Essen. Die Gründung einer Bürgerinitiative von SPD-Mandatsträgern im Norden zeigt auch den Verfall der Autorität von Parteichefin Britta Altenkamp. Ein Neuanfang ist kaum zu vermeiden.

Britta Altenkamp sei „nicht amüsiert“ gewesen, als ihr Sozialdemokraten aus dem Essener Norden eröffneten, man werde nun eine Bürgerinitiative gegen weitere Asyl-Unterkünfte gründen. So berichten es höhnisch die Initiatoren, denen die Ansicht ihrer Parteivorsitzenden zu diesem Thema anscheinend vollkommen gleichgültig ist.

Das ist niederschmetternd für die im Umgang sperrige Landtagsabgeordnete, deren Autoritätsverfall unaufhaltsam voran schreitet. Altenkamps Wort gilt nur noch in wenigen Ortsvereinen, vor allem die im Norden scheren sich nicht mehr um sie. Dort engagieren sich Sozialdemokraten, die sogar Funktionen in Stadtteilparlamenten haben, mittlerweile außerparlamentarisch gegen die Politik der eigenen Ratsfraktion. Und dieser Druck wirkt, auch wenn Fraktionschef Rainer Marschan so tut, als habe sein Zurückweichen bei den Asyl-Standorten nichts damit zu tun. Das ist eine reine Schutzbehauptung.

Es nähert sich wohl der Zeitpunkt, an dem die Essener SPD um einen personellen Neuanfang nicht herumkommt, sonst fliegt die Partei auseinander. Ein geborener Kandidat für den Vorsitzendenposten ist allerdings nicht so recht in Sicht. Genannt wird die Bundestagsabgeordnete Petra Hinz, doch befürchten nicht wenige Sozialdemokraten, in Sachen Kommunikationsgeschick vom Regen in die Traufe zu kommen. Genannt wird der Altenessener Ratsherr Karlheinz Endruschat, der über den zurzeit wichtigen Vorzug verfügt, Gehör und Ansehen bei den renitenten Nord-Genossen zu genießen.

Am leichtesten mehrheitsfähig wäre vermutlich NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, der sich bei den Parteiquerelen in der Essener Heimat jedoch gerne vornehm zurückhält – so auch diesmal. Nur eines dürfte klar sein: Für Altenkamp ist der Zug abgefahren, sie kann die Essener SPD nicht mehr befrieden.

Für die Partei, die im Rat die größte Fraktion stellt und die gemeinsam mit der CDU und dem OB die Geschicke Essens bestimmt und weiter bestimmen will, ist das Zusammenraufen jedoch unabdingbar. Schon jetzt leidet die Handlungsfähigkeit der Stadt – mitten in der Flüchtlingskrise ein ungünstiger Zeitpunkt. Diese Krise allerdings ist letztlich wiederum Auslöser für das aktuelle SPD-Zerwürfnis, wenn auch die Ursachen sehr viel tiefer liegen.

Der Schlüssel zur Lösung des Grundproblems – auch das ist Teil der Wahrheit – liegt nicht in Essen, sondern in Berlin. Eine vertrackte Situation, um die kein politisch Handelnder in der Stadt zu beneiden ist.