Essen. . Ein neues Buch zeigt eindrucksvoll, wie oft und wie gründlich die Gruga sich seit 1929 neu erfand. Ob immer alles besser wurde,  ist eine andere Frage.

Rund 20 Jahre ist es her, seit das letzte Buch über den Grugapark erschienen ist. Die Zeit seitdem war nicht die beste für diese 70 Hektar große Essener Institution. Zur finanziellen Schwindsucht gesellte sich bei den Entscheidern der letzten Jahrzehnte öfter ein Mangel an Gespür für die klassische Schönheit dieser Anlage, die von Generationen hervorragender Garten-Fachleute mit Herzblut geschaffen wurde. So kommt ein neues Buch über die Gruga zur richtigen Zeit. Zwar gehört der Park immer noch unverbrüchlich zur Essener Identität. Dennoch kann dem „emotionalen Herz der Stadt“ – ein treffender Satz des früheren OB Reinhard Paß – ein Zuwachs neuer und kundiger Freunde nur gut tun.

Wie innig die Liebesbeziehung zwischen den Essenern und der Gruga ist, wie lang sie schon währt, wird im Buch deutlich. Es erzählt chronologisch die Geschichte des Parks auf Basis der vier Gartenschauen von 1929, 1938, 1952 und 1965, von denen jede ihre Handschrift hinterlassen hat. Manchmal geschah das ergänzend und aufeinander aufbauen, öfter aber das Vorhergehende umstürzend. Wo in den Vorkriegsjahren streng gegliederte Gartenkunst mit moderner Architektur, Wege-Achsen und abgetrennten Parzellen dominierten, „trat nach 1945 zunehmend eine offene, freiere Landschaftsgestaltung“, heißt es. Zu passivem Genuss und Betrachtung inszenierter Natur kam mehr und mehr das Element der aktiven Erholung, das Leitlinie der Bundesgartenschau von 1965 wurde. Durch diese letzte Schau konnte die Parkfläche noch einmal fast verdoppelt werden.

Grugapark im Wandel

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Zwei weitere gravierende Einschnitte gab es im Leben der Gruga: Die 500 Bomben des Zweiten Weltkriegs verwandelten sie in ein Trümmerfeld, was die dritte Gartenschau von 1952 – entstanden in nur acht Monaten! – zum umso gründlicheren Neubeginn machte. Schließlich verpasste in den 1980er Jahren der damalige Grün-Dezernent Karl Gabriel dem Park durch Abrisse und Neubauten eine postmoderne Architektur, die die zuvor vorhandene Qualität weit unterschritt. Das gilt vor allem für die Orangerie und den finsteren Konzertpavillon, aber auch für die Verbannung der „weißen“ Gruga. Die entsprechenden Gebäude, Mauern und Möbel wurden entweder fast alle entfernt oder in Grün oder Braun umlackiert Der Park hat auch Gabriels Herrschaft irgendwie verkraftet, trug aber Blessuren davon. Ein Kapitel, das noch aufgearbeitet gehört, den Rahmen dieses Buches aber gesprengt hätte.

In Summe kommt man jedenfalls auf sechs große Einschnitte in nicht einmal sechs Jahrzehnten. Kaum ein Park in Deutschland dürfte derart oft wechselnden Moden unterworfen gewesen sein. Die beiden Autorinnen, beides ausgewiesene Fachleute, liefern akribisch recherchierte Fakten, setzen diese nur leider zu selten in Beziehung zu den gesellschaftlichen Großtrends, die sich in der Gruga bis heute abbilden. Es fehlt ein wenig der analytische, auch politische Blick und der Mut zur Bewertung. Eine Ausnahme bilden die Kunstwerke, die von Anfang an ein prägender, qualitativ hochwertiger Teil des Parks waren und die im Buch breit gewürdigt werden.

Großartig ist das Aufgebot an historischen Fotos, darunter etliche, die nie oder selten gezeigt wurden – diese Seite zeigt eine kleine Auswahl. Allein die Bilder lohnen schon den freundlich kalkulierten Preis des Buches. Wer sich in die ebenfalls vorbildlichen Karten vertieft, kann anhand der Fotos und Bildunterschriften eine Reise in frühere Gartenbau-Epochen unternehmen. Hin und wieder ist dabei etwas Wehmut erlaubt über eine Stilsicherheit, die wohl nicht mehr wiederkommt.

Julia Ruether/Astrid Schröer-Mlodoch: „Die große Schau – Gartenschauen im Essener Grugapark von 1929 bis 1965“, 224 Seiten, 19,90 Euro.