Essen.. Die Gesundheitsbranche sucht trotz der guten Zukunftsaussichten händeringend Auszubildende und erfahrene Mitarbeiter. Krankenhäuser der Stadt konkurrieren um Personal.
Die Essener Krankenhäuser haben ein Personalproblem: 185 freie Stellen für Pflegekräfte sind derzeit bei der Agentur für Arbeit der Stadt aufgelistet. Nach Informationen unserer Zeitung liegt die Zahl der gesuchten Mitarbeiter in diesem Bereich sogar noch erheblich höher. Eine Umfrage unter den 16 Krankenhäusern der Stadt ergab: Über 250 Stellen im Pflegebereich können aktuell nicht besetzt werden.
Das Uniklinikum Essen, mit über 6000 Mitarbeitern größter Arbeitgeber der Gesundheits-Branche in der Stadt, geht neuerdings unter die Personal-Dienstleister: „Tapetenwechsel“ heißt die Werbekampagne, mit der die Uniklinik um neue Mitarbeiter wirbt. Auf bunten Postkarten wird die Botschaft unters Volk gebracht: „Ihr neuer Job. Gesundheits- und Krankenpfleger. Vielfältige Karrierechancen warten auf Sie.“ Wo früher nur um Ärzte geworben wurde, sind Kliniken inzwischen auch beim Pflegepersonal als Headhunter im Einsatz und konkurrieren um Arbeitskräfte.
Patienten leiden noch nicht unter der Situation
Die Uniklinik wird in den nächsten Jahren 300 Millionen Euro in den Standort investieren und neue Institute eröffnen. Dafür wird Personal benötigt. Die 80 Pflege-Auszubildenden pro Jahr werden schon jetzt alle übernommen. Trotzdem können nicht alle freien Stellen besetzt werden. 160 sollen es, laut Personalrat, in der Uniklinik sein. Die Patienten leiden noch nicht darunter: Mit Springern, Überstunden und Personal von externen Dienstleistern ist die Versorgung gesichert. Aber das wird nicht so bleiben.
Die Erfahrungen der Uniklinik machen auch die Krupp-Kliniken, das Katholische Klinikum, die Kliniken Essen-Mitte, das LVR-Klinikum und die Contilia-Gruppe. „Es ist deutlich schwieriger, erfahrene und für besondere Funktionsbereiche ausgebildete Mitarbeiter zu gewinnen“, sagt Simone Sturm, Pflegedirektorin der fünf Contilia-Krankenhäuser. „Wir spüren die Veränderung bei der Besetzung freier Stellen. Insbesondere für die, die Berufserfahrung und hohe Fachkenntnisse erfordern. Und wir sehen einen Rückgang bei den Bewerberzahlen zur Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung“, ergänzt Annette Aldick, Pflegedirektorin der Kliniken Essen-Mitte.
Höhere Wertschätzung wichtig
„Stellen sind da. Ausbildungsplätze sind da. Trotzdem müssen auch wir immer wieder intensiv auf das Angebot hinweisen“, sagt Katja E. Hübner von der Agentur für Arbeit in Essen. Nicht jeder Kandidat will täglich mit Menschen und Krankheiten zu tun haben. Zudem sind die Ansprüche an das Personal gewachsen: „Es geht nicht mehr um Tabletten reichen und Kopfkissen ausschütteln. Krankenschwestern beraten Diabetes-Patienten, besuchen Frühchen-Eltern zu Hause und schulen Patienten. Ihre Bedeutung im Klinik-Alltag ist deutlich gestiegen. Und die Aufgaben nehmen weiter zu“, erklärt Uniklinik-Pflegedirektorin Irene Maier, seit über 40 Jahren im Pflegebereich tätig.
Wo dieser hohe Anspruch ist, gibt es aber auch sehr gute Zukunftsaussichten in der Branche. „Der demographische Wandel macht den Pflegebereich zu einem wachsenden Arbeitsfeld“, sagt Arbeitsmarkt-Expertin Katja E. Hübner. Für die Kliniken gibt es aber gleichzeitig zwei strukturelle Probleme: Mit den geburtenschwachen Jahrgängen wird gutes Personal weniger – und damit noch stärker umworben. Zudem suchen mobile Dienste und Heimbetreuer verstärkt ausgebildete Pflegekräfte. „Die Personalbeschaffung wird schwieriger, der Konkurrenzdruck nimmt zu“, sagen unisono Dirk Ashauer, Pflegedirektor der Krupp-Kliniken, und Oliver Gondolatsch vom Katholischen Klinikum.
Eine Lösung: „Wir müssen den Beruf für junge Menschen attraktiver machen. Da ist auch die tarifliche Vergütung ein Thema. Da geht es um die Wertschätzung der anspruchsvollen und oft schwierigen Arbeit mit kranken Menschen“, sagt Uniklinik-Pflegedirektorin Irene Maier. Für ausgebildete Kräfte sind neben dem Lohn, flexible Arbeitszeitmodelle und Fortbildungsmöglichkeiten wichtig. Darauf setzen alle Essener Krankenhäuser. „Gute Leute haben sehr gute Perspektiven“, sagt Irene Maier. Das gilt nicht nur für die Uniklinik.