Essen.. Von Tragödien und Triumphen, ungeahnten Herausforderungen und zähen Problemen, von großen Denkmälern und kleinen Tieren. Der Essener Jahresrückblick.

Januar

1. Januar: Das Jahr 2015 beginnt mit einer Familientragödie in Burgaltendorf: Ein Mann (78) erschießt erst seine Ex-Frau (79) und dann sich selbst. Die Polizei findet die Leichen in einem Haus an der Straße „Im Brauke“.

15. Januar: Die Schweiz gibt den Wechselkurs ihrer Währung zum Euro frei. Sofort stürzt der Kurs ab. Für Essen, das Kredite in Höhe von 450 Millionen in Schweizer Franken aufgenommen hat, ist das ein schwerer Schlag – es verliert an einem Tag rund 90 Millionen Euro Eigenkapital. Stadtkämmerer Lars Martin Klieve spricht vom schwärzesten Tag seiner Amtszeit. Vor einem Millionenpublikum des ZDF- „Heute-Journal“ räumt Klieve den Franken-Deal als Fehler ein. Im Oktober beschließt die Essener Politik dann endgültig, aus dem Franken auszusteigen.

29. Januar: Aus Drogeriemärkten wird erneut ein eigentümliches Phänomen gemeldet: Chinesen kaufen die Regale mit Milchpulver für Babys leer. Tatsächlich melden auch Supermärkte eine „extrem hohe Nachfrage“ asiatischer Kunden nach Milchpulver. Diese schicken es per Post in ihre Heimat. Viele Mütter verzweifeln, Gerüchte von der „Chinesen-Mafia“ machen die Runde.

Februar

16. Februar: 70 000 Karnevalisten feiern in Rüttenscheid, 50 000 werden beim Zug durch Kupferdreh gezählt. Das Wetter ist prima, doch besonders in Rüttenscheid sind es deutlich weniger Bürger als in den Vorjahren.

22. Februar: Nach den Anmeldungen an den weiterführenden Schulen für das Schuljahr 2015/16 kündigt die Stadt an, dass die Hauptschule an der Bischoffstraße (Altenessen) geschlossen wird. Gegen Ende des Jahres wird außerdem das Ende der Hauptschule Katernberg verkündet. Damit verbleiben im Stadtgebiet künftig nur noch drei Hauptschulen (Steele, Bochold und Wächtlerschule im Südostviertel).

23. Februar: Die Berichte über Gewalt auf dem Fußballplatz häufen sich. Erste Konsequenz: Schiedsrichter weigern sich, Partien der zweiten Mannschaft des BV Altenessen zu pfeifen. Dessen Kapitän hatte zuletzt einen Unparteiischen niedergeschlagen.

März

6. März: Der Essener Architekt und engagierte Bürger Werner Ruhnau stirbt mit 92 Jahren. Sein Name ist mit dem Bau des Gelsenkirchener Musiktheaters verbunden, und in Essen baute er Ende der Achtziger Jahre den Innenraum des Grillo-Theaters um.

9. März: Das Lichtfest „Parkleuchten“ im Grugapark endet unschön: Diebe haben während der Veranstaltungswochen Leuchten, Scheinwerfer und Objektive geklaut. Der Veranstalter stellt öffentlich infrage, ob ein Wiederkommen überhaupt lohnt. Bürger organisieren übers soziale Netzwerk „Facebook“ eine Solidaritäts-Aktion. Die Folge: „Parkleuchten“ will bleiben. In diesem Jahr kamen knapp 100 000 Gäste.

10. März: Der Ruhrverband beschließt, für schätzungsweise zwei Millionen Euro einen Fischlift am Stauwehr im Baldeneysee zu bauen. Beginn der Arbeiten ist frühestens 2016. Eine EU-Wasserrichtlinie schreibt eine bessere Durchgängigkeit in Gewässersystemen für Fische vor.

20. März: Die Grundstücksverwaltung Essen (GVE), eine städtische Tochter, entlässt ihren Geschäftsführer Andreas Hillebrand fristlos. Herausgekommen war: Beim Bau des neuen Stadions an der Hafenstraße hatte Hillebrand Geld, das eigentlich für die Instandhaltung des Folkwang-Museums vorgesehen war, für die Sportstätte zweckentfremdet. Vor dem Kulturausschuss hatte Hillebrand aber nachweislich mitgeteilt, dass er das Folkwang-Geld treuhänderisch anlegt. Was dann aber nicht geschah. Die Geschäftsführung der GVE übernimmt später Dirk Miklikowski, der bereits Chef bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Allbau ist.

