Essen.. Der Verein „Bezev“kümmerte sich schon um das Thema Inklusion, als es das Wort noch nicht gab. Und hat jetzt den neuen NRW-Inklusionspreis gewonnen.

Lena (27) sitzt im Rollstuhl. Trotzdem wollte sie schon als Schülerin in die USA, ein Austausch-Jahr machen. „Die Lehrer rieten mir davon ab wegen meines Rollstuhls“, sagt sie. Erst später, zum Ende ihres Studiums, fiel ihr ein Faltblatt des Essener Vereins „Bezev“ in die Hände: „Bezev“ steht für „Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit“. Seit vielen Jahren sitzt der Verein an der Wandastraße in Rüttenscheid. Mit seinem Programm „Weltwärts“ schickt er junge Erwachsene mit und ohne Behinderungen ins Ausland.

Lena war mehrere Monate mit „Bezev“ in Ghana in Afrika, arbeitete für eine Nicht-Regierungsorganisation. Mit dem Rollstuhl durch Afrika – was kaum einer glaubt, gelang gut. „Vieles in Sachen Mobilität war einfacher als hier.“ Zum Beispiel gebe es überall Sammeltaxen, die einen unkompliziert mitnähmen. Und was an barrierefreier Infrastruktur fehle, machten die Leute mit ihrer Mentalität wieder wett: „Die Leute sind spontan und optimistisch, sie sagen sich immer: Das klappt schon“, erzählt Lena. „Ganz anders als hier.“ In Ghana hat Lena Lehrer geschult in Sachen Inklusion und sich engagiert für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

15 Plätze für Auslandsaufenthalt

„Bezev“ kümmert sich seit 20 Jahren um Menschen mit Behinderungen. Mit dem Vorhaben, auch Behinderte ins Ausland zu schicken für freiwillige Jahre oder Austauschprogramme, „trägt der Verein zu einem Image-Wandel von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft bei“, lobte das Landesarbeitsministerium kürzlich und vergab den NRW-Inklusionspreis an den Rüttenscheider Verein. Die Auszeichnung, verliehen in mehreren Kategorien, wurde erstmals vom Ministerium vergeben. Der Sonderpreis, mit dem „bezev“ bedacht wurde, war mit 1500 Euro dotiert. „Statt als Empfänger staatlicher Fürsorgeleistungen treten Menschen mit Behinderungen im Rahmen internationaler Freiwilligendienste als aktive Bürger auf, die sich gemeinsam mit anderen für das Gemeinwohl engagieren“, lobte die Jury.

Auch Jugendliche ohne Behinderung können mit dem „Bezev“-Programm „Weltwärts“ ins Ausland geschickt werden – Svenja (19) war ebenfalls in Ghana, Katrin (19) in Equador. 15 Plätze hat „Weltwärts“ jährlich zu vergeben. Nachdem die Jugendlichen wieder hier sind, stellen sie fest, wie sehr sich Deutschland verändert hat – in ihrer Wahrnehmung: „Plötzlich fällt mir auf, dass alle Gärten hier Zäune haben, und die Menschen sind manchmal grimmig“, sagt Svenja. Es gebe hier eine gewisse Kälte, stellen die Jugendlichen fest, und damit meinen sie nicht die Lufttemperatur. „Streng und stressig“ kommt ihnen jetzt, nach ihrer Auslandserfahrung, manchmal das Leben hier vor, doch so gut wie alle haben jetzt ein neues Ziel: „Ein Studium.“ Das Wintersemester startet jetzt.