Essen. . Sophie, Florian, Julian, Sebastian  – und Abdulmajed: Die  Familie  von Beryl  Krusche hat einen minderjährigen Flüchtling als Pflegekind aufgenommen.

„Nur den BVB“. Das war Abdulmajeds Antwort, als die Polizisten auf der Essener Wache ihn fragten, ob er schon etwas in Deutschland kenne. „Ich bin 13, ich komme aus Syrien und ich brauche Hilfe“ – so stellte er sich den diensthabenden Polizisten auf der Wache vor, zu der ihn Passanten geschickt hatten. Das war im September 2015. Knapp vier Monate später sitzt er an einem großen Holzesstisch in Essen-Frillendorf, zusammen mit seinen neuen Geschwistern Sophie, Florian und Julian sowie Pflegemutter Beryl Krusche. Sie hat den 13-jährigen syrischen Jungen im November als Pflegekind aufgenommen.

„Ich habe mich schon vorher für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge engagiert und einfach mal ans Jugendamt geschrieben, dass ich gerne jemandem helfen würde“, erklärt die alleinerziehende Mutter. Ihre einzige Bedingung sei gewesen, dass es ein Flüchtling sein müsse, der definitiv in Deutschland Asyl erhalten werde. Alles andere wäre zu viel für sie und ihre vier Kinder im Alter von acht bis 14.

Alleine von Syrien nach Essen

Und auf einmal habe das Telefon geschellt: Sie hätten da jemanden, sagte das Jugendamt. Jemand, der von Syrien in den Libanon flüchtete. Von dort mit dem Schlauchboot die gefährliche Überfahrt in die Türkei wagte und schließlich über Umwege durch Ungarn, Serbien und Österreich in Essen strandete. Allein, ohne Eltern.

Mit seiner Familie, die aus dem vom IS besetzten Gebiet Der Azuur nach Damaskus floh, hat Abdulmajed aber regelmäßig Kontakt. „Über Whatsapp“, erzählt er. Auch Beryl Krusche hat schon mit ihnen gesprochen, schickt ihnen regelmäßig Bilder ihres Sohnes über Facebook. „Wenn meine Kinder ganz weit weg wären, dann wäre ich froh, wenn sich jemand gut um sie kümmern würde“, betont die alleinerziehende Mutter.

Pflegemutter legt Wert auf deutsche Werte

Ihre Art der Willkommenskultur teilen aber nicht alle, wie Beryl Krusche selbst im nächsten Umfeld erfahren musste. Manche Bekannte hätten Abstand genommen, andere die Freundschaft gekündigt. Doch viele hätten von Anfang helfend zur Seite gestanden. Auch die Schule ihres Sohnes Julian, dass Gymnasium am Stoppenberg. „Der Schulleiter hat uns super unterstützt“, betont die selbstständige Steuerberaterin. Seit einigen Wochen geht Abdulmajed zusammen mit Julian in die achte Klasse. Er besucht zudem zwei Deutschkurse, die für Seiteneinsteiger wie ihn eingerichtet wurden.

Neben Sprachkenntnissen legt Beryl Krusche auch großen Wert auf für sie typisch deutsche Werte – Dinge wie Umweltschutz, Mülltrennung, Gleichberechtigung von Frauen und Männern. „Wo kann man diese am besten lernen, wenn nicht in einer Familie?“, ist sich die 48-Jährige sicher.

Ein Teenager eben

Ihre Aufgabe als Mentorin nimmt Beryl Krusche sehr ernst. So ernst, dass sie sich neben Abdulmajed auch um dessen Freunde Mossab, 14, und Mautasm, 17, kümmert. Beryl Krusche würde sich wünschen, dass noch weitere Familien mit genug Platz und finanzieller Absicherung junge Flüchtlinge aufnehmen. Denn dies sei einer der besten Wege, um Vorurteile abzubauen – auf beiden Seiten.

Dass Abdulmajed seit seinem Einzug bei Familie Krusche „richtig angekommen“ sei, zeige sich täglich. Auf die Frage, ob ihn anfangs irgendetwas in Deutschland irritiert habe, antwortet der 13-Jährige mit einem klaren Nein. Eher witzig, erklärt er. Zu Silvester habe er zusammen mit zwei syrischen Studenten und seiner Pflegemutter auf der Zeche Carl gefeiert. Was genau daran so witzig war? „First party.“ Er grinst. Ein Teenager eben.