Essen. Gerade in der Weihnachtszeit ist die Verlockung groß, sich für Geschenke Geld zu leihen. Die Verbraucherzentrale mahnt zur Vorsicht.
Die Versuchungen lauern schon bald wieder vor der Tür von Schuldnerberater Volker Naujok von der Verbraucherzentrale. In der Weihnachtszeit, wenn draußen die Buden mit Glühwein und Leckereien locken und die Händler mit vollen Schaufenstern und Finanzierungsangeboten ködern, dann ist es meist recht ruhig in der Schuldnerberatung in der Hollestraße. „Aber im Januar geht es wieder los“, sagt Naujok. Dann stehen viele Menschen bei ihm in der Tür, die Kredite abgeschlossen haben, um sich den einen oder anderen Wunsch zu erfüllen und dafür einen Kredit abgeschlossen haben, den sie nun nicht mehr bedienen können.
Deshalb hat die Verbraucherzentrale passend zum heutigen Weltspartag und vor dem offiziellen Beginn des Weihnachtsgeschäftes die Aktion „Vorsicht, das ist ein Kredit“ gestartet. Damit will sie die Menschen möglichst vorher aufklären, bevor sie in die Kreditfalle tappen, aus der sie dann nur noch schwer herauskommen. „Zu uns kommen die Opfer“, sagt Naujok.
Niedrige Zinsen machen die Versuchung groß
Auch Tanja Richter (Name geändert) war bei Volker Naujok, weil sie mit ihren Schulden nicht mehr klar kam. Die junge Frau hatte früh Fehler gemacht, hatte für ihre Mutter ein Konto mit Kreditkarte eröffnet, auf dem die Zahlen immer tiefer ins Minus rutschten. Als ihre Mutter vor fünf Jahren starb, stand die alleinerziehende Mutter mit diesem Schuldenberg alleine da. Dazu kamen noch einige andere Kredite, mit denen sich die junge Frau u.a. Möbel für ihre Wohnung gekauft hatte. So kamen insgesamt 15.000 Euro zusammen, die Tanja Richter, die als Arzthelferin nur 15 Stunden pro Woche arbeitet und ihr Gehalt mit Hartz IV aufstockt, nicht mehr stemmen konnte.
Einziger Ausweg war das Verbraucherinsolvenzverfahren, das sie zusammen mit Volker Naujok vorbereitet hat und das seit wenigen Monaten läuft. In sechs Jahren ist die junge Frau schuldenfrei. „Dass ich bei der Verbraucherzentrale war, war das Beste, was mir passieren konnte“, sagt sie rückblickend.
Naujok beobachtet, dass sich die Essener stärker als in anderen Regionen NRWs durch sogenannte Konsum-Kredite verschulden. In den Insolvenzverfahren, die er im vergangenen Jahr begleitete, hatten die Betroffenen Kreditschulden in Höhe von über einer Million Euro. Sie machten somit 59 Prozent der Schulden aus. Obwohl es das Gehalt nicht zulässt, leihen sich Menschen bei der Bank Geld für Telefonverträge, Möbel, fürs Auto oder Klamotten. Gerade jetzt, bei den niedrigen Zinsen, sei die Versuchung groß. Naujok zieht die Werbung einer Bank hervor mit dem Aufdruck „Ich lebe jetzt“.
„Nicht unter Druck setzen lassen!“
Wie dieser Mann, der kürzlich an Naujoks Schreibtisch Platz nahm. Bei einem Gehalt von 1800 netto und null Ersparnissen hatte er einen Kredit von 50.000 Euro aufgenommen und sollte dafür Raten von 600 Euro zahlen. „Der Kollaps wäre von Anfang an absehbar gewesen“, meint Naujok. In solchen Fällen helfe nur, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und die eigene Lebensweise zu ändern, wenn man nicht zeitlebens in der Kreditfalle stecken wolle.
Die Verbraucherzentrale warnt aber auch vor Lockangeboten wie einer „Null-Prozent-Finanzierung“. Niemand habe etwas zu verschenken, so Verbraucherberaterin Sabine Klischat-Tilly. Die Erfahrung lehre: Entweder seien die Waren teurer oder die Null-Zinsen nur befristet. Deshalb gelte immer in solchen Fällen: Preise vergleichen und die Kreditverträge vorher in Ruhe prüfen und sich nicht unter Druck setzen lassen.
Naujok beobachtet immer wieder, dass vielen die nötige Finanzkompetenz fehlt. „Das müsste mehr in den Schulen und in der Ausbildung Thema sein“, appelliert er.