Essen. Warum bekommen Theater und Schauspiel so viel Geld? Warum gibt es trotz der gescheiterten Franken-Kredite keine Rücktritte? Warum wird bei den Kita-Gebühren nicht das Nettoeinkommen berücksichtigt? Wie halten Sie es mit der Religion? Vor der OB-Stichwahl am 27. September haben wir Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) und Herausforderer Thomas Kufen (CDU) Fragen der Essener an Sie übermittelt. Was die Kandidaten den Bürgern antworten.

Leser aus Essen fragen, Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) und sein Herausforderer Thomas Kufen (CDU) antworten. Die Resonanz auf unser Angebot, Bürger und Politiker vor der Stichwahl des Essener Oberbürgermeisters am Sonntag zusammenzubringen, war riesig. Ein Hinweis: Viele Fragen gingen an beide, einige Fragen richteten sich nur an einen der beiden Kandidaten. Die Fragen haben wir thematisch sortiert:

Fragen zur Finanzkrise der Stadt Essen

Christian Burgmer: Wo konkret ist mit Einschnitten und Kürzungen zu rechnen, um die Stadtfinanzen in Ordnung zu bringen?

Thomas Kufen: Seit Jahren fährt die Stadt einen harten Sparkurs. Und vieles scheint mir ausgereizt. Das merken auch die Bürgerinnen und Bürger. Weiter kürzen nach Schema F ist nicht meine Sache. Ich werde zusammen mit Rat und Verwaltung alle kommunalen Aufgaben mit Blick auf ihren Verpflichtungsgrad hin analysieren und durch veränderte Strukturen und Organisationsverbesserungen finanzielle Potenziale heben. Es geht mir um eine klare Priorisierung, was das Notwendigste und Wichtigste ist. Das müssen wir transparent und nachprüfbar offenlegen.

Reinhard Paß: Vor meinem Amtsantritt hat die Stadt pro Tag eine Million Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Das „Girokonto“ der Stadt ist von Null in 1999 auf ein Minus von 2,1 Milliarden Euro angewachsen. Seit meinem Amtsantritt ist in den ersten vier Jahren in der Kernverwaltung eine Milliarde Euro weniger ausgegeben worden, als mein Vorgänger in der von ihm hinterlassenen Planung für diesen Zeitraum noch vorgesehen hat. Im Jahr 2017 wird erstmals ein ausgeglichener Haushalt erreicht. Nun ist von den städtischen Gesellschaften ein stärkerer Konsolidierungsbeitrag notwendig. Denn auch kommende Generationen brauchen Gestaltungsfähigkeit.

Warum werden RWE-Aktien nicht verkauft?

Björn Ahaus, Patrick Reinke: Angesichts stetig fallender Aktienkurse bei RWE und Sparauflagen in der Finanzpolitik: Warum werden die RWE-Aktien nicht verkauft?

Kufen: Zum jetzigen Zeitpunkt unsere RWE-Aktien zu veräußern, wäre aus meiner Sicht ökonomisch falsch. Zudem ist Essen der Konzernsitz der RWE AG. Daran hängen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Und in der Vergangenheit auch üppige Dividenden. Trotzdem gibt es für die Zukunft keine „heiligen Kühe“.

Paß: Das „Investment“ der Stadt an der RWE AG besteht zum großen Teil seit dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Über die vielen Jahrzehnte hinweg ist diese Beteiligung der Stadt Essen an der RWE AG für die Stadt Essen ertragreich und – mit Bezug auf die historischen Werte – von einer Wertsteigerung begleitet gewesen. Trotz der aktuellen Probleme setze ich mittelfristig wieder auf eine positivere Entwicklung. Neben dem Konzernvorstand und den Aktionären trägt auch die Politik mit an der Verantwortung für den Konzern.

Falko Grunau: Wie steht es mit politischen Überlegungen, den Städten neben Bund und Ländern einen eigenen Verfassungsrang einzuräumen und sie dann konsequent mit entsprechenden Steueranteilen auszustatten. Damit würde sich das Gängelband der Finanzaufsicht bei der Bezirksregierung lösen lassen.

