Jessica Muirhead ist der sympathische Gegenentwurf zur Diva früherer Tage: temperamentvoll, nahbar, und mit einem fröhlichen Lachen ausgestattet. Dabei ist die englisch-kanadische Sängerin in ihrer ersten Spielzeit im Aalto vor allem die Frau fürs tragische Fach: Mit „Donna Anna“, „Vióletta“ und „Mimi“ übernimmt sie gleich drei große Opern-Figuren, vor allem aber freut sich die 34-Jährige auf die „Marguerit“ im „Faust“, der 2016 im Aalto Premiere hat. „Eine Traumspielzeit“, seufzt Muirhead selig. Und sie beginnt auch gleich mit einer großen Rolle in der „Greek Passion“, in der Muirhead die Witwe Katerina spielt. Eine Rolle, die in diesen Tagen unter die Haut geht, buchstäblich. „In einer Szene kommen die Flüchtlinge und halten meine Hand. Bei jeder Probe bekomme ich Gänsehaut“, erzählt die Sopranistin, die Frauenrollen wie die der Katerina schätzt: äußerlich stark, aber innerlich ungeschützt, und irgendwie heutig.

An der Semperoper und der Wiener Volksoper hat Muirhead schon reüssiert, in Essen freut sie sich vor allem auf das große Repertoire. Deutschland ist für sie ohnehin Heimat, seit sie einige Zeit in Helmut Rillings Bachakademie gesungen hat. „Danach hatte ich das Gefühl: Musik kann mein Leben sein.“ In Kanada, lacht Muirhead, wo es die deutsche Operntradition nicht gibt, fragen Freunde heute noch: „Du bist Sängerin, ok. Aber was macht du in Wirklichkeit?“