Essen. . In Essen sollen mit Verweis auf die Flüchtlingskrise Flächen bebaut werden, die bisher unter Landschaftsschutz standen. Ein Gastkommentar von Peter Volkmer.

Rat und Verwaltung wollen in vielen Stadtteilen Flächen zur Bebauung freigeben, die bisher aus guten Gründen unter Landschaftsschutz standen. Darunter befinden sich reizvolle Kleinode wie das Hexbachtal in Bedingrade und die Fischlaker Mark. Ein noch nicht lange zurückliegender Versuch, diese und andere schützenswerte Landschaften zu bebauen, scheiterte am Widerstand der Bürgerinnen und Bürger. Mit dem Hinweis auf die Flüchtlingskrise soll nun eine solche Bebauung eilig durchgesetzt werden. Wir werden uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen dieses Vorgehen wehren.

Peter Volkmer ist der ehemalige Leiter des Grünflächenamtes in Essen.
Peter Volkmer ist der ehemalige Leiter des Grünflächenamtes in Essen. © Funke Foto Services

Wir verkennen nicht die Notwendigkeit, ja die Verpflichtung, die Flüchtlinge angemessen unterzubringen, Vor der Inanspruchnahme von Freiraum muss aber immer erst geprüft werden, ob freie Kapazitäten im versiegelten Raum – also Indus-triebrachen, so genannte Schrottimmobilien, leerstehende Häuser und Baulücken – für eine Unterbringung aktiviert werden können. Dass dabei bisherige Bauvorschriften vereinfacht werden müssen, halten auch wir für selbstverständlich.

Die für eine Bebauung mit Flüchtlingsunterkünften vorgesehene Fläche in Fischlaken liegt im Landschaftsschutzgebiet und ist auch als landwirtschaftliche Fläche erhaltenswert. Eine Entlassung aus dem Landschaftsschutz ist nur durch die Bezirksregierung Düsseldorf und des Landtages NRW möglich. Wir, die Bürgerinnen und Bürger vertrauen auf den Schutz unserer Gesetze vor Willkür. Haben wir doch deshalb mit sehr hohem Einsatz in dieser bevorzugten Wohnlage Eigentum geschaffen. Es kann nicht sein, dass diese Gesetze für ein vorübergehendes Problem (Flüchtlingskrise) außer Kraft gesetzt werden.

Die Werdener haben bisher alle Flüchtlingseinrichtungen – ob auf dem Gelände des ehemaligen Kutel, am Volkswald und in Heidhausen – ohne Proteste akzeptiert und sich mit der Aktion „Werden hilft“ engagiert für die Flüchtlinge eingesetzt. Die beabsichtigte Wohnbebauung in Fischlaken, ob für Flüchtlinge oder später dauerhaft für Neubürger, werden wir nicht hinnehmen. Einmal bebaut, sind die Landschaftsschutzgebiete für immer verloren.

Mehrere Grünflächenamtsleiter der Stadt Essen, darunter auch ich, haben seit Mitte der 1970er Jahre wesentlich dazu beigetragen, dass der Strukturwandel in der Industriestadt Essen gelingen konnte. Begrünung des Essener Nordens, Waldentwicklungsprogramm, Renaturierung von Bächen, Ausbau eines Radwege- und Wanderwege-Netzes sind die Stichworte. Dabei hatten die vorhandenen Grün- und Freiflächen, insbesondere die Erhaltung der Landschaftsschutzgebiete, eine herausragende Bedeutung.

All das war auch Grundlage für die Wahl der Stadt Essen zur „Grünen Hauptstadt 2017“. Das alles soll nun aufgegeben werden? Dann aber auch mit der Konsequenz, dass der Titel zurückgegeben werden muss.

Peter Volkmer (75) stand 42 Jahre im Dienst der Stadt Essen, zuletzt bis Ende 2000 als Leiter des Grünflächenamtes

Peter Volkmer