Kufen: Verfassungsrechtlich sind Städte und Gemeinden Teil des jeweiligen Bundeslandes. Daraus ergibt sich auch die besondere Verantwortung der Länder für die kommunale Finanzausstattung. Für mich muss Entlastung für Kommunen dort erfolgen, wo Belastung durch Land und Bund entstehen. So sollten die staatlichen Ebenen höhere Anteile an den Soziallasten tragen und damit gerade die Kommunen wie Essen, die unter der hohen Langzeitarbeitslosigkeit leiden, entlasten. Dann käme Hilfe auch dort an, wo sie benötigt wird.

Paß: Auch jetzt wäre es möglich, die Kommunen entsprechend ihrer Aufgaben und struktureller Rahmenbedingungen zu finanzieren. Bund und Land sind gefragt. Eine Verlagerung dieser Verantwortung wird wegen der Vielzahl der unterschiedlichen Interessen der Kommunen meiner Einschätzung nach nicht funktionieren. Und ein „Mehr“ an Geld wird dadurch auch nicht verfügbar sein, außer man belastet die Bürger über neue Kommunal-Steuern, was man durch den Verfassungsrang vermutlich könnte. Nebenbei: Das „Gängelband“ der Bezirksregierung ist nicht grundsätzlich schlecht.

Warum keine Rücktritte wegen der Millionen-Verluste durch die Franken-Kredite?

Jörg Frehmann, Susanne Leonhardt: Wer trägt die politische Verantwortung für die gescheiterten Franken-Kredite? Und warum gibt es keine Rücktritte?

Kufen: In den Jahren 2002 bis 2004 wurden zur Verringerung der Zinsausgaben Schweizer Franken-Kredite in einer Größenordnung von 450 Millionen Franken aufgenommen. Die Kommunalaufsicht hatte keine Bedenken. Trotz der Finanz- und Währungskrise wollte die aktuelle Stadtspitze noch im Jahr 2011 weitere 450 Millionen Franken aufnehmen. Diesen Vorschlag haben meine Fraktion und ich abgelehnt und somit einen finanziellen Schaden in Höhe von 60 Millionen Euro verhindert.

Paß: Im Jahr 2002 entschieden sich die Verantwortlichen – ohne Beschlusslage des Rates – dazu, Kredite auch in Schweizer Franken aufzunehmen, um einen Zinsvorteil bei der Finanzierung in Schweizer Franken gegenüber einer vergleichbaren Euro-Finanzierung zu nutzen. Die Verantwortlichen sind alle nicht mehr im Amt.

Horst Kawelski, Sven Haberland: Im Wahlkampf wird oft betont, dass mehr kommuniziert werden müsse. Angesichts der harten Fakten hat die Stadt Essen aber kein Kommunikations-, sondern ein Finanzproblem. Wie gedenken Sie das Finanzproblem der Stadt zu lösen?

Kufen: Reden ersetzt kein Handeln. Aber Reden bereitet gemeinsames Handeln vor. Die Stadt Essen arbeitet seit Jahren an der Sanierung ihrer Finanzen und hat auf diesem Wege auch beachtliche Erfolge vorzuweisen. Auch die Hilfe durch den Bund und das Land sind Eckpfeiler auf einem Weg zum Haushaltsausgleich 2017. Ab 2020 soll der Haushaltsausgleich aus eigener Kraft stehen.

Fragen zu Essener Stadttöchtern und zur EBE-Affäre

Norbert Schlegel: Als Vorsitzender des EBE-Aufsichtsrates trugen Sie über Jahre eine Mitverantwortung für die Machenschaften, die unter Klaus Kunze stattgefunden haben. Glauben Sie, dass es richtig war, 2014 das Amt abzugeben und aus dem Gremium auszuscheiden?

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Reinhard Paß: Sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der EBE habe ich die notwendigen Prüfungen durch eine externe Kanzlei in Gang gebracht, die von der neuen Geschäftsführung fortgesetzt wurden. Die Staatsanwaltschaft hat entsprechende Ermittlungen aufgenommen. Ich vertraue auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft und ihre Fähigkeit, die Strukturen und Abläufe der Vergangenheit vollständig aufzuarbeiten. Mein Amt habe ich mit Ablauf der Ratsperiode in 2014, also zum Zeitpunkt der Neubildung der kommunalen Aufsichtsräte niedergelegt, wie ich es auch ursprünglich vorgesehen hatte.

