Essen. Das erste Kind im Jahr 2016 wurde im Elisabeth-Krankenhaus geboren: Michael Osamudiamen Benson. Seine Mutter floh schwanger aus Nigeria.

Der kleine Michael kam mit dem Boot nach Europa – im Bauch seiner Mutter Loveth Benson (35). Sie verließ im vergangenen Jahr ihre Heimat, eine kleine Stadt in Nigeria. In Essen wurde Michael nun als erstes Baby im neuen Jahr geboren: und zwar passend am 1. Januar 2016, um 0.16 Uhr.

Mit vollem Namen heißt er Michael Osamudiamen Benson, ist 54 Zentimeter groß und wog bei der Geburt 3270 Gramm. Mutter und Baby sind wohlauf und werden das Elisabeth-Krankenhaus wohl am kommenden Montag wieder verlassen. Dann geht es für beide zunächst zurück in die Flüchtlingsunterkunft im Optipark ins Westviertel. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Blickt Loveth Benson zurück, erzählt sie von ihrer Heimat in Nigeria, von schrecklichem Terror und ständigen Kämpfen. Sie und ihre Familie, die Christen sind, lebten stets in Angst, fürchteten um ihr Leben. Diese Sorge drängte die 35-Jährige vor wenigen Monaten zu einer schwierigen Entscheidung: Flucht. Diese bedeutete nicht nur erneute Lebensgefahr für die werdende Mutter und das ungeborene Kind, sondern auch, dass ihre anderen beiden Kinder zunächst zurückbleiben mussten. „Wir haben für die Flucht sehr viel Geld bezahlt“, erzählt Loveth Benson auf Englisch, die in Nigeria Kleider genäht hat. Nun hofft sie so sehr, dass auch die Geschwister (zehn und knapp drei Jahre alt) ihren Bruder Michael bald in den Arm nehmen können. Bis dahin kümmert sich die Großmutter um die beiden. Ob Loveth Benson ihre Mutter jemals wiedersehen wird, das ist unsicher. Diese sei bereits sehr alt, so dass ihr eine Flucht mit den Kindern nicht mehr zuzumuten sei, sagt ihre Tochter.

Ihr Weg ins Essener Westviertel führte sie aus Westafrika erst nach Marokko; von Nordafrika kam sie in einem Boot über das Meer bis nach Spanien und von dort schließlich nach Deutschland. Ihre Flucht dauerte vier Wochen, seit zwei Monaten lebt sie nun in Essen. Auch ihr Lebensgefährte ist aus Nigeria geflohen, in Spanien haben sie sich wiedergefunden – und sind nun wieder getrennt. Derzeit lebt Michaels Vater in Hannover und wird seinen kleinen Sohn wahrscheinlich am heutigen Samstag das erste Mal sehen, erzählt die 35-Jährige voller Vorfreude.

Wann und ob sie in Deutschland als Familie zusammen sein können, das ist völlig offen, sagt Loveth Benson. Bevor sie aber überhaupt an eine gemeinsame Wohnung denken kann, braucht sie erst einmal die übliche Baby-Ausstattung wie Kinderwagen, Wickeltisch und Bettchen. Sie wird bestimmt wieder einmal auf die Hilfe einer Frau zählen können: „Erika“, nennt sie mit leuchtenden Augen den Namen einer Helferin aus der Unterkunft im Optipark. „Sie ist meine Freundin.“ Alles, was sie trage, das habe Erika ihr gegeben, sagt sie und zeigt dankbar auf ihre Kleider. Weil Erika gerade einige Tage frei hat, wisse sie noch gar nichts von Michaels Geburt. Am Montag wird sie ihre Freundin überraschen.

„Wie es dann mit uns weitergeht, das weiß ich nicht“, sagt Loveth Benson. Arbeit zu finden, das ist eine große Hoffnung. So könnte sie das nötige Geld verdienen, damit ihre beiden Kinder aus Nigeria nachkommen können. „Ich möchte sehr gern bleiben und hier mit meiner Familie leben“, sagt die 35-Jährige. Viel habe sie von Essen zwar noch nicht gesehen. Sie weiß aber, dass sie in Sicherheit ist, und dass sich hier ihr größter Wunsch für die Zukunft erfüllen kann: „Wir möchten in Frieden leben.“