Essen. . Unterbringungs-Kosten von 2029 Euro pro Flüchtling und Monat verlangen nach Erklärungen. Die liegen im „Goldrausch“ und der Erkenntnis: alles relativ.

Wie bitte, 2029 Euro? Für diesen Preis haben die Müllers von nebenan vielleicht gerade einen Monat Urlaub mit Vollpension gemacht, Hotel Cotillo Beach auf Fuerteventura, ein Traum. Die gleiche Summe für einen Monat Flüchtlingsleben im Essener Zeltdorf ausgeben zu müssen, ist für viele ein finanzieller Alptraum – und schwer erklärungsbedürftig.

Das sieht nach entsprechenden Anfragen dieser Zeitung inzwischen auch die Stadt so und legt deshalb jetzt die zugrundeliegende Rechnung offen. Die fällt weit weniger kompliziert aus, als mancher womöglich glauben mag, denn um auf den rechnerischen Mittelwert von exakt 2029 Euro und 8 Cent für einen Monat Unterbringung einer Person in einem der sieben existierenden Zeltdörfer zu kommen, gibt es nur drei Kosten-Positionen: Die größte von 1706 Euro und 1 Cent berappt die Stadt für eine „Rundum-Sorglos-Pauschale“, mit der sie beim Unterkunftsbetreiber European Homecare nahezu alle Leistungen pauschal einkauft.

Zeltkosten für den Standort Stinnes-Stadion: 430.000 Euro monatlich

Die Anmietung der Zeltdörfer ist darin also genauso enthalten wie die Miete für Sanitärcontainer, Heizung, Mobiliar und die Mensa-Ausstattung. Auch Reinigung und Sicherheitsdienst, die technische Aufsicht wie die Betreuung der Flüchtlinge sowie Vollverpflegung mit drei Mahlzeiten am Tag zuzüglich Getränken und Obst sind damit abgegolten.

Hinzuzurechnen sind nur noch die umgelegten Kosten für die Beratung im Asylverfahren, zur Wohnungsvermittlung und Sprachmittler in Höhe von zusammen 38,71 Euro pro Kopf und Monat. Und schließlich kommen – ebenfalls pro Kopf und Monat – 284,35 Euro für Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinzu. Macht zusammen: 2029,08 Euro.

Sozialdezernent Peter Renzel weiß, dass eine solche Summe „jedem die Zornesröte ins Gesicht treibt“, verweist aber darauf, dass gerade die Eigentümer von Unterkünften aller Art den „Goldrausch“ der Flüchtlingswelle weidlich auszunutzen wussten. Wohncontainer seien in jenen Tagen keine auf dem Markt erhältlich gewesen, also musste man die Zelte mieten – zu horrenden Preisen.

Und schließlich: Gemessen an anderen Tagessätzen sei die Flüchtlings-Unterbringung durch die schiere Masse noch vergleichsweise preiswert: Jugendliche in einem Heim unterzubringen, koste rund 150 Euro pro Tag, in Altenheimen kämen Senioren für 125 bis 160 Euro pro Tag unter. Dagegen nähme sich der Tagespreis von um die 50 Euro in den Zeltdörfern fast bescheiden aus.

Als Kostentreiber gilt dabei die Unterkunft selbst: Allein die reinen Zeltkosten für den Standort Mathias-Stinnes-Stadion in Karnap schlagen etwa dem Vernehmen nach mit 430.000 Euro zu Buche – monatlich. Nein, kein Kauf-, ein Mietpreis ist das, den der städtische Vertragspartner European Homecare 1:1 ohne Gewinnaufschlag weiterreicht.

Weniger dicke Luft, weniger Kosten

Von heute auf morgen aus diesen Jahres-Verträgen herauszukommen, ist kaum möglich. Die Unter-Kontrakte von European Homecare mit den Zeltverleihern haben, so heißt es, eine Laufzeit von sechs Monaten. Und die Stadt tut wohl gut daran, keine Unterkünfte leichtfertig aufzugeben, ohne den Ersatz sicher zu haben.

Doch wenn der Rat – in welchem Umfang auch immer – im Februar die neuen Asylpläne beschließt, dürften die Verträge der Reihe nach gekündigt werden. Geplant ist, Standort für Standort freizuziehen und — wo zulässig – die Zelte durch preiswertere Leichtbauten zu ersetzen. Mindestens an der Bonifaciusstraße in Schonnebeck (mit 400 Plätzen), an der Erbslöh-straße in Altenessen (400), am Pläßweidenweg in Horst (200) und an der Vaeste-/Burgstraße in Burgaltendorf (400) ist dies fest vorgesehen.

Und wo man die Tür hinter sich zumachen kann und nicht überall buchstäblich die gleiche „dicke Luft“ herrscht, so das Kalkül, lassen sich auch andere Kosten wie etwa die für den Sicherheitsdienst zumindest verringern.

Doch auch wo man auf die Zelte erst einmal nicht verzichten kann, hofft die Stadt bei der nächsten Vertragsverlängerung deutlich geringere Kosten durchzusetzen. Insgeheim kalkuliert man im Rathaus mit einer Ersparnis von rund 15 Millionen Euro, immerhin.