Horst – ein Dorf samt Naherholungsgebiet an der Ruhr
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Essen. . Horst war lange ein unauffälliger Stadtteil. Mit der Hochhaussiedlung Hörsterfeld verdreifachte sich die Einwohnerzahl. Folge 18 der Stadtteil-Serie „60 Minuten in ...“.
Klaus Hermsen will vom Falterweg auf den Sachsenring abbiegen, muss aber einen Moment warten. Von rechts kommen drei Autos angeschlichen und tuckern gelassen vorbei. „Mensch“, regt sich der rüstige Senior auf. „Was für ein Betrieb heute. Hier ist sonst nicht so viel los.“ Im Essener Stadtteil Horst ist eigentlich die Ruhe Zuhause. Bei drei Autos am Stück fühlt sich der Einheimische schnell an die hektische A40 erinnert.
Klaus Hermsen lebt in Horst, seit er denken kann. „Und das sind inzwischen immerhin 73 Jahre.“ Er ist engagierter Katholik in der Kolpingsfamilie und mag den Karneval. Er ist der Dorfchronist und kennt jede Ecke in seinem Horst. „In den ganzen Jahrzehnten hat sich hier schon einiges getan. Aber mein Horst ist immer ein Dorf geblieben. Bei uns kann jeder nach seiner Fasson leben und glücklich werden.“
Panoramablicke auf die Ruhr
Wo die Schnitzel wie die Stadtteile heißen
Die Dahlhauser Straße in Horst bietet zwar kein Überangebot an Restaurants, glänzt aber mit zwei ganz besonderen Gastronomien: Das Restaurant Hannappel von Knut Hannappel ist für seine hochwertige Küche bekannt. In der gegenüberliegenden Gaststätte „Zur Krone“ geht es dagegen etwas rustikaler zu. Wirt Edin Smaka hält eine üppige Schnitzelkarte bereit, auf der die über 50 verschiedenen Schnitzel-Kreationen nach den Essener Stadtteilen benannt sind.
Wer mit Klaus Hermsen den Stadtteil erkundet, landet am Platz der ehemaligen Vryburg und dem früheren Rittersitz Haus Horst. Ein Stück weiter bieten sich Panoramablicke auf die geduldig vorbeifließende Ruhr samt ihrer schönen Auen. „Wir sind ein Naherholungsgebiet“, sagt Fremdenführer Hermsen. Wege laden zum Spaziergang ein: Entlang der Ruhr nach Steele oder ins benachbarte Dahlhausen.
Nächster Halt ist die Dorfbild prägende katholische St. Josef-Kirche an der Dahlhauser Straße, die dort seit 1887 steht. „Das Obere Horst, unsere Innenstadt“, erklärt Klaus Hermsen. Bäcker, Metzger, Friseur, Wäscherei, Bank. Und der „Kleine Baumarkt“, der mit seinen 25 Quadratmetern wohl der kleinste Baumarkt der Region ist.
Hochhaussiedlung Hörsterfeld
Die Karnevalisten hängen im Nacken von Jesus
Auch in Horst sind, wie in fast allen anderen Essener Stadtteilen, die Karnevalisten durchaus präsent. Im gemütlichen Dorf an der Ruhr organisieren sich die Jecken als KG „Horster Ritter“. Und die Karnalisten haben sich an einer besonders ungewöhnlichen Stelle auch in der katholischen St. Joseph-Kirche verewigt. Wenn man vor der Gemeinde steht und von dort auf die Rückseite des im Raum hängenden Holzkreuzes blickt, erkennt man am Querbalken einen Orden der „Horster Ritter“. Die hatten einst die Anschaffung des großen Kreuzes mit weißer Jesus-Figur unterstützt.
Einige hundert Meter weiter von „Downtown-Horst“ entfernt ermöglicht der Klosterberghof Blicke auf grüne Wiesen. Auf dem Biohof des Franz Sales Haus lebt die Historie des Stadtteils weiter. „In Horst gab es früher vor allem Bauernhöfe. Hier lebten einfache Menschen, die in der Landwirtschaft, im Stahlwerk oder im Bergbau hart arbeiteten. Man kannte sich, man half sich“, erklärt Klaus Hermsen.
Der beschauliche Alltag wurde Anfang der 1970er-Jahre durchgerüttelt. Wo vorher Weizen auf den Feldern gewachsen war, schoss die Hochhaussiedlung Hörsterfeld aus dem Boden. 6000 neue Horster verdreifachten auf einen Schlag die Einwohnerzahl des Dorfes. Spätestens ab da wussten alle Essener, dass Horst nicht nur ein Stadtteil des benachbarten Gelsenkirchen ist.
