Essen.. Die „Andrew Singers“ treten sonst in ihremSeniorenstift in Essen-Rüttenscheid auf – kürzlich hatten sie in der Jahrhunderthalle fast 3000 Zuschauer.


Der Singkreis aus dem Seniorenstift St. Andreas in Rüttenscheid ist unlängst über sich hinausgewachsen: In der Jahrhunderthalle in Bochum traten die teils recht betagten Sänger vor fast 3000 Zuschauern auf und räumten mit dem ebenfalls betagten Schlager „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen“ den ersten Platz ab.

Die Konkurrenz stammte aus anderen Senioreneinrichtungen der Contilia GmbH, die ihre Bewohner seit einigen Jahren regelmäßig ins Scheinwerferlicht rückt. Es begann mit dem hinreißenden Kalender, auf dem Senioren Filmszenen nachstellten und fand 2014 seine Fortsetzung mit einer Tanz-Show im GOP Variété. „Da erlebten wir, wie populäre Melodien die alten Menschen berührten – so war die Idee für das Chorprojekt geboren“, erzählt Contilia-Sprecherin Dorothee Renzel.

Angeknüpft habe man bei Singstunden und Chören, die in den Seniorenstiften schon bestehen. Und St. Andreas gewann mit Helmut Imig einen Chorleiter, der sich mit der Begleitung von Stummfilmen einen Namen gemacht hat – und ein ansteckendes Naturell hat. So schildern es Brunhilde Mau (88) und Erich Wälken (83), die beide seit vergangenem Jahr in dem Rüttenscheider Stift leben – und deren letzte Gesangserfahrungen schon Jahrzehnte zurücklagen. „Ich hab’ früher mit den Kindern im Auto gesungen“, sagt Wälken. Brunhilde Mau sang bei Feiern mit ihrem Verein – oder beim Bügeln. „Meine Tochter und ihre Freundin saßen dabei und sangen mit.“ Und immer wenn sie „Das schönste Blümlein auf der Alm, das ist das Edelweiß“ anstimmte, habe die Freundin geweint, so ergriffen war sie. „Beim nächsten Besuch fragte sie aber stets: ,Tante Mau, singst Du wieder das schöne Lied?’“

Das Lied für den Auftritt in der Jahrhunderthalle wurde den Chören zugelost, aus jedem Jahrzehnt eins; St. Andreas erhielt eben „Am Sonntag will mein Süßer. . .“ Ihr habe der olle Hit von 1929 anfangs gar nicht gefallen, sagt Brunhilde Mau. „Aber je mehr wir uns bemühten, nach Herrn Imigs Willen zu singen, desto lieber wurde mir das Lied.“

Anfangs habe der aus 25 Bewohnern, Mitarbeitern und Ehrenamtlichen bestehende Chor noch eher geleiert, da habe der Chorleiter sie aufgefordert, das Lied zu singen, als sei es das erste Mal. Brunhilde Mau schwärmt: „Herr Imig hat Temperament. . .“ „. . .der sprang plötzlich in die Luft“, ergänzt Erich Wälken. „Herr Imig war spitze“, seufzt Mau.

Sie seien auch spitze gewesen, sagt Wälken, sonst hätten sie sich in der Jahrhunderthalle ja nicht gegen elf Chöre durchgesetzt: zehn aus anderen Seniorenstiften, einer – außer Konkurrenz – mit Mitarbeitern der Contilia-Verwaltung besetzt. Im Publikum saßen neben der Belegschaft viele Angehörige, auf die sich die Sangesfreude der „Andrew Singers“, wie sie sich nennen, übertrug. Maus Schwiegertochter wusste gleich: „Ihr habt gewonnen.“

Gewonnen haben am Ende alle: Von jedem Chor wurde passend zum Song ein Foto für den „Jahrhundertstimmen-Kalender 2016“ gemacht. Ans Fotoshooting im Boot haben Mau und Wälken unterschiedliche Erinnerungen: Sie sagt, das tolle Make-up hätte sie am liebste nie abgelegt, er schimpft lachend über den unbequemen Kahn: „Ich hab’ heute noch Rillen im Po.“

Es wird nicht die einzige Erinnerung bleiben: Am Mittwoch treten sie bei „Volle Kanne“ im ZDF auf und singen „Schneeflöckchen“ – live! Und wenn der Rummel abebbe, mache der Chor weiter, verspricht Veronika de Buhr vom St. Andreas-Team: „Wir haben so viel gelacht!“