Essen.. Der Rat der Stadt legt sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen im Detail nicht fest. Bebauung von Freiflächen bleibt eine Option. Ratsgruppe BAL droht für diesen Fall mit Bürgerbegehren.
Begleitet von Protesten von Landwirten vor dem Rathaus hat der Rat der Stadt in seiner Sitzung am Mittwoch mit breiter Mehrheit eine Grundsatzentscheidung zur Unterbringung von Flüchtlingen getroffen. Menschen, die in Essen Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, sollen sofern möglich in Wohnungen untergebracht werden. Die Verwaltung wurde zudem aufgefordert weitere Flächen zu prüfen, auf denen feste Unterkünfte entstehen könnten. Die umstrittene Bebauung von bis zu 15 Freiflächen, die größten Teils unter Landschaftsschutz stehen, bleibt eine Option.
Oberbürgermeister Thomas Kufen widersprach dem Vorwurf, die Stadt wolle so lediglich durch die Hintertür neue Bebaugebiete für den Wohnungsbau erschließen. Wer das glaube, verkenne den Ernst der Lage. Ziel müsse es sein, die Flüchtlinge aus den Zeltdörfern herauszubekommen.
Aus Sicht der Stadt ist dies eine humanitäre Verpflichtung wie auch eine ökonomische Notwendigkeit. Summieren sich die Kosten für die provisorische Unterbringung schnell auf rund 100 Millionen Euro pro Jahr.
Wie sehr die Zeit drängt, machte der Leiter des Krisenstabes, Ordnungsdezernent Christian Kromberg, im Gespräch am Rand der Ratssitzung deutlich: Bereits Ende März kommenden Jahres seien die dann zehn Zeltdörfer belegt.
Dass es in der Debatte nur in Ansätzen zum verbalen Schlagabtausch kam, hat einen simplen Grund: Der Rat vermied jede Festlegung. Im Januar, spätestens im Februar dürfte es zum Schwur kommen, wenn die Politik sagt, wo gebaut werden soll. Zwar prüfe die Stadt, ob städtische Immobilien als Unterkünfte genutzt werden könnten. Das Ergebnis nannte Kufen allerdings enttäuschend, die Umbaukosten bezifferte er auf bis zu 30 Millionen Euro. Auch die Unterbringung in leerstehende Wohnungen ist nicht frei von Konflikten. Ratsherr Karl-Heinz Endruschat (SPD) mahnte an, das soziale Gefüge nicht aus dem Blick zu verlieren, gerade in Quartieren mit hohem Migrantenanteil: „Wieviel kann ein Stadtteil noch aushalten?“
„Am Ende werden wir Flächen und Grundstücke brauchen“, betonte der OB. Sollte die Stadt nicht umhin kommen, auf Landschaftsschutzgebiete zurückzugreifen, ist Ärger programmiert. Ratsfrau Elisabeth van Heesch-Orgas kündigte für diesen Fall für die Ratsgruppe „Bürgerliche Alternative Liste“ an, Bürgerbegehren gegen eine Bebauung auf den Weg zu bringen. Für das Essener Bürgerbündnis (EBB) warnte Fraktionssprecher Udo Bayer davor, Flüchtlinge und Landschaftsschutz gegeneinander auszuspielen.
Das eigentliche Problem für die Politik nannte Ratsherr Dirk Kalweit (CDU) beim Namen: „Wie hoch ist die Zahl derer, die noch kommen?“ Mit anderen Worten: Was der Rat morgen beschließt, könnte übermorgen überholt sein.