An Essens Schulen wird es zusehends enger: Allein zwischen Juli und September sind 701 Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund im schulpflichtigen Alter neu nach Essen gezogen. Nicht alle, aber die allermeisten von ihnen sind Flüchtlinge ohne oder mit nur mangelhaften Deutschkenntnissen. Auch für sie gilt die allgemeine Schulpflicht. Sie in jedem Einzelfall zu erfüllen, ist ein Kraftakt mit Folgen.

Längst hat sich die Stadt einer neuen Realität gebeugt und sich von ihrem selbst gesteckten Ziel verabschiedet, jedem Kind innerhalb von 20 Tagen einen Platz in einer Klasse zu verschaffen. Unter einem Monat geht gar nichts mehr. Um die Wartezeiten nicht weiter ausufern zu lassen, wollen die Verantwortlichen bald die Flucht nach vorne antreten.

Vier bereits stillgelegte Schulstandorte sollen wiederbelebt werden, um die dringend benötigten zusätzlichen Kapazitäten für eine rasant weiter steigende Zahl so genannter Seiteneinsteiger ohne nennenswerte Deutschkenntnisse zu schaffen. 1900 dieser Schülerinnen und Schüler werden schon jetzt in Essen unterrichtet. Damit alle künftigen Klassenkameraden ihre Schulen ebenfalls erreichen, denkt die Stadt über einen zentral organisierten Transport nach.

Noch im November soll der Rat entscheiden, ob der ehemalige Zweig der Marienschule in Steele, die geschlossene Dependance der Hauptschule Bochold an der Adelkampstraße, der Teilstandort der Möllhovenschule in Altendorf und die Filiale der Nikolausschule in Stoppenberg wieder genutzt werden, wie es die Stadt vorschlagen wird.

Bis dahin sollten auch die Details des städtischen Plans vorliegen. Bislang wurde jedenfalls nicht bekannt, wie viele Plätze in der jeweiligen Einrichtung zur Verfügung stehen werden, was womöglich notwendige Bauarbeiten kosten oder wie viel Personal für das Vorhaben eingesetzt werden muss.

Klar aber ist schon jetzt: „So schnell wie möglich muss auf die Gebäude zurückgegriffen werden“, heißt es bei der Stadt: „Die weiter wachsende Zahl der Flüchtlinge übersteigt die Aufnahmekapazität der bestehenden städtischen Schulstandorte.“

Ob es mit vier zusätzlichen Schulen getan sein wird, ist fraglich. Schon jetzt gehen die Experten der Verwaltung davon aus, dass „sich diese Ausnahmesituation auf einen längeren Zeitraum als von einem oder zwei Schuljahren abbilden wird“. Selbst wenn die Zahl neuer Flüchtlinge merklich zurückgehen sollte: Die Pflicht zur Beschulung der weiterhin in Essen lebenden Kinder und Jugendlichen aus den Krisenregionen der Welt bleibt.

Ein paar wenige Zahlen verdeutlichen die Rasanz der Entwicklung: Allein im dritten Quartal dieses Jahres kamen 245 schulpflichtige Kinder und Jugendliche mehr nach Essen als in den drei Monaten zuvor. Im Oktober nahm der Zuzug noch an Fahrt auf: In den ersten 14 Tagen des vergangenen Monats zählte die Stadt 176 junge Neuankömmlinge. Da stehen wohl noch einige Hausaufgaben an, die gemacht werden wollen.