wohl eine Formsache. Bis Verteidiger Volker Schröder dem Gericht vorsorglich mitteilte, dass sein Mandant den Schaden beglichen habe. Der bislang unbescholtene Endvierziger habe das Geld nie angerührt: „Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil der alte Mann geistig verwirrt war.“ Im übrigen habe die Schwiegertochter selbst ausgesagt, dass Heinz M. seine PIN-Nummer nirgends notiert hatte. „Das spricht dafür, dass er sie meinem Mandanten verraten hat.“ Ob das vielleicht mit Druck passierte, sei nicht länger erörtert worden, ärgert sich Ralf M.

Krankenhaus war nicht informiert

Im April hat er das Elisabeth-Krankenhaus selbst über den Fall informiert. Mit „großer Betroffenheit“ teilte man ihm mit, dass man von dem Verfahren nichts wisse. Doch als Ralf M. später am Telefon den Namen des Pflegers nannte, hieß es, dieser arbeite nicht mehr im Haus. Das bestätigt die Contilia jetzt auch auf Anfrage. Außerdem wolle man die Dienstanweisung zum Umgang mit EC- und Kreditkarten von Patienten präzisieren. Glaubt man Volker Schröder, braucht sein Mandant hier keine Belehrung mehr: „Der hat seine Lektion gelernt.“ Dass der Mann wieder im selben Berufsfeld tätig ist, findet die Familie von Heinz M. trotzdem beunruhigend. „Er hat sich nicht mal bei uns entschuldigt.“ Sie hoffen nun, dass der für sie traumatische Fall alle Kliniken für das Thema sensibilisiere.