Essen. . Die Sparkasse Essen blickt auf eine 175-jährige Geschichte zurück und hat eine sehenswerte Ausstellung konzipiert.

Essen im Jahr 1841 – man kann sich diese damals unbedeutende Kleinstadt gar nicht schlicht, schmutzig und ärmlich genug vorstellen. Ganze 6500 Einwohner waren vor 175 Jahren hier zu Hause, Krupps Gussstahlfabrik war noch in den Anfängen. Es gab einige wohlhabende Händlerfamilien, die meisten Bürger aber lebten in verfallenen Altstadtquartieren, die erst spätere Generationen einmal als „romantisch“ empfinden sollten. Dass am 20. Januar 1841 die Essener Sparkasse ihre staatliche Gründungsurkunde erhielt, mag da zunächst absurd gewirkt haben.

An der Rathenaustraße/Ecke Kapuzinergasse baute sich die Sparkasse ein repräsentatives Gebäude, das im Kern noch heute besteht, aber von anderen genutzt wird. Das Bild entstand vermutlich kurz nach der Währungreform im Jahre 1948.
An der Rathenaustraße/Ecke Kapuzinergasse baute sich die Sparkasse ein repräsentatives Gebäude, das im Kern noch heute besteht, aber von anderen genutzt wird. Das Bild entstand vermutlich kurz nach der Währungreform im Jahre 1948. © WAZ

Und doch war es genau der richtige Zeitpunkt: „Es brodelte in Essen“, sagt Theo Grütter, Direktor des Ruhrmuseums und Kenner der Frühindustrialisierung. Auf der Zeche Graf Beust war es 1840 erstmals auf dem damaligen Essener Stadtgebiet gelungen, die Mergelschicht zu durchstoßen und zur Fettkohle vorzudringen. Nun kam eine Entwicklung in Gang, die innerhalb weniger Jahrzehnte alles verändern und Essen in geradezu amerikanischem Tempo zur Groß- und Industriestadt machten sollte.

„Kundin Nr. 1“ Angelika von Waldthausen

Der Kapitalbedarf bei Investoren war da ebenso groß, wie das Bedürfnis von Bürgern, ihr Geld in sicherer und gewinnbringender Verwahrung zu wissen. „Die Sparkassen, die nun überall gegründet wurden, profitierten von der Industrialisierung und trieben sie gleichzeitig als Kapitalgeber an“, so Grütter, der gemeinsam mit weiteren Historikern die sehenswerte Jubiläums-Ausstellung der Sparkasse konzipiert hat.

Lange residierte die Sparkasse im Rathaus, dies war ihr erstes eigenes Gebäude: am Theaterplatz/Ecke II. Hagen
Lange residierte die Sparkasse im Rathaus, dies war ihr erstes eigenes Gebäude: am Theaterplatz/Ecke II. Hagen © WAZ

Der Erfolg kam rasch. Im Gründungsjahr hatte die Sparkasse exakt 43 Sparer, darunter als „Kundin Nr. 1“ Angelika von Waldthausen, zehnjähriger Spross einer der ältesten Essener Kaufmannsfamilien. Im Jahr 1857 waren es dann schon 3150 Sparbücher. Essen zählte mittlerweile 20 000 Bürger, die Einwohnerzahl hatte sich in nur 16 Jahren verdreifacht. Rund jede zweite Familie war somit Kunde bei der Sparkasse. 650 Kontoinhaber waren Industriearbeiter, die keineswegs alle arm waren. Der Bergmann Johann Heinrich Montag etwa besaß ein Sparguthaben von 644 Talern – 1859 das Vierfache eines durchschnittlichen Jahreslohns.

Finanzierung des boomenden Wohnungsbaus

„Die Städte hatten großes Interesse daran, dass die Bürger sparen“, sagt Grütter. Wer seinen Job verliert und keine Notgroschen besitzt, fällt der Gemeindekasse zur Last, ein ausgebautes Sozialsystem ist noch Utopie. Umgekehrt war die Sparkasse auch unentbehrlich bei der Finanzierung des boomenden Wohnungsbaus und des industriellen Mittelstands. Und: Die Stadt Essen konnte auch dank der ihr zustehenden Sparkassen-Gewinne den Ausbau der städtischen Infrastruktur finanzieren – Voraussetzung für das immense Wachstum an Stadtraum und Einwohnern.

Die neue Zeit: Um 1971 gab es bei der Sparkasse Essen den ersten Geldautomaten. Die Farbe des damaligen Corporate Designs: lindgrün.
Die neue Zeit: Um 1971 gab es bei der Sparkasse Essen den ersten Geldautomaten. Die Farbe des damaligen Corporate Designs: lindgrün. © WAZ

Schon 1875 gehörten die noch getrennten drei Sparkassen in Essen, in Werden und in Steele zu den „Top 5“ der Rheinprovinz, und ein Ende ist lange nicht in Sicht. Die Eingemeindungswellen der Jahre 1901, 1915 und 1929 bescherten der Sparkasse Essen weiteren beachtlichen Zuwachs, denn die Sparkassen-Idee war längst bis in den letzten, noch selbstständigen Vorort gedrungen. Berühmt ist vor dem Ersten Weltkrieg das Sparbuch mit der Nummer 10397, auf dem das höchste Sparkassen-Guthaben des Deutschen Reiches liegt. Es gehört anteilig über 20 000 Krupp-Arbeitern, die bei der Sparkasse Essen zum guten Zinssatz von fünf Prozent die damals stolze Summe von 8,3 Millionen Mark ansparten.

Währungsreform 1948: Startschuss für wirtschaftliche Erfolgsgeschichte

Natürlich gingen auch die deutschen Katastrophen nicht spurlos an der Sparkasse Essen vorbei, die allerdings laut Grütter niemals in existenzielle Gefahr geriet. „Die Menschen vertrauten und kündigten auch in währungspolitischen Krisenzeiten nur in geringem Maße ihre Konten.“ Ende der 1920er Jahren, in einer Zeit schwelender Krisen, setzte die Sparkasse Essen mit einem modernen Neubau an der Rathenaustraße ein architektonisches Ausrufezeichen. Das Spätwerk von Georg Metzendorf, dem Schöpfer der Margaretenhöhe, heißt heute Theater-Passage und gehört zu den vielen bemerkenswerten Bauten, die Essen aus dieser Zeit besitzt. Nach Kriegsende 1945, als Essen in Trümmern lag, gab es auch für die Sparkasse die einzige Stunde Null ihrer langen Geschichte - sie schloss für zwei Wochen. Dann war klar: Ohne Geldverkehr geht es auch jetzt nicht.

Der 1975 bezogene Neubau der Sparkasse Essen am III. Hagen, der in sanierter Form noch heute als Zentrale des Geldinstituts dient.
Der 1975 bezogene Neubau der Sparkasse Essen am III. Hagen, der in sanierter Form noch heute als Zentrale des Geldinstituts dient. © WAZ

Die Währungsreform 1948 war dann Startschuss für eine beispiellose wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Schon rund zwei Jahrzehnte später beschloss die erneut stark gewachsene Sparkasse den Bau einer neuen, der dritten Sparkassen-Zentrale war. Sie besteht bis heute.