Wenige Wochen später wird außerdem bekannt: Die Baukosten fürs Stadion waren viel höher als angenommen. Mittlerweile ist von 64 Millionen Euro die Rede. Millionenschwere Beraterverträge mit dem Unternehmen Roland Berger sind plötzlich nicht mehr auffindbar. Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt attestiert dem gesamten Bauprojekt einen Mangel „an notwendiger Klarheit“.

April

1. April: Essen hat einen neuen Polizeipräsidenten. Frank Richter übernimmt das Amt von Stephania Fischer-Weinsziehr. Richter, geboren in Essen, wohnt in Mülheim – das ja auch in die Zuständigkeit des Polizeipräsidiums Essen fällt – und ist bekennender RWE-Fan. Er ist nicht über die juristische Laufbahn in sein Amt gekommen, sondern war früher ein ganz normaler Polizeibeamter. Wenige Wochen nach Amtsantritt muss Richter erste Kritik aushalten: Duisburg bekommt vom Land mehr Polizisten, Essen aber nicht.

Auch in der Agentur für Arbeit gibt es einen Personalwechsel an der Spitze: Torsten Withake geht nach Düsseldorf, Klaus Peters kommt.

29. April: Der Grugapark, so wie wir ihn heute kennen, wird 50 Jahre alt. Am 29. April 1965 wurde er mit einer Bundesgartenschau eingeweiht. Damals war er stark vergrößert worden. Viele Leser schicken Briefe und Fotos, die ganz persönliche Familiengeschichten zeigen.

Mai

11. Mai: In den städtischen Kitas, den Ganztagsbetreuungen an den Grundschulen sowie in Behindertenwerkstätten beginnt ein unbefristeter Streik der Erzieher. Sie fordern mehr Geld und eine bessere Anerkennung ihrer Arbeit.

Der Streik dauert am Ende vier Wochen lang; eine Fortsetzung der Arbeitsniederlegung im Herbst kann in letzter Minute abgewendet werden. 2016 will die Stadt die Elternbeiträge zurückerstatten.

25. Mai: 13 300 Gäste feiern friedlich das Pfingst-Open-Air. Erstmals in der Geschichte des Festivals müssen Besucher abgewiesen werden, damit es nicht zu voll wird. Das verschärfte Sicherheitskonzept will es so.

Juni

1. Juni: Die Bürger schütteln den Kopf, doch man kann es nicht ändern: Im Deutschlandhaus in der Innenstadt wird Essens letzter Paternoster abgeschaltet. Eine neue, bundesweite Betriebssicherheitsverordnung schreibt vor, dass nur „eingewiesene Beschäftigte“ einen solchen Umlauf-Aufzug nutzen dürfen. Der Paternoster im Deutschlandhaus läuft seit mehr als 50 Jahren. Ernsthafte Unfälle: null.

11. Juni: Eine Stadt im Sammelfieber – das „Panini“-Album „Essen sammelt Essen“ erfreut sich größter Beliebtheit. Zur ersten offiziellen Tauschbörse kommen mehr als 500 Bürger in die Kantine der Funke-Mediengruppe an der Friedrichstraße.

12. Juni: Am Baldeneysee gründet sich die Interessengemeinschaft „Baden in der Ruhr“. Rund 60 Vertreter von Ämtern, Behörden und Vereinen sind beteiligt. Frühestens im nächsten Jahr könnte es an zehn bis 20 Tagen im Jahr so weit sein – erarbeitet werden muss noch ein System, das entweder grünes Licht gibt oder Verbote ausspricht, je nach tagesaktueller Wasserqualität, die von Niederschlägen abhängig ist.

16. Juni: Der Unternehmer Hubert Schulte-Kemper kauft das Rheinstahlhaus von Thyssen-Krupp. Schulte-Kemper hat bereits das frühere Ruhrgas-Gebäude („Ruhrturm“) zu neuem Leben erweckt. Auch im Rheinstahlhaus, das unter Denkmalschutz gestellt wird, soll es eine Mischung aus Büros, Hotel, Kongresszentrum und Gastronomie geben.

