Essen. Regisseur Robert Gerloff und Musiker Hajo Wiesemann beleuchten ,My Fair Lady’ neu. Für sie ist der Musicalklassiker die Geschichte einer Emanzipation

Der Soundtrack zum Musical soll das erfolgreichste Album in der deutschen Chartgeschichte sein. Hits wie „Es grünt so grün“ bleiben unvergessen. Dazu die Bilder von Audrey Hepburn und Rex Harrison. Dass die Verfilmung von „My Fair Lady“ aus dem Jahr 1964 vor Chauvinismus nur so strotzt, findet Robert Gerloff 51 Jahre später „unerträglich“. Der junge Regisseur, der sich am Schauspiel Essen mit „Die lächerliche Finsternis“ vorstellte, hat ein Stück Musicalgeschichte im Grillo-Theater neu interpretiert.

Für einen, der gern assoziativ und intermedial arbeitet, der Vorlagen bricht, ohne sie zu verraten, ist der Klassiker ideal. Und zudem sein Debüt in diesem Genre. „Ich habe mich bewusst dafür entschieden, zumal meine Inszenierungen alle eine Anbindung zum Musiktheater haben. Die Kraft der Musik kann etwas erzählen, was Sprache nicht kann“, so der gebürtige Duisburger. Entsprechend eng arbeitet er mit dem musikalischen Leiter Hajo Wiesemann zusammen.

Der erfahrene Theatermusiker bringt nach „Cabaret“ sein zweites Musical auf die Bühne. „Es ist eine Herausforderung, weil es umarrangiert werden musste“, betont er. Statt der ursprünglich breiten Orchestrierung stehen fünf Musiker an seiner Seite. Aber die können viel. Allein der Bratschist beherrscht noch akustische Gitarre, Kontrabass und Jazzklavier. Die gewünschte Spannbreite vom klassischen Streichquartett bis zur irischen Volksmusik können sie also mühelos stemmen und zum Teil einen „fetten Klang“ erzeugen.

Die Hits des Musicals

Für Hits aus „My Fair Lady“ wie „Mit ’nem kleenen Stückchen Glück“ , „Wart’s nur ab“, „Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht“ oder „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“ bietet Regisseur Robert Gerloff elf Schauspieler auf, die teils auch den Chor übernehmen.

Zu sehen sind unter anderen Anne Schirmacher als Eliza Doolittle, Jan Pröhl als Henry Higgins, Sven Seeburg als Oberst Pickering und Thomas Büchel als Alfred P. Doolittle.

Die Premiere am 5. Dezember im Grillo-Theater ist ausverkauft. Weitere Termine und Karten unter: 8122 200 oder www.schauspiel-essen.de

In diesem Fall treiben sie auch mit einer Fülle von Ohrwürmern die Geschichte des berlinernden Blumenmädchens Eliza Doolittle voran. 1956 nahm der Welterfolg von Komponist Frederick Loewe und Librettist Alan Jay Lerner am Broadway seinen Lauf. Robert Gerloff hält sich mehr an die Vorlage, George Bernard Shaws „Pygmalion“. Er greift in seiner Inszenierung vor allem bei der Charakterzeichnung gern darauf zurück, „um den Abend theatraler zu gestalten“: Da sind die starke Eliza, die sich und ihren Vater durchbringen muss, und der ehrgeizige Phonetik-Professor Henry Higgins, der wettet, aus ihr eine gewählt sprechende Dame mit einem besseren Leben machen zu können. „Sie ergreift die Chance zum Aufstieg. Als sie erkennt, dass er gar nicht an ihr interessiert ist, emanzipiert sie sich, verlässt ihn und macht sich selbstständig“, erzählt der 33-Jährige. Higgins bekommt die Einsamkeit zu spüren.

So war das in dem charmant-witzigen Singspiel nicht vorgesehen. Ebenso wenig wie die doppelbödigen Nebenfiguren: Papa Doolittle entpuppt sich als schwerer Alkoholiker, Oberst Pickering als Hochstapler, und die ständig herabgewürdigte Hausdame Mrs. Pearce zeigt Abgründe. „Wir nehmen die Probleme der Figuren ernst und geben ihnen eine Tiefe.“

Angelehnt an die Aufführungsgeschichte von „My Fair Lady“ werden im Bühnenbild von Maximilian Lindner und in den Kostümen Johanna Hlawica die 1960er Jahre in London zwischen Arm und Reich beschworen. Dass neben Gesang und Tanz mit den Videos von Heta Multanen eine Metaebene einzieht, versteht sich bei einem Regisseur wie Robert Gerloff von selbst. Dennoch soll die Leichtigkeit nicht außen vor bleiben: „Man kriegt sein Musical“, meint er. „Es wird nur weitergedacht und ein Raum aufgemacht für viele schöne Entdeckungen.“