Essen. . Essens preiswerteste Straße ist die Schalker Straße: Zechenhäuser sind Privateigentum, vorne lärmt der Verkehr, hinten erstrecken sich riesige Gärten.
Lastwagen und Autos, Autos und Lastwagen. Auf den ersten Blick verströmt die Schalker Straße, Essens preiswerteste, eher spröden Badstraßen-Charme. Eine Ecke, in der Katernberg mehr Hinterhof als Welterbe ist. Kein einladendes Stadttor, sondern lärmende Ausfallstraße – eine zum Weg- statt zum Abfahren. Doch dieser Eindruck trügt gewaltig. „Ich fühle mich pudelwohl hier“, strahlt Manuela Dobrzynski.
Preiswert und trotzdem gut Wohnen: Hinter ihrer akkurat verklinkerten Doppelhaushälfte mit komfortablen 260 Quadratmetern Wohnfläche breitet sich eine grüne Oase aus. „Wir haben einen riesigen Garten, Obstbäume und Kaninchen, einen großen Koi-Teich und einen wundervollen Blick auf die grüne Halde.“ In Urlaub fährt sie mit ihrem Mann Udo nur noch im Frühjahr oder Herbst. „Den Sommer genießen wir lieber zuhause.“
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Vor elf Jahren hat es die Dobrzynskis von Steele in den Norden verschlagen. Eigentlich hatten sie einen kleinen Bauernhof gesucht. Stattdessen fanden sie ausgerechnet an der Schalker Straße: viel Natur mitten im Ballungsraum, und das zum erschwinglichen Preis von gut 250 000 Euro. Wer bei Monopoly gewinnen will, kauft Häuser. "Einer unsere Söhne wohnt gegenüber in der 81 und der andere in der 75.“ Mit Grundstücksgrößen, die selbst auf dem Land rar sind. Der eine besitzt 2000, der andere 800 Quadratmeter.
Gut vier Dutzend Zechenhäuser, größtenteils saniert und denkmalgeschützt, säumen die Schalker Straße zwischen Triple Z und Aldenhofstraße nahe der A 42 – fast alle in Privatbesitz, heißt es. „Man kennt und versteht sich“, sagen die Frauen aus dem Trödelladen, „es ist hier ruhig und friedlich“. „Die Gemeinschaft hier ist schön“, schwärmt auch Manuela Dobrzynski. Neulich sei ihre Freundin nachgezogen. Kripobeamte wohnen hier und Handwerker, Deutsche und türkische Zuwanderer. „Die Leute sind nett“, sagt Dennis Mahn (24), ein Katernberger Junge, der im Haus der Großeltern seiner Freundin wohnt.
Die Leute wissen, dass ihre Straße nicht den allerbesten Ruf genießt. „Auch ich hatte zuerst Magenschmerzen“, gesteht Manuela Dobrzynski. Aber die meisten sehen das Positive. Wie Stephanie Schüßler (32): „In zehn Minuten sind wir am Nordsternpark und im Revierpark Nienhausen.“ Seit fünf Jahren bewohnt die fünffache Mutter zwei Etagen – „800 Euro für 130 Quadratmeter, drei Badezimmer.“ Und die Nahversorgung? „Discounter, Gemüseladen, Imbiss – alles bequem erreichbar.“
Typisch für privatisierte Zechenhäuser: Die Eigentümer krempeln gerne die Ärmel hoch. Baumaterial in den Einfahrten verrät Do-it-yourself-Mentalität – die Ergebnisse natürlich auch: Gedämmte Fassaden – verputzt und gestrichen, schicker Schiefer im Giebel, gepflasterte Hinterhöfe – und im Garten die knatternde Flagge am Mast, oft passend zum Straßennamen.
Über die Brücke an der Fatih-Moschee führt auf dem alten Zechenbahndamm ein idyllischer Radweg, der zur „Zechen-Tour“ gehört: eine der Vorzeigerouten der Grünen Hauptstadt. Manuela Dobrzynski schaut auf die Schalker Straße. Und sieht Lastwagen. Und Autos. „Alte Menschen und Kinder kommen hier nicht rüber, wir brauchen dringend einen Zebrastreifen.“