Besonders die Fächer Deutsch, Mathe und Naturwissenschaften werden an weiterführenden Schulen von Lehrern ohne die nötige Qualifikation unterrichtet
Knapp 6000 Unterrichtsstunden wurden im vergangenen Schuljahr an Essener Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie an den Gymnasien von Lehrern „fachfremd“ unterrichtet – also von Pädagogen, die eigentlich in den betroffenen Fächern dafür gar nicht ausgebildet sind. Besonders oft mussten Lehrer einspringen in den Fächern Mathe, Deutsch und den so genannten „Mint“-Fächern, also den Naturwissenschaften und technischen Fächern.
Diese Zahlen hat das Land NRW für die Essener Schulen bekannt gegeben; Anlass war eine „Kleine Anfrage“ des Essener Landtagsabgeordneten Ralf Witzel (FDP).
„Wir sollten darüber nachdenken, ob nicht Pädagogen in den betreffenden Fächern über die Pensionsgrenze hinaus unterrichten dürfen, wenn sie es möchten“, schlägt Witzel vor. Er will sich außerdem für die Einführung eines „Arbeitszeitkontos“ einsetzen – so, dass Pädagogen zum Beispiel in jungen Jahren mehr arbeiten können als vorgeschrieben ist, um die Stunden später wieder abbauen zu können. „So“, schlägt Witzel vor, „könnten aktuelle Engpässe möglichst flexibel überwunden werden.“
Während an den Essener Gymnasien besonders häufig Mathe- und Politikstunden von Lehrern gegeben werden, die in diesen Fächern eigentlich gar nicht ausgebildet sind, verursacht an Gesamt- und Hauptschulen das Fach Deutsch die größten Probleme. An Essener Realschulen wird außerdem das Fach Politik besonders häufig „fachfremd“ unterrichtet.
Die Ursache: Seit Jahren sind Stellen der Lehrer für Naturwissenschaften dünn besetzt. Hat ein Pädagoge zum Beispiel die Qualifikation in den Fächern Physik und Deutsch, unterrichtet er so gut wie nur Physik, denn Physiklehrer gibt es einfach nicht so viele. Die Folge an der Schule: Deutsch wird im Zweifel von einem Kollegen unterrichtet, dem die entsprechende Ausbildung fehlt.
Tatsächlich gibt es Realschulen im Stadtgebiet, die mit genau einem einzigen Physiklehrer ausgestattet sind. „Dass das hinten und vorne nicht reicht, leuchtet wohl jedem ein“, sagt Witzel. Auch manche große Gesamtschule hat nur zwei oder drei Physiklehrer, ganz zu schweigen vom Fach Informatik, das sich trotz zunehmender Bedeutung schwertut, was die Lehrer-Abdeckung angeht.
Was die Fachlehrer-Versorgung an den Berufskollegs angeht, darüber gibt das Land keine Auskunft. Dabei sind dort die Probleme mindestens genauso eklatant: „Die Berufskollegs sind am Limit“, sagt Georg Greshake vom Berufskolleg West (Frohnhausen). Besonders die technisch dominierten Fächer wie Maschinenbau würden mittlerweile längst auch von Quereinsteigern wie Diplom-Ingenieuren unterrichtet – wobei sich längst nicht alle Berufsfremde für den Job als Lehrer eigneten. „Das Problem wird in den nächsten Jahren noch viel größer“, prognostiziert Greshake, „weil eine ganze Welle von Pensionierungen ansteht.“ Wo Lehrer eine Qualifikation für „Maschinenbau“ haben, würden sie entsprechend häufig nur darin eingesetzt – mit der Folge, dass auch an den Kollegs andere Fächer „fachfremd“ gegeben werden.