Seine erklärte Vorliebe für architektonische und kontrapunktische Musik führte Philippe Herreweghe zwangsläufig zu Bach. Doch während seiner Künstlerresidenz an der Essener Philharmonie gibt sich der renommierte belgische Dirigent vielseitiger. Auch als Beethoven- und Schumann-Interpret wurde er in dieser Saison schon gefeiert. Jetzt stand er erstmalig am Pult der Essener Philharmoniker mit Bruckner und garantierte auch hier, mit modernem Instrumentarium, für ein besonderes Hörerlebnis.

Dabei hatte er nicht mal die beliebte Vierte mitgebracht, sondern die expressiv schroffere fünfte Sinfonie. Kein „Zizipe“-Vogelruf, kein romantisches Es-Dur-Schwelgen, sondern ein Monolith, der Ausdruck und Farbe so oft und extrem wechselt wie kaum ein anderes Werk des frommen Meisters. Herreweghe zeigte uns diese monumentale Klangskulptur von allen Seiten: den Urnebel des Streicher-Tremolo und die aufrüttelnden Scherzo-Rhythmen, den gemütlichen Ländler und die tragenden, mächtigen Fortissimo-Tonsäulen des kristallin klar aufspielenden Riesenorchesters. Er tat es indes nicht Weihrauch schwenkend, dafür aber – ohne Taktstock – mit liebevoll gestaltender Hand und analytischer Übersicht, sei es im Detail, den Tempowechseln, den großen dramaturgischen Bögen, die auch über 20 Minuten Satzlänge nichts an Spannung einbüßten. Äußerlich bescheiden und sparsam in der Gestik ist Herreweghe ein verinnerlichter Klangmagier, der auch die Essener Philharmoniker zum Äußersten zu inspirieren wusste: samtweich der Blechbläserchoral, präsent das Holz, filigran die Streicher bis ins dichte Fugengeflecht des Finalsatzes. Die Bravorufe am Schluss waren wohlverdient.