Essen. . Der neue Mietspiegel für Essen liegt vor. Er berücksichtigt erstmals den energetischen Zustand einer Wohnung und moderne Wohnstandards.
- Der neue Mietpreisspiegel ist am Donnerstag veröffentlicht worden
- Mieten sind um 5,5 Prozent gestiegen
- Erstmals fließt der energetische Zustand der Wohnung ein
Die Mieten sind seit 2009 gestiegen. Das geht aus dem gestern veröffentlichten Mietspiegel 2016 hervor. Durchschnittlich kletterten die Preise um 5,5 Prozent. „Verglichen mit der Preisentwicklung in anderen Großstädten leben wir in einer Komfortzone“, sagte Planungsdezernent Hans-Jürgen Best. Allerdings ging es gerade bei Altbauwohnungen mit Baujahr vor 1918 und bei Neubauten deutlich nach oben. Auch größere Wohnungen über 100 Quadratmeter Wohnfläche sind teurer geworden.
Der Mietpreisspiegel wertet Neuvermietungen und Mieterhöhungen der vergangenen vier Jahre aus. Auf seiner Grundlage können Mieter und Vermieter die ortsübliche Vergleichsmiete errechnen, die als Obergrenze gilt, bis zu der Vermieter Mieterhöhungen durchsetzen können. Die Essener Mietergemeinschaft rechnet damit, dass der neue Mietspiegel die Grundlage für weitere Erhöhungen bilden dürfte. Er enthält aber auch deutliche Verbesserungen gegenüber dem alten.
Hartz IV: Mietobergrenzen steigen
Die Stadt Essen hat am Donnerstag bereits auf das gestiegene Mietniveau im neuen Mietspiegel reagiert: Sie hebt rückwirkend zum 1. März die Mietobergrenzen für Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger an. Je nach Anzahl der Personen steigen sie um rund drei bis 14 Prozent, teilte die Stadt mit. Die Anhebung könnte die Unterkunftskosten, die die Stadt zahlt, voraussichtlich um jährlich rund fünf Millionen Euro erhöhen. Die höheren Mietobergrenzen haben für die Stadt aber auch Vorteile: Damit kann sie für Flüchtlinge Wohnungen anmieten, die bislang zu teuer waren. Das dürfte die Unterbringung erleichtern.
Der neue Mietspiegel ist eine Zäsur. Denn erstmals wurde er auf wissenschaftlicher Basis erstellt und hat somit mehr Gewicht als seine Vorgänger.
Und nicht nur das: „Er ist eindeutiger geworden. Das sorgt für mehr Klarheit und wird Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern besser befrieden helfen“, sagte die Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen, Siw Mammitzsch, als erste Reaktion nach der Veröffentlichung.
Ob der Mietspiegel nun für einen Anstieg der Mieten auf breiter Front sorgen wird, muss sich erst zeigen. Pauschale Aussagen sind schwierig. Die Auswirkungen müssen für jede Wohnung einzeln berechnet werden. Fakt ist aber, und da sind sich Vertreter beider Seiten – Mieter wie Eigentümer – einig: Jetzt werden viele Vermieter nachrechnen, ob sie zumindest theoretisch die Miete anheben könnten. „Aus unserer Erfahrung gehen Vermieter diesen Schritt aber meist nur bei Neuvermietungen“, sagte Werner Weskamp vom Eigentümerverband Haus & Grund Essen.
Uralt-Bad führt jetzt zum Punktabzug
Ein Mietspiegel zeigt, welche Miete für eine bestimmte Lage und Ausstattung „ortsüblich“ ist. Sowohl für Eigentümer aber auch für Mieter ist das ein wichtiger Richtwert. Denn Mieter können damit genauso bestimmen, ob die neue Miete bei einem Umzug angemessen ist. Bei der Berechnung der ortsüblichen Miete fließen neben Lage und Ausstattung auch Größe und Baujahr ein. Bei diesen Parametern gibt es zahlreiche Neuerungen: Erstmals wird zum Beispiel der energetische Zustand der Wohnung einbezogen. Energetische Modernisierungen schlagen somit deutlicher zu Buche als bisher. Umgekehrt führt ein Bad, das seit 20 Jahren keine neuen Fliesen oder neue Wanne mehr gesehen hat, zu einem deutlicheren Punktabzug. Gleiches gilt, wenn es in der Küche nur Kaltwasser gibt oder die Gegensprechanlage am Haus fehlt. „Der Mietspiegel berücksichtigt nun stärker, was moderner Wohnstandard ist“, so Siw Mammitzsch.
Bislang sorgte auch die Einordnung der Wohnlage für viele Diskussionen. Gab es im alten Mietspiegel nur Vergleichslagen, sind nun alle Straßen einer Wohnlage zugeordnet. Grundlage dafür seien in erster Linie die Bodenrichtwerte gewesen, betonte der Vorsitzende des Gutachterausschusses, Peter Rath. Lärmbelastung spielte dagegen eine untergeordnete Rolle. So kommt es, dass die vielbefahrene Alfredstraße in Rüttenscheid mit 4 bzw. 5 Punkten – also der höchsten Punktzahl bewertet ist.
Schließlich sind nicht nur die baujahrbezogenen Basismieten gestiegen, auch bei größeren Wohnungen über 100 Quadratmeter können Vermieter nun deutlicher zulangen als bisher. Denn die Mieten in diesem Segment sind in den vergangenen vier Jahren deutlich gestiegen. Diese Mietentwicklung zeige, dass die typischen „Familienwohnungen“ rarer geworden sind.
„Ein deutlicher Hinweis, dass Essen mehr in den Wohnungsbau investieren muss“, so Makler Klaus Peter Großmann.