Essen. Jüngst hatte der Aluminium-Produzent Trimet die erste Führung für Flüchtlinge angeboten, weitere sollen folgen. Einschließlich Essen in der Kantine.

Nico Grazio (41), der Chef der Trimet-Kantine, schaut zufrieden in die fremden Gesichter. An diesem Freitag hat er für eine ungewöhnliche Besuchergruppe am großen Werksherd gestanden. Die fünfzig Menschen, die mit blauem Tablett in der Hand eine lange Warteschlange bilden, sind allesamt Flüchtlinge. „Heute gibt’s Wildlachs in Dijon-Senf-Soße mit Brokkoli und Butterreis“, sagt der Koch, der stolz ist auf seine italienisch-trentinischen Wurzeln. Genauso gefragt ist Menü zwei: paniertes Hähnchenschnitzel mit Waldpilzsoße, Pommes oder Kartoffelgratin. Eine Suppe und Karamellpudding runden das Drei-Gänge-Menü à la Trimet ab.

Was treibt den größten Aluminium-Produzenten in Mitteleuropa, an, Flüchtlinge an seine Kantinentafel zu holen? „Wir wollen die Neuankömmlinge einfach nur mal rausholen aus dem Trott des Alltags“, sagt Werkschef Kurt Ehrke, „viele kennen ja nur ihre Unterkunft und die unmittelbare Nachbarschaft“.

Der Diplom-Ingenieur, ein praktizierender Protestant, eigentlich schon Rentner und für ein halbes Jahr gewissermaßen als Ersatzkraft auf dem Direktorensessel eingesprungen, weiß, wie schmerzhaft es ist, Heimat und Familie zurückzulassen. „Als ich 17 war, bin ich aus der DDR geflohen“, erzählt er den Flüchtlingen, bevor sie den Doppeldecker-Bus zur Rundfahrt übers riesige, zwischen Stadthafen und Stadion liegende Firmengelände besteigen. Auf diese Weise soll als Nebeneffekt auch Interesse an einer Arbeit im Werk geweckt werden. Trimet hatte schon vor Wochen angekündigt, junge Flüchtlinge für eine Ausbildung gewinnen zu wollen. Einheimische Bewerber gibt es derzeit nicht ausreichend.

Dankbar für deutsche Hilfe

Bis Weihnachten wird die Trimet-Kantine jeden Freitag Schauplatz dieser schmackhaften Art von Willkommenskultur sein. „Wir wollen so viele Flüchtlinge wie möglich in unserem Haus begrüßen“, fügt Ehrke hinzu. An diesem Freitag kommen die Besucher aus Aserbaidschan und Albanien, aus Syrien und Serbien, auch eine Familie aus Mazedonien ist dabei. Die meisten leben in dem Wohnheim Wengestraße in Schonnebeck, andere haben bereits eine Bleibe in einer Privatwohnung gefunden. Begleitet wird die Besuchergruppe von Mitarbeitern der „Neuen Arbeit“ der Diakonie und Dolmetschern.

Bassam, Maher und Abdul – drei junge Männer aus Syrien – teilen dasselbe Schicksal. „Wir sind 22, kommen aus Damaskus und haben unser Land verlassen, weil wir nicht Soldaten sein wollten, Soldaten, die im Namen Assads auf das eigene Volk schießen“, sagen sie. Seit acht Monaten leben die drei in Deutschland. Für die Einladung der Trimet-Bosse empfinden sie tiefe Dankbarkeit. Damit es nicht klingt wie eine Floskel bekräftigt Bassam, dass sie aus tiefstem Herzen komme und, ja, ganz Deutschland gelte.

Spenden statt Geburtstagsgeschenken

„Kein anderes Land hat uns aufgenommen“, sagt er, und berichtet in Stichworten von seiner Odyssee. Einer Irrfahrt, die ihn übers irakische Kurdistan in die Türkei und von Griechenland nach Deutschland brachte. „Die 270 Kilometer durch Mazedonien habe ich zu Fuß zurückgelegt.“ Ein Paar zerschlissene Schuhe erinnert an diese Strapaze. „Meine Eltern und meine drei Geschwister sind zurückgeblieben, ich bin ihre Hoffnung.“ Bassam ist Informatikstudent, Maher ein angehender Radiologe und Abdul Programmierer. Gebildete und ehrgeizige Menschen, die fließend Englisch sprechen und bildungsbeflissen sind. „Ich will weiter studieren und meinen Master machen, aber zuerst muss ich Deutsch lernen“, betont Bassam. Seit zwei Monaten büffelt er die Sprache, so dass er bereits in der Lage ist, eine angeregte Unterhaltung zu führen.

Direktor Ehrke, der am Revers den „Engel der Kulturen“ trägt und sich auch privat in der Flüchtlingshilfe engagiert, weist ausdrücklich auf das soziale Engagement des Mannes hin, dem der Aluminium-Gigant – 740.000 Tonnen Jahresproduktion, 3000 Beschäftigte, davon 750 am Standort Essen – gehört. Heinz-Peter Schlüter wird nächsten Freitag 66 und erbittet anstelle von Geburtstagsgeschenken dies: eine Geldspende an die Hans-Joachim-Kaps-Stiftung. Der alleinige Verwendungszweck: Junge Flüchtlinge – wie Bassam, Maher oder Abdul – in Ausbildung bringen.