Essen. . 150 Bürger kamen zum WAZ-Mobil, um mit Verwaltungsvertretern über die Zeltstadt für 700 Flüchtlinge zu diskutieren. Besorgte Vergleiche mit Altendorf.
„Was tun Sie, damit Karnap kein zweites Altendorf oder Marxloh wird?“ Die Angst unter den Bürgern im Stadtteil ist groß, seitdem bekannt ist, dass in Karnap eine Zeltstadt entsteht, die fast 700 Flüchtlinge aufnehmen soll. Schlagzeilen, wie die zum Raubmord an der Altendorfer Straße in der vergangenen Woche, verstärken die erheblichen Sicherheitsängste. 150 Bürger nahmen deshalb gestern Nachmittag die Gelegenheit wahr, um beim WAZ-Mobil, das auf dem Karnaper Markt stand, vor Vertretern der Stadt und European Homecare ihren großen Sorgen Nachdruck zu verleihen.
Sozialdezernent Peter Renzel, der mit Ordnungsdezernent Christian Kromberg und Thomas Römer vom Amt für Soziales und Wohnen die Stadt repräsentierte, zeigte teilweise Verständnis für die Sorgen, plädierte aber auch dafür, unterschiedliche Sachverhalte nicht in einen Topf zu werfen. Renzel räumte zudem ein, dass auch er sich große Sorgen um die Situation in Altendorf mache: „Wir müssen gegensteuern“, sagte er. Mit dem Aktionsbündnis „Sicheres Altenessen“ besitze die Stadt ein bewährtes Konzept, das nun nach Altendorf übertragen werden soll.
Hauptthema in Karnap war aber das Flüchtlingsdorf, das im Mathias-Stinnes-Stadion gerade entsteht und im November bezogen werden soll. Um die Sicherheit fürchten die Bürger vor allem, weil sie die angekündigte Zahl von zwölf Sicherheitskräften für 688 Flüchtlinge als zu gering einschätzen. „Auf wie viele Schichten werden die zwölf verteilt?“, fragte ein Karnaper. Adam Lissek, Projektmanager beim Zeltstadt-Betreiber European Homecare, klärte auf: „Bei jeder Schicht sind zwölf Sicherheitskräfte da.“
Zufrieden stellten die Antworten wohl nur wenige – zumal im Geraune der Menge deutlich wurde, dass den meisten Bürgern auch zwölf Kräfte nicht ausreichen. Renzel gab zu bedenken: „Das Land schreibt bei dieser Größenordnung nur neun Sicherheitskräfte vor.“ Auch wenn ein Bürger fürchtete, dass unter den Flüchtlingen nicht nur gute Menschen sein könnten, trat Ordnungsdezernent Christian Kromberg dem Umkehrschluss entgegen, dass es sich vor allem um potenzielle Verbrecher handele: „Es kommen Menschen, die so bürgerlich sind wie wir – vom Fliesenleger bis zum Arzt.“ Auch gebe es keine, wie eine Bürgerin befürchtete, Sonderbehandlung für Flüchtlinge bei Gesetzesverstößen.
Dass bei manchen Karnapern die Nerven blank liegen, zeigt eine Auseinandersetzung am Rande der Veranstaltung zwischen einer Zuhörerin und einem Anwohner mit libanesischen Wurzeln, der sich provoziert fühlte. „Ich bin hier geboren – und trotzdem nicht angekommen“, ärgerte er sich, nachdem ihm die Frau im Zuge der Auseinandersetzung empfohlen hatte, er könne ja „nach Hause gehen“, wenn es ihm hier nicht passe.
Doch es gab auch positive Nachrichten während der 90-minütigen, engagiert geführten Diskussion, die von WAZ-Redakteur Thorsten Schabelon moderiert wurde: So hat die Stadt die Anregung aufgenommen, den Zeltstadt-Eingang aus der engen Beisekampsfurth an die anliegende Hauptstraße zu verlegen.
Und Peter Renzel versprach den Karnapern, dass die Stadt alles dafür tun werde, dass die Belegung mit 688 Flüchtlingen zeitlich begrenzt bleibe. Anfang nächstes Jahres sollen deshalb weitere Unterkünfte für Entlastung sorgen.