Essen. . Pilotprojekt will junge Flüchtlinge auf eine Lehre vorbereiten. Unterschiede bei Schulabschlüssen und offene Asylanträge erschweren das Vorhaben.

Das Licht ist so gleißend, dass man hineingucken muss, obwohl man es nicht darf, obwohl es in den Augen brennt. Volker Anneck hält das Schweißgerät in der Hand. Saed Ako und Alireza Sadatsharifi blicken durch ihre Schutzbrillen in die Flamme. Ihre Köpfe sind von Helmen bedeckt, eine Schürze und Gamaschen aus Leder schützen ihre Haut vor den UV-Strahlen und ihre Füße vor den 1500 Grad heißen Tropfen flüssigen Metalls. Als sie ihren Helm abziehen dürfen, lächeln Saed und Alireza. Anneck bringt ihnen in den nächsten Tagen Grundlagen des Schweißens bei. Das könnte ihre Zukunft sein.

Alireza ist 24 Jahre alt und floh vor zwei Jahren aus dem Iran. Saed (20) kam vor drei Jahren aus dem Irak. Beide sind politische Flüchtlinge, beide haben in Essen bereits Integrationskurse besucht, in denen ihnen neben der Sprache auch Kenntnisse über das deutsche Rechte- und Wertesystem vermittelt wurden. In der Werkstatt des Kompetenzzentrums Zollverein des TÜV Nord Bildung, wollen sie nun den Grundstein legen für die volle Integration in die Gesellschaft: eine Arbeitsstelle.

Unabhängigkeit als wichtiges Ziel

Gemeinsam mit neun weiteren Flüchtlingen nehmen sie seit Dezember an dem Projekt „Durchstarten mit Energie“ teil, das der TÜV Nord Bildung in Zusammenarbeit mit dem Energieversorger Eon entwickelt hat. Nach neun Monaten sollen die elf Männer „ausbildungsreif“ sein, so dass sie gleichberechtigt mit deutschen jungen Erwachsenen Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben. Sie erhalten weiterhin Sprachtraining, Hilfe bei der Berufsorientierung und der erhofften Integration in die Betriebe. Dafür durchlaufen sie verschiedene handwerkliche Stationen, in denen sie feststellen können, wo ihre Fertigkeiten und Interessen liegen.

Mareike Onnebrink, die das Projekt für Eon betreut, sieht die Unabhängigkeit der Flüchtlinge als wichtiges Ziel: „Sie sollen selbstständig einen Fuß in die Arbeitswelt bekommen.“ Aber ist das möglich? Die jungen Männer kommen aus Syrien, Ghana, dem Irak und dem Iran. Manche haben einen Schulabschluss, der mit Abitur übersetzt wird, aber ob er dem deutschen Begriff inhaltlich gerecht wird, ist schwer abzuschätzen. „Einer von ihnen hat bei seinem Bruder geschneidert, er kann es, aber er ist nicht darin ausgebildet“, erzählt Ulrich Rade, der die Flüchtlinge für TÜV Nord Bildung begleitet.

Anders als Saed, der nur die Schule besucht hat, sagt Alireza, er habe bereits als Mechaniker gearbeitet und Aufzüge repariert, „aber mit ganz anderen Werkzeugen und Geräten.“ Alirezas Deutsch ist noch gebrochen, aber er versteht vieles von dem, was man ihn fragt und erklärt. Rade hat ihm geholfen, einen Antrag auf Anerkennung seines iranischen Abschlusses zu stellen. In den nächsten Wochen wird darüber entschieden.

Asylrechtliche Fragen noch ungeklärt

Die elf jungen Männer sind über das Jobcenter in das Projekt gekommen. Sie erhielten dort das Angebot, bewarben sich und der TÜV Nord Bildung prüfte, ob sie dafür geeignet sind. „Wir haben richtig Glück gehabt“, sagt Rade und erklärt enthusiastisch: „Alle sind unheimlich nett und motiviert.“

Doch für alle Beteiligten ist es ein Pilotprojekt und fragt man nach den Erfolgsaussichten, sind die Reaktionen zurückhaltend. Denn: Neben den Schwierigkeiten, alle auf den gleichen Bildungsstand zu bringen, sind auch die relevanten asylrechtlichen Fragen noch nicht geklärt. Alle Teilnehmer sind Asylbewerber, es kann also sein, dass sie wieder abgeschoben werden – „ein Risiko für die Unternehmen. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen haben nicht die finanziellen Mittel, jemanden drei Jahre auszubilden und anschließend nicht als Fachkraft behalten zu können“, sagt Onnebrink.

Saed floh aus dem Irak, weil dort Krieg herrscht, die Schulen geschlossen wurden, sein Leben bedroht war. Alireza, weil er in seinem Land seine Meinung nicht äußern konnte, Angst hatte, ins Gefängnis zu kommen. „Diese Ausbildung hier ist sehr wichtig für uns“, weiß Alireza. Das Schweißen gefällt ihm und seine Augen strahlen, als Anneck sagt: „Wenn ihr das könnt, könnt ihr Brücken und Schiffe zusammenschweißen.“