Jörg Frehmann: Wieso benötigt die Stadt so viele kommunale Stadttöchter mit Geschäftsführergehältern in privatwirtschaftlicher Höhe, obwohl diese kein unternehmerisches Risiko tragen?

Kufen: Ich trete dafür ein, dass wir die Anzahl der städtischen Gesellschaften wieder reduzieren und so auch Geschäftsführerpositionen und Aufsichtsratsmandate abbauen.

Paß: Die Notwendigkeit der Unternehmen, unterliegt einer ständigen Überprüfung. Mir ist es wichtig, dass die Geschäftsführergehälter auch „verdient“ werden, was ich grundsätzlich aber nicht anzweifele. Auch daher hat der Rat auf Vorschlag der Verwaltung neue Richtlinien für die Vergütung von Geschäftsführern beschlossen, die insbesondere das Unternehmerische und das Risiko deutlich stärker bewerten, zum Beispiel durch eine wirksame Zielvereinbarung mit erfolgsabhängiger Vergütung. Was oft vergessen wird: Das unternehmerische Risiko ist oft gleichbedeutend mit dem persönlichen Risiko des Geschäftsführers.

Rüdiger Katz: Was erwirtschaftet eigentlich eine Kettwiger Service GmbH oder eine „Zebra. Gesellschaft für Baumanagement mbH“ – und wofür braucht die Stadt Essen solche Gesellschaften?

Kufen: Die Kettwiger Service GmbH ist eine Dienstleistungs-Tochter der „Evangelisches Seniorenzentrum Kettwig gGmbH“, bei der die Stadt Essen Minderheitsgesellschafterin ist. Hauptgesellschafterin ist die Evangelische Kirchengemeinde Kettwig. Ähnlich verhält es sich bei „Zebra“, die beispielsweise Projektsteuerungsaufgaben für die Allbau-Gruppe wahrnimmt. Aber auch diese Beteiligungen sollten auf den Prüfstand.

Paß: Bei der Kettwiger Service GmbH handelt es sich um eine einhundertprozentige Tochter des Evangelischen Seniorenzentrums Kettwig gGmbH, für die das Unternehmen Dienstleistungen rund um das Thema Pflege erbringt. Da die Stadt selbst einen Anteil an dem Seniorenzentrum von etwa 31 Prozent hält, sind wir ebenfalls Miteigentümer. Die zebra Gesellschaft ist ein Unternehmen, das spezielles Know-how bündelt, um Bauaufgaben unter verschiedensten Aspekten rationell und effektiv umsetzen zu können.

Fragen zu EVAG, ÖPNV, Straßen, Verkehr und Kultur

Jörg Frehmann: Warum werden Theater und Schauspiel mit fast genau so viel Steuergeldern subventioniert wie der Nahverkehr, obwohl diese Kultureinrichtungen nur von einem Bruchteil einer besser verdienenden Bevölkerung genutzt werden?

Kufen: Der aktuelle Verlustausgleich der EVAG beträgt 56,8 Millionen Euro. Der Verlustausgleich der Theater- und Philharmonie GmbH beläuft sich auf 44,8 Millionen Euro. Ein qualifiziertes Kulturangebot ist ebenso ein wichtiger Standortfaktor wie ein attraktiver ÖPNV. Ohne unser großartiges Kulturangebot hätte Essen nie den Zuschlag für die Europäische Kulturhauptstadt 2010 bekommen. Und ohne Kulturhauptstadt kein neuer Bahnhof, kein neues Folkwang Museum, kein Ruhr Museum auf Zollverein usw..

Paß: Da solche Einrichtungen für jedermann erschwinglich sein sollen, werden die Kulturinstitutionen bezuschusst. Die TuP wird längst nicht mehr nur vor den Besserverdienenden besucht. Die TuP leistet einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung in dieser Stadt. Dass Theater und Philharmonie der Attraktivität der Stadt dienen, uns im Wettbewerb um Wirtschaftskraft und Bevölkerung stärken, kommt hinzu.

