Essen. Im neuen Groß-Asyl des Landes in Essen-Fischlaken leben erst 193 Flüchtlinge. Freie Plätze an die Stadt abzugeben, ist nicht bisher nicht geplant.

Vor einigen Wochen kam die erste Hand voll Flüchtlinge, und noch immer arbeitet das Groß-Asyl auf dem früheren Kutel-Gelände in Fischlaken im Kleinformat. Platz für 800 Bewohner soll in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes entstehen; derzeit leben hier ganze 193 Menschen (Stand Montag), weitere 195 arbeiten hier. Vorläufig gibt es also eine Eins-zu-Eins-Betreuung.

Luxuriöse Bedingungen, vor allem wenn man an die Nöte der Stadt denkt, die schon mehr als ein halbes Dutzend Zeltdörfer für die Flüchtlinge hat aufstellen müssen – und weitere baut. In den Landeseinrichtungen hat sich die Lage dagegen in jüngster Zeit entspannt, in der brandneuen Einrichtung in Fischlaken war sie noch nie angespannt. Das bietet den Vorteil, dass sich hier alle Abläufe gut einspielen können.

Schließlich gilt die Erstaufnahme als „Einrichtung neuen Typs“. Sprich: Während des möglichst kurzen Aufenthalts sollen die Flüchtlinge untersucht, geimpft und registriert werden – und ihren Asylantrag stellen können. Im Verwaltungstrakt reihen sich Empfang, Büros des städtischen Ausländeramts und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aneinander. In einer Woche sollen Bewohner diese Asyl-Straße durchlaufen.

Das 195-köpfige Team hat also viele verschiedene Arbeitgeber; Leiter der Einrichtung ist der Jurist Jan Schaberick, der im Auftrag des Landes tätig ist. Die meisten Bewohner kommen aus Syrien, gefolgt von Eritrea, Ghana, Iran, Irak, Pakistan und Indien. Ihre Anreise verläuft in der Regel geordnet: Die Menschen kommen mit Bussen von den Drehkreuzen in Düsseldorf, Köln oder Dortmund nach Essen. Seltener liefern auch Schleuser ihre Kunden in der Nähe der Einrichtung ab, anfangs fuhren sie bis an die Schranke. „Seitdem wir die Kennzeichen notieren und an die Polizei geben, hat das aufgehört“, erklärt Schaberick.

Empfang fast wie im Hotel

Alle Neuankömmlinge finden sich in einem Warteraum wieder, in dem erste Informationen in verschiedenen Sprachen über einen Bildschirm flackern. Der Empfang arbeitet mit einer Hotel-Software und bietet auch einen hotel-ähnlichen Service: Er ist 24 Stunden besetzt, die Mitarbeiter sprechen Englisch und Französisch – sowie Arabisch oder Farsi. Die Firma European Homecare, die in Essen schon etliche Unterkünfte betreibt, stellt als Sozialbetreuer bevorzugt Muttersprachler ein. Sie versorgen die Flüchtlinge mit einem Bewohnerausweis, der an der Mensa wie bei der Eingangskontrolle gezeigt werden muss. Untergebracht sind die Flüchtlinge in Zwei- oder Vierbettzimmern, Bäder sind auf den Flur. Das ist eher Jugendherbergs- als Hotel-Standard, aber Klassen über Zelten, Turnhallen, Notunterkünften.

Hamid Rostami (29) fühlt sich wohl. „Es ist sauber; und ich hätte nicht gedacht, dass es hier Leute gibt, die meine Sprache sprechen“, sagt der Iraner, der eine Messe in Köln genutzt hat, um sich abzusetzen. Er träumt davon, eines Tages wieder in der Tourismusbranche zu arbeiten, Radtouren anzubieten. Aber erst möchte er in eine städtische Unterkunft umziehen und bald Deutsch lernen. „Hier geht ja alles sehr schnell, es ist gut organisiert.“

Doppel-Registrierungen sollen verhindert werden

Vor allem ist alles vor Ort: Fünf Ärzte, die Bewohner untersuchen und ihnen die gängigen Impfungen anbieten, dazu eine Röntgenstation. Petra Brüschke vom Essener Ausländeramt besetzt mit ihrem Team 18 Schalter, macht Abfragen beim Ausländerzentralregister, nimmt biometrische Fotos auf und bald auch Fingerabdrücke ab. Mit solchen Merkmalen versehen, sollen die Ankunftsnachweise Doppel-Registrierungen verhindern. Viele Formalien gibt es zu beachten, und „viel Menschliches passiert auch“, sagt Brüschke. Da fürchten Familien getrennt zu werden, da nennen sich Fremde plötzlich Verwandte: „Der Familienbegriff ist in manchen Ländern viel weiter als bei uns.“

Wer zur Familie gehört, kann schließlich eine Schicksalsfrage sein, wenn die Flüchtlinge von der Erstaufnahme weiterverteilt auf andere Städte. Wenn sie dort ankommen, werden sie ihren Asylantrag bereits gestellt haben: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sitzt ja vor Ort. Das ist ein großes Plus, sorgt doch das lange Warten auf einen Termin beim BAMF, das Gefühl von Stillstand in vielen anderen Einrichtungen für Verdruss.

Nicht mal die Wäscherei läuft unter Volllast

Sozialdezernent Peter Renzel hat das BAMF-Büro darum erfolgreich um Amtshilfe gebeten: Bewohner der städtischen Heime sollen mit Bussen nach Fischlaken gefahren und dort registriert werden – die Kapazität ist im Moment vorhanden.

Auch in den Wohntrakten und in den Aufenthaltsräumen ist noch viel Platz. Die Erzieher im Kinderhaus sind nicht überlastet; die auf zwei Schichten à 400 Personen ausgelegte Mensa bereitet kaum 200 Mahlzeiten zu. Nicht mal die Wäscherei läuft unter Volllast.

Als Probebetrieb ist das ideal, doch fragt man sich, ob die Stadt nicht einige freie Plätze nutzen könnte: Ein ganzes Zeltdorf mit 400 Plätzen ließe sich so sparen. Bei der Bezirksregierung Arnsberg kennt man solche Begehrlichkeiten, sind doch über die Hälfte der landesweit 77.000 Plätze derzeit frei. „Möglich wäre eine Belegung durch die Stadt schon“, räumt Sprecher Benjamin Hahn ein. „Aber wir machen das nicht gern. Mit Blick auf Griechenland halten wir lieber einen Puffer.“