18. Juni: Essen wird „Grüne Hauptstadt“ im Jahr 2017. Im britischen Bristol fällt die Entscheidung. Es ist der zweite Versuch unserer Stadt, das Signet zu erlangen, das vor allem Prestige verspricht. Umweltdezernentin Simone Raskob dämpft sofort allzu hohe Erwartungen: Es werde ein Programm geben, das aber nicht vergleichbar sei mit dem des Kulturhauptstadtjahrs 2010.

19. Juni: Paukenschlag im Folkwang-Museum: Ab sofort ist der Eintritt an allen Öffnungstagen in der Woche frei. Die Krupp-Stiftung finanziert diese Aktion, die fünf Jahre andauern soll, mit rund einer Million Euro.

Juli

3. Juli: Das heißeste Wochenende des Jahres kommt, gemessen werden Temperaturen bis 42 Grad. In Altenessen schmilzt Bitumen zwischen den Gleisen der Stadtbahn U 11 – der Nahverkehr im Norden kommt zum Erliegen.

7. Juli: Weil der WDR in einem Beitrag über die Unregelmäßigkeiten bei der städtischen Müllabfuhr EBE den damaligen EBE-Boss Klaus Kunze mit ihm verwechselt hat, erstreitet FDP-Ratsherr Hans-Peter Schöneweiß vor Gericht 1500 Euro. Das Geld spendet Schöneweiß dem Grugapark.

29. Juli: Die Stadt beschließt, Zeltdörfer für Flüchtlinge zu errichten. Als erste Standorte sind die ehemaligen Sportplätze im Nordviertel (Altenbergstraße) und die Planckstraße in Holsterhausen im Gespräch. Später kommen die Standorte Volkswald (Heidhausen), Pregelstraße, Pläßweidenweg (Steele), Bonifaciusstraße (Schonnebeck), Im Neerfeld und Karnap (Stadion) hinzu.

Unterdessen verschärft sich die Lage in Frintrop, wo seit 2013 Flüchtlinge in der ehemaligen Walter-Pleitgen-Grundschule untergebracht sind. Gerüchte von der Vergewaltigung eines Mädchens durch einen jungen Flüchtling machen die Runde. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen ergeben keinen hinreichenden Tatverdacht.

August

28. August: Eckhard Nagel verlässt nach fünf teils turbulenten Jahren als Ärztlicher Direktor das Uniklinikum. Bei seinem Abschied sind auch seine Freunde Klaus Engel (Evonik) und Frank-Walter Steinmeier zu Gast. Dieser nennt Nagel einen „Mediziner, der in der Gesellschaft gehört wird“. Nagels Nachfolger wird Jochen Werner, der bislang in Gießen und Marburg tätig war.

September

2. September: In Altendorf wird in einem Döner-Imbiss der Profi-Boxer Manuel Charr mit Schüssen lebensgefährlich verletzt. Nur durch eine Not-OP überlebt Charr. Der Vorfall wird als Rückschlag für Altendorf gewertet, das als schwieriger Stadtteil aus den Negativ-Schlagzeilen herauskommen will. Die Tat geschah nicht weit entfernt vom Vorzeigeprojekt Niederfeldsee.

13. September: Thomas Kufen gewinnt überraschend deutlich die Wahl zum Oberbürgermeister mit 42,5 Prozent. Paß erhält nur 33,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei historisch niedrigen 33,9 Prozent. Zwei Wochen später entscheidet die Stichwahl: Neuer Oberbürgermeister der Stadt Essen wird Thomas Kufen. Paß ist vor allem von SPD-Stammwählern massiv abgestraft worden. Bei der endgültigen Entscheidung erhält Thomas Kufen 62,6 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung liegt dann allerdings sogar unter 30 Prozent.

Oktober

1. Oktober: Die Stadt kann kein Alkoholverbot am Willy-Brandt-Platz durchsetzen, dafür soll ein Ersatz-Standort her: An der Hollestraße, gegenüber vom Eingang der Stadtbibliothek, entsteht ein Pissoir aus Stahl. Hier soll die Trinkerszene hinziehen, künftig begleitet von Sozialarbeitern. Der Umzug kommt allerdings bis zum Jahresende nicht in die Gänge. Der Einzelhandel und die Immobilienbesitzer äußern ihre Kritik immer deutlicher.

