Essen. . Oliver Gratzel und Stefan Haver sind „Phony Club“. Die Newcomer verbinden auf ihrer Platte Elektropop mit den Erfahrungen in Führungspositionen.

  • Oliver Gratzel und Stefan Haver sind „Phony Club“
  • Das Essener Duo hat jetzt seine erste Platte herausgebracht
  • Dort verbinden sie Elektropop mit den Erfahrungen in Führungspositionen

Zum Rock’n’Roll, so haben wir das früher mal gelernt, gehören neben Sex and Drugs vor allem jugendliche Rebellion. An Menschen, die die Woche über Anzug, Krawatte und Verantwortung tragen und nach Feierabend künstlerisch nach vorn schauen, denkt da wieder keiner. „Man ist entweder kreativ oder ein Zahlenmensch, Manager oder Musiker“, bedauert der Essener Stefan Haver, der zusammen mit seinem Jugend-Freund und künstlerischen Compagnon Oliver Gratzel beschlossen hat, die Klischees zu knacken: „Das Leben spielt sich doch auf vielen Bühnen ab.“

Haver kümmert sich hauptberuflich um die Corporate Responsibility (unternehmerische Verantwortung) beim Chemiekonzern Evonik. Doch ein Teil von ihm ist auch eine Hälfte von „Phony Club“. Zwei Herren, Mitte Ende Vierzig, die sich nicht mit dem Covern schmissiger Jugendhits und nostalgischem Gitarrenschrammeln begnügen wollten, sondern für das erwachsene Dasein mit all seinen Ambivalenzen und Neuanfängen einen eigenen Sound entwickelt haben. Musik für den „Homo oeconomicus“, wie Haver lächelnd meint. Oder einfach Songs, bei der sich musikalische Experimentierfreude mit literarischen Vorlieben und den reichen Lebens- und Arbeits-Erfahrungen verbinden. Das Ergebnis gibt’s nun auf CD und Vinyl: „And Gently I Kill“ heißt das Werk. Am Montagabend gibt es auf WDR 2 Kostproben in der Radiosendung „Made in Germany“.

Neo-Folk verbindet sich mit intelligentem Elektropop

Dass das Projekt auf Platte gepresst wird, war ein zentraler Programmpunkt. Nicht als Retro-Geste, nicht als nostalgischer Verweis auf musikalische Jugenderfahrungen. Immerhin war Haver bereits 1991 auf dem ersten Sparkassen-Sampler vertreten. Das Vinyl gehört vielmehr zum künstlerischen Konzept. „Weil man eine Schallplatte anders hört als CD“, glaubt der 47-Jährige. Im besten Fall konzentriert am Stück, pausenlos, und ohne zu zappen. Dramaturgie, Rhythmus, inhaltliche Geschlossenheit. All das will sich schließlich vermitteln. „Eine klassische Heldenreise“ beschreibt Haver das Vorgehen: Aufbruch, Entwicklung, Ankunft. Zehn Songs voller Selbsterfahrung, zwischen beruflichem Aufstieg und Zwangsstillstand in Abflughallen, Beschädigungen, Fluchten, Trost.

Nicht jedes Stück führt dabei so umstandslos auf die Tanzfläche wie der Eröffnungstrack „Your Promotion“ oder das treibende „Life Thru The Window Of A Frequent Traveller Lounge“, sondern lässt auch schon mal die Synapsen schwingen. Wie beim „Sweet Bird of Prey“, bei dem Herta Müller Patin stand und damit für die besonders literarische Note einer Platte sorgt, in dem sich unterschiedliche Einflüsse wie selbstverständlich vereinen: Neo-Folk verbindet sich da mit intelligentem Elektropop, clubtaugliche Drum’n’Bass trifft Indie-Disco.

Debütalbum sei „ein Kantersieg gegen die reine Vernunft“

Neben der musikalischen Qualität zählt für Haver vor allem das Glücksgefühl, das Projekt „Phony Club“ komplett in Eigenregie realisiert zu haben. Text und Musik: geschrieben und vorgetragen von Oliver Gratzel und Stefan Haver. Wie man die Songs auch noch digital bei itunes und Spotify platziert, das Mastering-Studio für die Plattenproduktion findet und ein Cover kreiert, das war ein spannender Lernprozess. Wie am Ende ein Rädchen ins andere greift, hat Haver selbst überrascht. „Es braucht Leidenschaft, aber es ist machbar.“

Beflügelt von so viel positiver Erfahrung ist die nächste Idee schon geboren. „Phony Club“ denkt an ein Musik-Projekt, das sich mit Heimat als Lebensgefühl beschäftigt, ganz ohne Tümelei und am liebsten zusammen mit Musik-Studenten der Werdener Folkwang-Universität. Vielleicht wird auch Deutsch gesungen. Das Debütalbum sei „ein Kantersieg gegen die reine Vernunft“, sagen die beiden. Danach ist alles möglich.

„Phony Club“ ab Montag, 23. Mai bei „Made in Germany“ (WDR)

Unter dem Motto „Made in Germany“ spielt der Radiosender WDR 2 montags von 21.05 bis 23.30 Uhr in Deutschland entstandene Musik. Auch die Musikszene NRW mit neuen, herausragenden regionalen Bands wie „Phony Club“ wird regelmäßig vorgestellt. Die Zuhörer können dann ihr Voting dazu per Internet abgeben und ihren Favoriten über die Homepage von WDR 2 küren.