Essen. . Voller Hoffnung geht Katrin Neuhaus ins neue Jahr. Die 38-Jährige hat ein familiär bedingtes hohes Risiko, an Krebs zu erkranken – und ließ sich operieren.

2016 hat für Katrin Neuhaus eine ganz besondere Bedeutung: Zum ersten Mal seit knapp fünf Jahren kann die 38-Jährige voller Zuversicht und ohne Angst ins neue Jahr starten. Denn die gebürtige Burgaltendorferin hat ihre Brustkrebserkrankung nicht nur überwunden, sondern sich vorsorglich operieren lassen, um alle Möglichkeiten eines erneuten Befalls mit der tückischen Krankheit auszuschließen. Dafür hat sich die Steuerfachangestellte zu einem drastischen Schritt entschieden und sich nicht nur beide Brüste, sondern auch die Eileiter und Eierstöcke entfernen lassen.

Acht Zyklen Chemotherapie

„Meine Mutter verstarb mit 42 an Brustkrebs“, sagt sie, „da war ich gerade 15 Jahre alt.“ Neben dem Schmerz über den großen Verlust sei die Angst, das gleiche Schicksal zu erleiden, immer präsent gewesen „Ich wollte alles tun, um nicht auch so früh zu sterben.“ Bereits als junge Frau lässt sich Katrin Neuhaus regelmäßig gynäkologisch untersuchen, zahlt freiwillig die zusätzlichen Kosten für eine Brustsonographie. Dann, mit 33, wird ihr schlimmster Alptraum wahr: Beim Eincremen ertastet sie einen Tumor in der Brust „und mir war sofort klar, dass ich Krebs habe“.

Was folgt, ist eine heftige Chemotherapie (acht Zyklen im Abstand von drei Wochen) mit allen Nebenwirkungen. Erst danach wollen die Ärzte des Klinikums Essen-Mitte operieren. „Ich war zunächst wie vom Donner gerührt.“ Doch Resignation oder Selbstaufgabe gibt es für Katrin Neuhaus nicht: Sie nimmt den Kampf auf. „Ich war fest entschlossen, weiter zu leben und habe keine negativen Gedanken zugelassen.“

Der „Jolie-Effekt“

Ihre offensive Art, mit dem Krebs umzugehen, ist für die engen Freunde, der sie in dieser harten Zeit begleiten und unterstützen, gewöhnungsbedürftig. Sie spricht alles aus, was sie bewegt, sie weint und hofft, flucht und hadert. Wie zum Trotz und als Zeichen, dass sie sich nicht unterkriegen lässt, verzichtet sie auf eine Perücke, als ihr das Haar durch die Zellgifte der Chemotherapie ausfällt.

Gleichzeitig beschließt sie, einen Gentest machen zu lassen, bei dem das sogenannte Brustkrebsgen BRCA 1 und 2 untersucht wird. Als sie das Ergebnis – eine 76-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung in der gegenseitigen Brust – in den Händen hält, hat sie sich bereits entschieden, beide Brüste präventiv operieren zu lassen. „Fast zeitgleich mit Angelina Jolie wurde bei mir eine subcutane Mastektomie gemacht.“ Wie Katrin Neuhaus hat auch die bekannte Hollywoodschauspielerin ein familiär bedingtes erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Jolie ging anschließend in die Öffentlichkeit und sensibilisierte Frauen für das Thema, „seitdem erkläre ich meine Entscheidung immer mit dem Jolie-Effekt“.

Kraft für den nächsten Schritt

Erst Monate später findet Katrin Neuhaus in ihren Alltag zurück. Der hat sich durch die Krankheit verändert. „Ich achte viel mehr auf mich, lebe gesünder und bewusster und bin dankbar für jeden guten Tag“, benutzt sie ein Klischee, das in ihrem Fall gar nicht abgegriffen wirkt. Und sie sammelt Kraft für den nächsten Eingriff: Die humangenetische Untersuchung hat ebenfalls ergeben, dass ihr Risiko an Eierstockkrebs zu erkranken, mit 44 Prozent deutlich erhöht ist. „Immer noch saß ich förmlich auf einem Pulverfass, das jederzeit explodieren konnte.“ Doch bevor sie sich Eierstöcke und Eileiter entfernen lässt, muss sie die Anti-Hormontherapie abschließen. Die war nötig, weil der Tumor in der Brust hormonbedingt gewachsen war.

Fast vier Jahre dauert der Schwebezustand, erst im Dezember folgt der letzte radikale Schritt. Und der verändert einen Teil ihrer möglichen Lebensplanung unwiderruflich: Eigene Kinder wird sie nicht mehr haben können.

Gewiss ein hoher Preis, aber für Katrin Neuhaus zählt etwas anderes: „Ich lebe – und ich habe eine Zukunft.“