Das Postbank-Hochhaus ist 40 Jahre alt geworden, ohne dass es irgendjemand bemerkt hat. Viele Bürger finden es hässlich. Dabei hat das Haus ein berühmtes Vorbild in Amerika. Versuch einer Würdigung

Schon seltsam: Das Postbank-Hochhaus am Hauptbahnhof kann man sich auch gut am Alexanderplatz in Ost-Berlin vorstellen. Oder in Bukarest oder in Minsk oder noch weiter östlich - jedenfalls irgendwo dort, wo der Sozialismus gesichtslose Klötze in den Städten hinterlassen hat.

In Wirklichkeit ist aber das Gegenteil der Fall: Das Postbank-Hochhaus steht in bester Tradition amerikanischer Wolkenkratzer-Architektur. Und: Das Postbank-Hochhaus hat ein Vorbild. Das steht in New York, mitten in Manhattan.

Das Postbank-Hochhaus ist im Juni 40 Jahre alt geworden. Bemerkt hat das so gut wie niemand. Es hat offenbar nur wenige Freunde. Als viele Mitarbeiter der Postbank-Belegschaft im Oktober 2001 von Essen nach Dortmund umziehen mussten, standen weite Teile des Hochhauses zwischenzeitlich leer. Prompt wurden Rufe nach einem Abriss laut. Heute, versichert Postbank-Sprecher Ralf Palm, sei die Immobilie wieder "voll vermietet".

Im Juni 1968 wurde das Haus feierlich eröffnet. Es werde der Silhouette der Stadt "eine besondere Note geben", prophezeite Werner Dollinger, damals "Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen", in einem Geleitwort der Festschrift, die zur Einweihung verteilt wurde. Und Erich Müller-Mees, der "Präsident der Oberpostdirektion Düsseldorf", schrieb: "Ich bin davon überzeugt, dass der Neubau - ein städtebaulicher Akzent für die Stadt Essen - den Ansprüchen des Postscheckdienstes für die Zukunft gerecht werden wird."

Die Ansprüche des Postscheckdienstes waren vor allem auf Expansion ausgerichtet. Denn bargeldloses Zahlen ist nicht erst seit der EC-Karte im Trend, sondern breitete sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt aus.

1920 erhielt Essen sein erstes Postscheckamt, damals am Flachsmarkt. Es wurden 7864 Konten gezählt. Im Jahr 1930 waren es schon mehr als 31 000. Immer wieder zog das Amt um, aus Platzgründen.

Deshalb beschloss 1956 eine gewichtige Runde aus diversen Post- und Oberpost- und Ministerialräten einen Neubau. Oberpost- und Liegenschaftsdirektoren der Stadt waren auch dabei - klangvolle Titel, damals.

Als geeignet empfunden wurde ein Krupp-Grundstück südlich des Hauptbahnhofs. Baubeginn war im September 1963. Das Richtfest wurde am 15. Oktober 1965 gefeiert - mit launigen Reimen: "Es ist ein stolzer, neuer Bau, der fortan nun das Stadtbild ziert / den Blick gar schier zum Himmel führt. Ein Kontrapunkt für die Stadt Essen / wie solcher noch nie dagewesen", hieß es, ehe die Sektkorken knallten.

Das stimmte aber nur halb: Zwar war der 18-geschossige Neubau mit seiner Höhe von 91,59 Metern das bis dahin höchste Hochhaus in Essen. Erst das Rathaus, 1979 eingeweiht, lief ihm später den Rang ab - es ist 106 Meter hoch.

Doch das Postbank-Hochhaus war nicht das erste Wolkenkratzer seiner Art: Nach amerikanischem Vorbild war das Büro-Ensemble an der Kruppstraße schon Anfang der Sechziger Jahre entstanden - mit dem Rheinstahl-Haus (heute Thyssen-Krupp), Baustart 1959, dem ehemaligen AEG-Haus und der RWE-Zentrale, gegenüber gelegen. "Damit legte Essen als erste Stadt Deutschlands den Grundstein für die Entstehung einer Skyline - Frankfurt folgte 1962", heißt es in einem Vortrag der Denkmalpflegerin Tanja Seeböck, der 2006 anlässlich eines Symposiums gehalten wurde.

Sie erinnert auch daran, dass das Postbank-Hochhaus direkt dem "Lever-Building" in New York (Baubeginn 1952) nachempfunden ist - ein Flachbau, aus dem ein aufrechter Körper emporragt. Auch die Fassade aus Glas und Leichtmetall sei eine Anleihe an die Architektur der Fünfziger Jahre. "Das Haus ist nicht hässlich, sondern dokumentiert den Geschmack der Zeit", sagt Thomas Franke, der Leiter des Planungsamts.

Na dann: Herzlichen Glückwunsch nachträglich!ESSEN NEW YORK Das Vorbild des früheren Postscheckamtes, das "Lever-Building" in New York, war stilprägend für eine ganze Reihe von Hochhäusern: Aus einen Flachbau ragt das Hochhaus empor. "Diese Kombination wurde dem hohen Platzbedarf des Essener Unternehmens gerecht", erklärte Denkmal-Expertin Tanja Seeböck in einem Vortrag 2006. Das Haus steht aber nicht unter Denkmalschutz.