Auch wenn vorzügliche Orchester wie die „Philharmonia Zürich“, zweifellos eines der besten Opernorchester Europas, durch die Lande touren, geht von exzentrischen Solisten wie dem Star-Pianisten Ivo Pogorelich die meiste Zugkraft aus. Da wird leicht vergessen, dass deren Entwicklungen nicht immer positiv verlaufen müssen. Das zeigte jetzt auch Pogorelich mit dem 2. Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow in der Philharmonie. Pogorelich, der vor 35 Jahren mit Chopin-Interpretationen von erlesenster Feinheit verwöhnte, gebärdet sich heute wie ein „Stahlarbeiter“ auf dem Klavier. Mit hartem und stählernem Anschlag exekutiert er ebenso eigenwillig wie irritierend den Solo-Part. Damit bewahrt er das Werk zwar vor parfümierten Salondüften à la Lang Lang, zerschlägt aber zugleich den lyrischen Charme des Stücks. Fabio Luisi und das Zürcher Orchester hatten dabei mehr als einmal alle Mühe, den manierierten Temposchwankungen des Solisten zu folgen. Angesichts der enormen Begabung des Pianisten eine traurige Entwicklung, die seit Jahren in eine Sackgasse führt.

Tschaikowsky in vollem Glanz

Nach der Pause konnten sich die Schweizer Gäste mit Tschaikowskys stärkstem Orchesterstück, der 6. Symphonie, in vollem Glanz präsentieren. Was Pogorelich zuvor an emotionalem Einsatz vermissen ließ, lieferte Luisi in Überdosis nach. Den an sich fragwürdigen Beinamen „Pathétique“ nahm der Musikchef der Zürcher Oper so ernst, dass er die orchestralen Höhepunkte, vor allem die Durchführung des ersten Satzes und das Scherzo, zu ausladenden klanglichen Eruptionen steigerte. Angesichts der heutigen Tendenz, den Klang auch spätromantischer Symphonik zu entschlacken, hinterlässt diese Musizierhaltung einen antiquierten Beigeschmack, der allerdings durch die Spielqualität des jung besetzten und hoch motivierten, wenn auch nicht immer detailgenau aufspielenden Orchesters weitgehend neutralisiert wurde. Und das eindrucksvoll gestaltete Final-Adagio formte Luisi so emphatisch, dass es jedes Herz gerührt haben dürfte. Begeisterter Beifall, dem als Zugabe Glinkas flotte Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmilla“ folgte, die nach der ergreifenden Tschaikowsky-Symphonie wie die Faust aufs Auge passte.