Jörg Frehmann, Björn Ahaus: Die Stadt Essen hat den Titel Grüne Hauptstadt gewonnen mit dem Ziel, bis 2035 die Anteile der Verkehrsträger Auto, Bus & Bahn, Rad- und Fußverkehr auf je 25 Prozent zu bringen. Davon sind wir weit entfernt. Welche Maßnahmen planen Sie, um diese Ziele zu erreichen? Und wie wollen Sie die Evag attraktiver machen?

Paß: Bis 2035 ist auch noch lange hin. Die VIA muss mehr Synergien heben. So können wir das bestehende Netz besser erhalten, modernisieren und ggf. in bestimmten Bereichen sogar ausbauen. Neue Mobilitätsangebote und eine intelligente Vernetzung bestehender Verkehrsträger sind zu schaffen. Durch den Ausbau der Fahrradinfrastruktur wird Fahrradfahren in unserer Stadt attraktiver werden; durch effizienteren Nahverkehr – zum Beispiel den Rhein-Ruhr-Express – ebenso die Nutzung des ÖPNV.

Essener Straßen in katastrophalem Zustand: Was tun Sie?

Dirk Schürenberg: Unsere Straßen sind in einem katastrophalem Zustand. Was wollen Sie dagegen konkret tun?

Kufen: Ein besseres Baustellenmanagement einführen. Aktuell kommt erst die EVAG und reißt die Straße auf. Dann kommen die Stadtwerke, dann die Telekom und dann RWE oder die Steag. Hier will ich ansetzen und solche Baustellen frühzeitiger und transparenter planen und angehen.

Paß: 2013 habe ich ein Sonderprogramm für die Instandsetzung von Hauptverkehrsstraßen in Höhe von vier Millionen Euro aufgelegt und ab 2014 dafür insgesamt fünf Million Euro eingestellt. Dies beabsichtige ich auch für die Folgejahre.

Dirk Roetger, Sascha Henscheid, Matthias Skorowski: Wenn Sie OB werden, wird dann mehr bei der Evag gespart? Müssen die Bürger in Zukunft länger auf eine Bahn warten? Werden EVAG-Mitarbeiter arbeitslos?

Kufen: Betriebsbedingte Kündigungen schließe ich aus. Unsere Stadt braucht einen attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr! Auch weil Essen die Zentralstadt des Ruhrgebietes ist. Ich setze mich für eine Verkehrsgesellschaft im Ruhrgebiet ein. Die Bürgerinnen und Bürger wollen zuverlässig, sicher und pünktlich von A nach B. Und der ÖPNV darf nicht an der Stadtgrenze Halt machen.

Jörgen Weigt: Wie stehen Sie persönlich zum Weiterbau der A52?

Kufen: Ich halte den Weiterbau der A 52 nach wie vor für ein wichtiges Verkehrsinfrastrukturprojekt im mittleren Ruhrgebiet. Ich würde als Oberbürgermeister einen neuen Anlauf nehmen, um einen Konsens zu finden.

Paß: Meine Position ist klar. Der Lückenschluss muss kommen. Wir leiden unter den Planungssünden der Vergangenheit, in der die A 52 mitten in die Stadt hineingebaut, aber nicht fertiggestellt wurde. Zusätzlich kommt mit der A 44 das gleiche Problem doppelt. Auch hier wird eine Autobahn vom Süden kommend über die Ruhrallee in die Mitte der Stadt hineingebaut und belastet das Autobahnkreuz Essen-Ost zusätzlich. Der Nord-Süd-Verkehr sucht sich seinen Weg über innerstädtische Straßen. Mir ist es lieber, dass der Verkehr über den Lückenschluss „kanalisiert“ wird als dass er sich beliebige Wege durch die Stadt sucht.

Fragen zu Kita-Gebühren, Erzieherinnen und Essener Schulen

Stefan Müller, Lara Kraus: Gerade in benachteiligten Familien ist die frühe Bildung von Kindern enorm wichtig. Was wollen Sie konkret tun, damit kein Kind zurückbleibt?