2. Oktober: Obwohl es immer vermieden werden sollte, geschieht es doch: Turnhallen werden für Flüchtlinge zweckentfremdet. Menschen ziehen für einige Wochen in die Sporthalle am Goethe-Gymnasium in Bredeney, an die Klapperstraße (Realschule Überruhr) sowie in die Turnhalle in Kupferdreh. Bis auf Kupferdreh werden die Domizile jedoch noch vor Jahresende wieder freigezogen. Mit der vermehrten Verwaltungsarbeit, ausgelöst durch die Flüchtlinge, begründet die Stadt auch die zeitweise Schließung von sechs Bürgerämtern.

8. Oktober: Dramatischer Mord in Altendorf. Zwei Jugendliche (15 und 16) prügeln einen 43-Jährigen zu Tode. Frank M. ist ein Zufallsopfer. Der Pferdepfleger war auf dem Weg zur Arbeit. Einer der Täter ist als so genannter „Intensivtäter“ längst polizeibekannt. Später stellt sich heraus: Der 16-Jährige hätte eigentlich im Arrest sitzen müssen, verstieß gegen Bewährungsauflagen.

13. Oktober: Das leer stehende Signal-Iduna-Hochhaus am Limbecker Platz kommt unter den Hammer. Für 8,2 Millionen Euro greift ein spanischer Investor zu. Das Haus, mehrfach umgebaut, gilt als städtebaulicher Sanierungsfall.

26. Oktober: Die Gänseplage, im Grugapark ein Monate altes Phänomen, dem nicht beizukommen ist, weitet sich bis zum Baldeneysee aus. Auch dort verschmutzen die eingewanderten Tiere Wege und Wiesen. Darf man sie einfach abschießen? Unter Bürgern und Tierschützern entflammt eine heiße Debatte, Gruga-Mitarbeiter werden teils übel beleidigt. Am Ende verzichtet die Parkleitung auf den Abschuss. Angeblich räumen die Kanadagänse dann auch so das Feld.

November

10. November: Die Karstadt-Zentrale in Bredeney wird unter Denkmalschutz gestellt. Der 1969 errichtete Komplex sei besonders schützenswert, heißt es in einem Gutachten der Obereren Denkmalbehörde.Die alte Zentrale steht zum Verkauf. Mit der Unterschutzstellung werden Pläne vorerst zunichte gemacht, in Bredeney neue Wohnbauten in begehrter, weil knapper Lage zu errichten.

27. November: Der frühere SPD-Fraktionschef Willi Nowack, in den 1990er Jahren mächtigster Mann der Stadt, veröffentlicht seine Memoiren: „Nachgetreten“ ist eine Abrechnung mit alten Genossen, mit Journalisten, der Justiz. Wer’s liest, stellt fest: Nowack, der ins Gefängnis wanderte und Privatinsolvenz anmelden musste, fühlt sich meistens irgendwie immer noch im Recht.

Dezember

7. Dezember: Nach den Behelfseinrichtungen und Zeltdörfern will die Stadt ein neues Kapitel aufschlagen in der Unterbringung von Flüchtlingen: Für 102 Millionen Euro sollen 15 Großsiedlungen entstehen – einfache, aber feste Bauten. Oft liegen sie in städtischen Randlagen, die eigentlich unter Landschaftschutz stehen. Das bringt Bürger an vielen geplanten Standorten auf die Palme. Jetzt verstehen alle, was Thomas Kufen kurz nach Amtsantritt meinte, als er sagte: „Essen wird sich verändern.“ Landwirte fahren aus Protest mit ihren Traktoren vors Rathaus. Kufen begründet den Plan auch mit Kosten: Die Zeltdörfer seien auf Dauer zu teuer.

9. Dezember: So viel Einbrüche wie noch nie, meldet die Essener Polizei. Zu Beginn der dunklen Jahreszeit im November wurden der Polizei schon so viele Einbrüche angezeigt wie im kompletten Vorjahr.

12. Dezember: Die Diskussion um die neuen Flüchtlingssiedlungen an den Stadträndern wird zur ersten großen Belastungsprobe für den neuen OB Thomas Kufen. Anlässlich eines Besuches in einem Zeltdorf appelliert er an die Bürger, Verständnis für das Handeln der Stadt aufzubringen.

13. Dezember: Für manchen klingt es überraschend: Aber nach Ansicht der städtischen Förster hat der Essener Wald den Sturm Ela recht gut überstanden. Die vielen gefallenen Bäume hätten die „natürliche Verjüngung“ mehr oder weniger nur vorweggenommen.