Essen. Thomas Kufen ist ebenso froh wie fassungslos über die Festnahme der mutmaßlichen Bombenleger. Evag-Videos lieferten die entscheidenden Bilder.
- Ob man hätte eingreifen können, eingreifen müssen – darüber wird zu reden sein
- Entscheidenden Anteil am schnellen Fahndungserfolg hatten die Evag-Kameras
- OB: „„Das Nachbeben des Anschlags wird uns noch Jahre bewegen“
Es ist eine Premiere, nicht nur für den OB: Noch nie hat sich ein Essener Stadtoberhaupt einfach so unter die Journalisten gemischt, um an einer Pressekonferenz der Polizei teilzunehmen. Erste Reihe vorne rechts, Thomas Kufen sitzt da und blickt ziemlich ernst drein. Nachher wird er sagen, dass er einfach das Gefühl hatte, „mein Platz ist heute hier – und nicht in einer Karnaper Kita, um den ,blauen Elefanten’ zu verleihen.“
Den „blauen Elefanten“ bekommen Einrichtungen vom Kinderschutzbund verliehen, wenn sie ein besonders vielfältiges Angebot bieten. Und vom Kümmern um die Kleinsten muss man den Bogen gar nicht mehr so weit schlagen zu dem, was den OB umtreibt: „Zwei 16-Jährige!“, sagt Kufen, als könnte er es selbst noch nicht fassen: „Wie können die auf so eine schiefe Bahn geraten? Was lief falsch? Wie haben die sich so radikalisiert?“
Ein Täter kommt aus Essens Sorgenstadtteil Altendorf
Ob man hätte eingreifen können, eingreifen müssen – darüber wird zu reden sein, wenn die Stadt irgendwann mehr weiß als nur, dass einer der beiden Täter aus Essen-Altendorf kommt. Ausgerechnet aus jenem Stadtteil also, den man zum Essener Sorgenquartier Nr. 1 erklärt hat, seit ein international bekannter Boxer dort angeschossen und ein Passant des Nachts von ebenfalls blutjungen Räubern tödlich verletzt wurde.
Auch interessant
Jetzt kommt ein Bombenleger dazu, und das, so der OB, ist ja nicht mehr nur Sache der Politik: „Das muss jeden sorgen. Da ist mir auch Wurst, ob es sich um einen Islamisten oder einen Rechtsextremisten handelt.“
Immerhin, ein schwacher Trost bleibt Kufen: der schnelle Fahndungserfolg, nur rund 100 Stunden nach dem Terroranschlag auf das Gemeindezentrum der Sikh-Religion an der Bersonstraße im Nordviertel. Entscheidenden Anteil hatten wohl gestochen scharfe Bilder von Überwachungskameras der Essener Verkehrs-AG am U-Bahnhof Bamlerstraße. Ein Umstand, der jedem regelrecht grotesk vorkommen muss, der beim Ortstermin einen versifften und mit Graffiti völlig übersäten Treppenabgang vor sich hat. Dass hier jemand genauer hinschaut – und sei’s via Kamera – scheint abwegig.
"Nachbeben des Anschlags" wird Essen lange beschäftigen
Auch interessant
Doch just hier wurde vor ein paar Monaten brandneue Überwachungstechnik angeschafft, wie Evag-Sprecher Nils Hoffmann bestätigt: Kamera BLS P-2, an unauffälliger Stelle im gläsernen Aufzugs-Vorbau angebracht, lieferte jene gestochen scharfen Fotos, die der Polizei die Öffentlichkeits-Fahndung erleichterte. „Ein gutes Zusammenspiel“ zwischen Polizei, Stadt und Evag, fand gestern der OB. Dass die mutmaßlichen Täter schon nach so kurzer Zeit dingfest gemacht werden konnten, „das ist auch unser Erfolg“.
Damit aber ist der Vorrat an guten Nachrichten für die Stadt auch schon erschöpft. Kufen ist überzeugt: „Das Nachbeben des Anschlags“, und sei er am Ende mit nur drei Verletzten auch eher glimpflich abgelaufen, „wird uns noch Jahre bewegen.“