Kufen: Als ich von 1999 bis 2009 Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses war, haben wir in Essen eine sogenannte „Präventionsoffensive“ entwickelt. Gemeinsam haben wir konsequent und systematisch in verschiedene Präventionsbausteine investiert und ein umfassendes System entwickelt, dass Fachkräfte so früh wie möglich in die Begleitung und Unterstützung von Kindern und deren Eltern einsteigen können. Das war auch ein Vorläufer der Strategie „Kein Kind zurücklassen“, die später vom Land aufgenommen wurde. Hieran will ich weiter arbeiten.

Paß: Es sind viele Maßnahmen, zum Beispiel werde ich den weiteren Ausbau unserer Präventionsoffensive mit dem Baustein „Begrüßungsbesuche“ aktiv unterstützen und den Kindergartenausbau forcieren, um die Voraussetzungen für frühkindliche Bildung weiter zu verbessern. Die bundesweit einmalige Initiative „KidsgoMINT“ zur Heranführung von Kindern an naturwissenschaftlich-technische Berufe werde ich weiterhin ausweiten. Die Förderung des Konzeptes „Kinderarmut bekämpfen, Teilhabe ermöglichen“ sollen mit Fachkonzepten und deren Finanzierung weiter entwickelt werden.

Wie entlasten Sie finanzschwächere Alleinerziehende? 

Viola Mauelshagen: Ich bin Alleinerziehende Mama, gehe Vollzeit arbeiten und verdiene als gelernte Kauffrau im Groß- und Außenhandel nun genauso so viel wie ich Arbeitslosengeld II bekommen habe, muss aber nun Kindergarten selbst bezahlen, auch das Essen für meinen Sohn und vieles mehr. Ich stehe also finanziell schlechter da, aber ich möchte nun mal nicht vom Staat leben. Haben Sie irgendwelche Pläne, um Alleinerziehende in Essen zu entlasten?

Kufen: Ich habe größte Hochachtung vor Ihrer Leistung als alleinerziehende Mutter. Es macht mich sehr nachdenklich, dass Sie trotz einer Vollzeitstelle nicht über den Betrag des Arbeitslosengeldes II (Grundsicherung, Miete und Heizung) kommen. Und ich finde es klasse und richtig, dass sie trotzdem jeden Tag arbeiten gehen und nicht „vom Staat leben“ möchten. Das ist vorbildlich! Ich weiß, dass fast 14.000 Frauen und Männer arbeiten und trotzdem ergänzende Leistungen von unserem Jobcenter benötigen. Als Oberbürgermeister möchte ich erster Wirtschaftsförderer sein – dazu gehört auch, dass die Unternehmer faire Löhne zahlen.

Nancy Götz: Zum Thema Kita-Gebühren: Warum wird in der Berechnung das Bruttogehalt berücksichtigt und nicht das Nettoeinkommen? Es führt viele unter die Grenze des Existenzminimums. Warum zahlen Hartz4-Empfänger diese Beiträge nicht? Arbeitnehmer mit der gleichen Höhe an Einkommen müssen das ja auch bezahlen. Und: Schichtdienstlern reichen die Kita-Öffnungszeiten zwischen 7 und 17 Uhr nicht.

Kufen: Ihre Frage macht mir nochmals deutlich, dass wir unsere Elternbeitragstabelle für die Kita- und OGS-Beiträge regelmäßig prüfen müssen. Ich setze mich darüber hinaus für landesweit gültige Elternbeiträge ein, die die Leistungsfähigkeit aller Eltern im Land berücksichtigen. Der Kita-Ausbau bedeutet für mich auch nicht nur die Schaffung neuer Plätze, sondern auch mehr Flexibilität.

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Paß: Nettogehälter sind u.a. von der individuellen Steuerklasse beziehungsweise den persönlichen Verhältnissen abhängig. Deswegen wird grundsätzlich zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten das Bruttogehalt genommen. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass der Besuch der Kita, insbesondere vor dem Hintergrund des bestehenden Rechtsanspruches, beitragsfrei sein sollte. Hier müssen der Bund und das Land für ausreichende Finanzmittel sorgen.

Warum nur Jahresverträge für viele Erzieher?