Das ist Essen-Horst
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Gute Nachbarschaften und lebhaftes Vereinswesen
Klaus Hermsen wohnte damals selbst einige Jahre im Hörsterfeld, einer Siedlung mit zu vielen Menschen auf zu wenig Fläche. „Anfangs war das nicht immer einfach“, erinnert er sich. Er schmunzelt aber auch, wenn er sich an eine Anekdote erinnert: „Die Leute, die kamen, hatten bis dahin mit Kohle geheizt. Im Hörsterfeld gab es moderne Stromheizungen. Wenn es zu warm wurde, haben sie die Fenster aufgerissen. Bis die ersten Stromrechnungen kamen...“
Nüsterklemmen für Wildpferde
Das Wappen des Stadtteils Horst, der nach einer althochdeutschen Bezeichnung für Niederwald benannt ist, ist identisch mit dem der Burgherren von Horst. Die ließen sich dort im 13. Jahrhundert, nahe der Ruhr, nieder. Sie waren Erbmarschälle des Stiftes und hatten das Recht zum Wildpferdefang. Zur Zähmung der Vierbeiner diente ihnen eine Prame, eine Nüsterklemme, die auch heute noch samt der hellen Kordeln auf dem Wappen zu sehen ist. Im 9. Jahrhundert stand noch die Vryburg in Horst, die große Bedeutung für die Sicherung der Handelsroute Hellweg hatte.
Inzwischen hat sich die Situation in dem Hochhauskomplex erheblich entspannt. Viele Mietwohnungen sind heute Eigentumswohnungen. Gute Nachbarschaften und ein lebhaftes Vereinswesen haben sich entwickelt. Der MTG Horst ist nach Rot-Weiss Essen der mitgliederstärkste Verein der Stadt. Man achtet auf den anderen. So wie man es in Horst schon immer gemacht hat.
Horst wächst weiter
Gerade wächst das Dorf wieder ein wenig: An zwei Ecken und auf ganz unterschiedliche Weise. Im Pläßweidenweg bezogen 400 Asylbewerber ein Flüchtlingszeltdorf. Und die Horster wollen sich, wie die benachbarten Steelenser, mit einer Welle der Hilfsbereitschaft einbringen.
Die Neubau-Siedlung am Breloher Steig, auf dem ehemaligen Gelände der Recyclingfirma Altwert, ist auf Dauer angelegt. 350 Neu-Horster beziehen hier Häuser und Wohnungen. „Um Horster zu sein, musst du aber erst mal lange hier wohnen“, sagt Klaus Hermsen. Und lächelt: „So nach 40 Jahren dürfen die mal ‘nen Antrag stellen.“
Stadtteil-Statistik
9951 Einwohner
9951 Bürger zählt Horst. Damit liegt der Stadtteil auf die Einwohnerzahl in Essen bezogen praktisch genau in der Mitte: 25 Stadtteile haben weniger, 23 Stadtteile haben mehr Einwohner als Horst.
Beim Alter im Durchschnitt
16,2 Prozent der Horster sind jünger als 18, 23,4 Prozent sind älter als 65 Jahre. Das ist im Stadtvergleich guter Durchschnitt.
38,3 Prozent der Fläche sind bebaut
38,3 Prozent der Gesamtfläche sind in Horst bebaut. 8,1 Prozent davon sind Grünflächen und 12,2 Prozent Straßen, Wege, Plätze und sonstige Verkehrsgelände. Zum Vergleich: Im benachbarten Steele sind 57,4 Prozent bebaute Fläche, davon 20,1 Prozent Straßen, Wege und Plätze.
Wenig Spiel- und Sportplätze
0,4 Prozent der bebauten Fläche entfallen auf Spiel- und Sportplätze. Damit liegt Horst im Stadtvergleich so ziemlich an letzter Stelle; schlechter schneiden nur der Stadtkern (0,3), das Ostviertel (0,2), das Südostviertel (0,3), Schönebeck (0,3), Schuir (0,1) und Fischlaken (0,3) ab. Wie gut, dass die nahe Ruhr Platz für Entspannung und Erholung bietet.
Ein Fünftel der Einwohner erhält Transferleistungen
19,2 Prozent, also ein Fünftel der Horster, erhalten Transferleistungen. Auch da liegt der Stadtteil im Mittelfeld. An der Spitze stehen das Nordviertel (33,6), Altendorf (33,5), das Ostviertel (32,4) und Stadtkern (31,9). Die geringste Quote hat Schuir: Dort leben gerade mal 19 Menschen von Sozialleistungen. Das sind 1,2 Prozent.
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