Essen. . Ein Familienstreit um ein Abendessen ist in Essen so eskaliert, dass ein Sohn den Vater laut Anklage umfuhr. Nun begann der Prozess.
- 22-Jähriger steht seit Mittwoch vor Gericht, weil er laut Anklage seinen Vater mit dem Auto umgefahren hat
- Grund für Attacke war der Streit ums Abendessen: „Der Nudelauflauf war nicht kross genug überbacken“
- Außerdem soll er seinen Vater mehrfach vor den Kopf getreten haben
Der 22 Jahre alte Schüler erzählt recht emotionslos von der Tat. Vor dem Schwurgericht sitzt er, muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten. Laut Anklage hat er seinen Vater mit einem schweren Mercedes C-Klasse umgefahren und anschließend ins Gesicht getreten. Anlass war der Streit um sein Lieblingsgericht. „Der Nudelauflauf war nicht kross genug überbacken“, sagt er.
„Und darum gab es so einen Streit?“, fragt Richter Andreas Labentz. Aber der Angeklagte will die Verwunderung nicht teilen: „Das war doch ein Streit mit der Mutter, und der Vater hat sich eingemischt.“ Er spricht schlecht über seinen Vater. Zur Mutter sei das Verhältnis gut gewesen: „Ich ehre sie wie keine andere.“ Zum Vater sei es dagegen angespannt gewesen: „Mal gut, mal schlecht. Er hat mich geschlagen und gedemütigt.“
Das soll wohl erklären, warum er am 3. Dezember zu solch einer Tat fähig war. Der 22-Jährige, der in der Schule bislang Probleme hatte, lebte immer noch in seinem Elternhaus am Rande von Altendorf in einem schlichten Reihenhaus. Abends hatte die Mutter für ihn einen Nudelauflauf zubereitet, doch damit war er nicht zufrieden und sagte ihr das auch sofort. Dabei beließ er es nicht. Er fahre jetzt zu einem Schnellimbiss, verschärfte er die Kritik an ihrer Kochkunst.
Kurzerhand nahm er den Schlüssel des Familienautos und ging nach draußen. Der Vater hinterher, doch der Sohn saß schon im Mercedes und verschloss die Türen.
„Steig aus“, habe der Vater gesagt, doch der Sohn weigerte sich. „Ich bin ganz langsam aus unserer Straße herausgefahren. Aber mein Vater hat sich dann auf die Straße gestellt und den Weg blockiert.“ Er will ihn gewarnt haben: „Wenn du nicht gehst, fahre ich dich über den Haufen.“ Dann ging alles ganz schnell. Der Sohn setzte zurück, fuhr durch den Carport des Nachbarn auf den Vater zu, rammte dabei zwei Holzstützen des Carports.
Vater vor den Kopf getreten
Laut Anklage fuhr er direkt auf den Vater zu, schleuderte ihn zu Boden und krachte vor die Hauswand des Nachbarn. Dann sei er ausgestiegen und habe den Vater mehrfach vor den Kopf getreten.
So hart möchte der Angeklagte die Fahrt nicht beschreiben. Er räumt den Vorsatz zwar ein: „Ich bin schon losgefahren mit der Absicht, ihn zu treffen.“ Im letzten Moment habe er es sich aber anders überlegt und den Wagen am Vater vorbei gegen die Hauswand gelenkt. Richter Labentz weist darauf hin, dass im Verkehrsgutachten geschrieben steht, es sei zu keinen Lenkbewegungen gekommen.
Auch die Tritte „vor den Kopf und die Brust“ gesteht der Angeklagte. „Er wollte aufstehen“, sagt er, „aber bevor er was machte, trat ich gegen seinen Kopf“. Angst vor dem Vater habe er gehabt.
Die Attacken seines Vaters schildert er zuvor ausführlich. Dass der Vater zweimal zur Gesamtschule Bockmühle gefahren sei und ihn zur Strafe für ein angebliches Fehlverhalten vor den Augen der Mitschüler geschlagen habe. „Dabei wurde ich zu Unrecht beschuldigt“, sagt er. „Das Schlimmste in meinem Leben“ sei 2014 und 2015 gewesen. Niedergeschlagen und gewürgt habe der Vater ihn da. Tatsächlich geht es in beiden Fällen um einen Streit mit der Mutter, in den der Vater sich einmischte.
Streit um Selfiestange
Jedesmal hatte der Sohn von seiner Mutter „etwas haben wollen“, was diese ablehnte. Etwa in den Ferien in der Türkei, als sie ihm vom Basar eine Selfiestange mitbringen sollte. Seine Stimme sei dann auch höher geworden, wenn sie ihm einen Wunsch nicht erfüllte.
Die Eltern, so ist zu hören, wollen im Prozess die Aussage verweigern. Vor Prozessbeginn erzählt ein Mann Journalisten, er sei der Vater und alles sei halb so schlimm gewesen: „Ein paar Kratzer, ein bisschen Blut.“ Das passt nicht ganz zu den ärztlich festgestellten Kopf-, Gesichts- und Wirbelsäulenverletzungen. Und auch nicht zum künstlichen Koma, in das er gelegt wurde.