Essen. Entsetzen in den Kommunen des Reviers: Sie werden vom Energieriesen RWE dieses Jahr fast keine Dividende bekommen. Essens Kämmerer Lars Martin Klieve (CDU): “Das übertrifft meine schlimmsten Albträume.“

  • Ungebremster Verfall der Strompreise im Großhandel hat RWE in rote Zahlen gerissen
  • RWE-Vorstand will Dividende in diesem Jahr fast vollständig streichen
  • Schock bei Essens Kämmerer: „Das übertrifft meine schlimmsten Albträume“

Krise bei RWE: Der Vorstand will die Dividende in diesem Jahr fast vollständig streichen. Für Stammaktien soll es keine Ausschüttung geben, Inhaber von Vorzugsaktien sollen noch 13 Cent bekommen. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern 1 Euro pro Stamm- und Vorzugsaktie gezahlt. Die Aktie fiel nach Bekanntwerden der Entscheidung um 10 Prozent.

Grund dafür: Der ungebremste Verfall der Strompreise im Großhandel hat den Energiekonzern RWE im vergangenen Jahr in die roten Zahlen gerissen. Unter dem Strich stand ein Fehlbetrag von rund 200 Millionen Euro, wie das Unternehmen am Mittwoch in Essen mitteilte. Hauptgrund waren Abschreibungen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro auf die konventionellen Kraftwerke.

Am 3. März tagt der RWE-Aufsichtsrat

Auch interessant

Die Stadt Essen reagierte mit Entsetzen auf die Ankündigung des Energieriesen. „Das übertrifft meine schlimmsten Albträume“, sagte der Stadtkämmerer Lars Martin Klieve (CDU). Für die Stadt fielen damit gut 18 Millionen Euro Einnahmen weg. Die Stadt Essen ist als wichtiger RWE-Standort zugleich Großaktionär mit RWE-Stammaktien. Im Vorjahr hatte sie 18,3 Millionen Dividende eingenommen. „Ich bin völlig überrascht“, sagte der Kämmerer. Die kommunalen Aktionäre würden sich über die neue Situation und ihre Reaktion darauf abstimmen. Am 3. März tagt der RWE-Aufsichtsrat, in dem die Kommunen vertreten sind. „Das wird kein gemütliches Kaffeetrinken“, sagte Klieve.

Sein Kollege Guntram Pehlke, Stadtwerke-Chef in Dortmund und als solcher ebenfalls RWE-Großaktionär, schimpfte: "Unverschämtheit, das hätte man nicht entscheiden dürfen, ohne den Aufsichtsrat einzubinden." Das Kontrollgremium tagt erst in gut zwei Wochen.

Kommunen wichtigste Eigentümer von RWE

Viele Kommunen, mit fast einem Viertel wichtigste RWE-Eigentümer, sind sauer. Sie müssen insgesamt auf rund 150 Millionen Euro Dividende verzichten, wie die "Rheinische Post" vorrechnet - und sie fühlen sich an den Entscheidungsabläufen in "ihrer" RWE immer weniger beteiligt.

Schon bei der Personalie des künftigen Aufsichtsratschefs hatten die Kommunalvertreter 2015 ihren Kandidaten, Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, nicht durchsetzen können. Dass Ende Januar dann der hoch geachtete RWE-Deutschland-Chef Arndt Neuhaus das Unternehmen verlassen musste, sorgte für weiteren Ärger.

Neuhaus galt als Vertrauter der Kommunen. Und aktuell erregt sie Teriums Plan, im Aufsichtsrat der "neuen" RWE, die im April gegründet werden soll, gar keine kommunalen Vertreter zuzulassen.

Verhältnis zwischen RWE und Städten belastet

Die Kommunen empfänden das Verhältnis zum RWE-Vorstandsvorsitzenden als belastet, heißt es aus dem Umfeld. Nun kommt zu alledem noch der Griff ins Portemonnaie - ausgerechnet in einer Phase, in der die kommunalen Haushalte wegen der Flüchtlingskrise angespannt sind wie lange nicht mehr.

Natürlich gibt es gute Gründe für eine Dividendenkürzung in der Krise und angesichts von Nettoverlusten. Das sieht sogar Aktionärsvertreter Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) so: "Die Dividende war schon seit Jahren zu hoch. Auch RWE kann sich vor den Fakten des Energiemarktes nicht verstecken."

Die komplette Streichung komme aber überraschend und sei eine "schreckliche Nachricht" für die Aktionäre. Dies müsse nun der Wendepunkt für RWE sein, fordert Tüngler. "Die letzte Linie ist das Vertrauen, dass es besser wird."

Vertrauen in RWE ist geschwunden

Genau dieses Vertrauen kann RWE derzeit aber nur mit Mühe vermitteln. Auch in diesem Jahr rechnet der Vorstand mit weiteren Ergebnisrückgängen. Und ein wirklich neues Geschäftsmodell ist nicht erkennbar. Eine weitere schwierige Frage bleiben die am Ende anfallenden Kosten für den Atomausstieg.

Solange es in den Gesprächen mit der Atomausstiegs-Kommission kein Ergebnis gibt, halten viele Fachleute den bisher für Ende 2016 geplanten Börsengang der "neuen" RWE für wenig aussichtsreich. Die Anleger wollen erst wissen, welche Lasten auf den Konzern zukommen. Das neue Kapital und damit die deutlich erhöhten Investitionsmittel für die RWE-Energiezukunft könnten sich deutlich verzögern.

Dass die Hauptversammlung am 20. April Terium die Entlastung verweigern könnte, erwartet kaum jemand. Der Aufstand wird wohl ausbleiben. Die kritische Stimmung dürfte sich aber wohl in einem mäßigen Abstimmungsergebnis niederschlagen, erwarten Beobachter. Das Vertrauen für Terium scheint ausgeschöpft. (dpa/kpo)