Essen. Ein neuer Film über das „Playboy“-Leben von Arndt von Bohlen und Halbach, „Herr von Bohlen“, verbindet Fiktion und Dokumentarisches. Und arbeitet sich an Berthold Beitz ab.

Die Krupp-Saga und die komplizierten Charaktere der Eigentümerfamilie in einem Spielfilm zu verdichten – das ist keine leichte Übung. Der 2009 produzierte Versuch aus der Berben-Filmfabrik – „Krupp – eine deutsche Familie“ bleibt da in zwiespältiger Erinnerung. Im Stil eines Dokudramas setzte der Regisseur André Schäfer nun das Leben von Arndt von Bohlen und Halbach in Szene, des umgangssprachlich „letzten Krupp“, der genau dies nicht war, nicht sein sollte und nicht sein konnte.

Geboren 1938 als einziges Kind des späteren Alleininhabers Alfried Krupp, war Arndt zwar auserkoren, die 1811 gegründete Weltfirma als Sechster in der Dynastie zu leiten. Doch irgendwann in den 1960er Jahren war dem Vater klar geworden, dass der Sohn dafür zu wenig mitbringt. Da zwischen beiden Sprachlosigkeit herrschte, oblag es Alfrieds Generalbevollmächtigtem Berthold Beitz, Arndt vom Erbverzicht zu überzeugen.

Es gelang, und Arndt startete dank einer Jahres-Apanage von zwei Millionen Mark jenes Leben, das ihm besser zu liegen schien: Neben Gunter Sachs, wurde er der Prototyp des „Playboys“, mit dem Unterschied, dass er Männer begehrte. Arndts Homosexualität wurde zeittypisch schamhaft verschwiegen, gehörte aber in die Kategorie: Geheimnisse, die jeder kennt. Auch weil es schwer zu übersehen war.

Arndts Zerrissenheit in minimalen Regungen ausgedrückt

Arnd Klawitter verkörpert „Herr von Bohlen“, so der Filmtitel, in den Spielszenen, die virtuos mit Dokumentar-Material vermischt werden. Ob Arndt die witzige, lakonische Art seines Interpreten ebenfalls besaß, sei dahingestellt. Hier nimmt sich der Film wohl viele Freiheiten. Aber Klawitter versteht es, Arndts Zerrissenheit in minimalen Regungen auszudrücken, was schauspielerisch eindrucksvoll ist.

Es sind überhaupt satte und dichte Bilder zu sehen, die teils an Originalorten gedreht wurden, Bilder, die das Lebensgefühl der Geld- und Adels-Schickeria um 1970 einfangen: die Villa in Marrakesch in Marokko, das Schloss Blühnbach bei Salzburg, die Jacht, die Restaurants und Schwulenbars in München, Arndts Wohnsitz und damals die einzige deutsche Stadt, die so etwas wie Glamour hatte.

Auf Villa Hügel übrigens gab es auch für dieses Projekt keine Dreherlaubnis. Man möchte der Krupp-Stiftung raten, sich bei der Abwehr fiktionaler Krupp-Stoffe doch ein wenig zu lockern. Der Film spielt mit diesem Umstand und drückt sich am Zaun herum. Tatsächlich wollten ja alle, die bei Krupp etwas zu sagen hatten, den missratenen Erben aus dem Unternehmen und dem Innersten der Krupp-Geschichte, für die der Hügel steht, heraushalten. Insofern passt es sogar wieder.

„Arbeiten - das hat mir gerade noch gefehlt“

Arndt von Bohlen starb 1986, gerade 48-jährig, auch an den Folgen der Manie, sein Gesicht mit zahllosen Schönheitsoperationen zu traktieren. Spätestens seit seinem Tod tobt auch ein Deutungskampf, den Regisseur André Schäfer arg einseitig befeuert. Mit Arndts Vermögens- und späterem Nachlassverwalter Holger Lippert und dem legendären Münchener Klatschreporter Michael Graeter kommen zwar interessante Zeitzeugen zu Wort, die es aber naturgemäß etwas zu gut mit Arndt und zu böse mit Berthold Beitz meinen.

„Der alte Fuchs hat ihn über den Tisch gezogen“, befindet Graeter. Nun hatte Beitz gewiss auch eigene Interessen, und der Erbverzicht passte da ganz gut. Doch hätte man die Firma wirklich guten Gewissens an Arndt übergeben können? Der junge Bohlen wusste es ja selbst: „Ich habe diese Rolle aus heutiger Sicht gar nicht haben wollen“, lässt der Regisseur den Film-Arndt sagen. Oder: „Arbeiten – das hat mir gerade noch gefehlt.“ Und Beitz wusste genau das eben auch: „Arndt war ein kluger Junge, aber er hatte keine Lust zu arbeiten“, sagte er einmal. Ob Arndt unter günstigeren Umständen eher „ein Krupp“ geworden wäre, muss offen bleiben. Dass er so ganz anders war – dafür konnte Beitz nun nichts.

Wenn Lippert wortreich beteuert, das Geld habe nie gereicht, ja Arndt sei faktisch bei Krupp „ein Bittsteller“ gewesen, dann ist das schon starker Tobak. Zwei Millionen Mark pro Jahr – das mag bei der Anzahl kostspieliger Hofschranzen, Autos und Immobilien auch um 1970 relativ knapp gewesen sein. Aber das Unternehmen durchlitt zur selben Zeit Krisen, die an die Existenz gingen. Krupp hätte schon die Erbschaftssteuer nicht aufbringen können, wie Alfrieds grundsolider Bruder Berthold von Bohlen im Film erklärt. Was Arndts Verhältnis zum Geld betrifft, da lassen wir ihn am besten selbst zu Wort kommen: „Ich verstehe Leute nicht, die sich zum Sklaven des Geldes machen, so wichtig ist es dann ja auch nicht.“ So einen Satz muss man sich leisten können.

Fazit: Trotz mancher Schwächen ein starker Krupp-Film – abseits der reinen Dokumentationen vielleicht überhaupt der erste gute.

„Herr von Bohlen“ startet am 19. November in den Kinos. Premiere ist am Sonntag, 15. November, 15 Uhr im „Astra“, Teichstraße 2, Eintritt: 9 Euro. Regisseur und Team stehen fürs Filmgespräch zur Verfügung.