Claudia Mischke: Viele Erzieher müssen sich immer wieder mit Jahresverträgen begnügen, gern auch mit wechselndem Sachgrund, damit dieses Prozedere nahezu unendlich fortgesetzt werden kann! Wann beendet die Stadt dies und gibt den Kolleginnen eine planbare Zukunftsperspektive?

Paß: Die Stadt Essen schließt Zeitverträge im Bereich des Erziehungsdienstes ab, um insbesondere Vertretungen für Langzeiterkrankte oder für in Elternzeit befindliche Kolleginnen sicherzustellen. Eine unbefristete Beschäftigung ist in diesem Zusammenhang nicht möglich, da die Arbeitsplätze für die Rückkehr der Stammkräfte freigehalten werden müssen. Die Mitarbeiterinnen, die sich in Zeitverträgen bewährt haben, werden vorrangig für unbefristete Beschäftigungen vorgesehen. Dies erfolgt in der Regel nach vier bis fünf Jahren. Eine Verringerung dieser Zeit ist wünschenswert.

Jörgen Weigt: Die Schultoiletten sehen in den meisten Fällen katastrophal aus. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass ein kurzfristiger Maßnahmenkatalog (zum Beispiel ein Fünf-Jahresplan) für die Sanierung aller Schultoiletten erstellt und entsprechend umgesetzt wird?

Kufen: Ich habe als Ratsmitglied im Rahmen der letzten Haushaltsberatung mit dafür gesorgt, dass ein Betrag von fünf Millionen Euro in den Haushalt eingestellt wurde, der nur für die Sanierung von Schultoiletten genutzt werden soll. Die Bezirksregierung in Düsseldorf hat den städtischen Haushalt immer noch nicht genehmigt.

Dieter Strass: Wie stehen Sie zum Neubau der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Katernberg? Die eine Million Euro sparen oder besser investieren?

Kufen: Die Gustav-Heinemann-Gesamtschule muss zügig neu gebaut werden. Die bisherigen Planungen unterstütze ich. Gemeinschaftsräume, wie zum Beispiel die Mensa, müssen eine bedarfsentsprechende Größe haben.

Fragen zur Unterbringung von Flüchtlingen in Essen

Gerda Klassmann: Die zunehmenden Flüchtlingsströme führen zu einer steigenden Belastung der Stadt sowie der Bürgerinnen und Bürger. Wie planen Sie konkret mit der Problematik umzugehen?

Kufen: Ich erwarte von Seiten des Bundes und Landes klare Rahmenbedingungen, die uns bei der Unterbringung, Versorgung und Integration unterstützen. Dazu gehört auch, dass Asylbewerber aus den Westbalkanländern, die keinerlei Bleibeperspektive haben, nach systematischer und schneller Bearbeitung der Asylanträge wieder in die Herkunftsländer zurückgeführt werden müssen.

Paß: Mithilfe des von mir eingerichteten Krisenstabes gelingt es uns, kurzfristig die notwendigen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Wir suchen und mieten auch laufend Wohnungen an, um langfristigere Lösungen zu schaffen. Weitere „feste“ Unterkünfte müssen folgen. Außerdem werden wir als Stadt stärker als bisher als Schnittstelle zwischen Ehrenamtlern und den die Unterkünfte betreibenden Hilfsorganisationen fungieren. Maßnahmen zur Integration folgen.

FlüchtlingeWarum liegt ein Großteil der Asylunterkünfte im Essener Norden?

Frau Ferber: Es werden immer mehr Zeltdörfer für Flüchtlinge gebaut, aber wann hat das alles ein Ende?

Kufen: Das kann ich Ihnen aus kommunalpolitischer Sicht nicht beantworten. Wir brauchen dringend eine europäische Lösung. Es kann nicht sein, dass NRW mehr Flüchtlinge aufnimmt als beispielsweise Frankreich.

Paß: Ein Ende der Flüchtlingsströme ist derzeit noch nicht absehbar, so dass wir als Stadt weiterhin unserer Verpflichtung nachkommen müssen, Massenobdachlosigkeit von Flüchtlingen zu vermeiden. Eine Lösung wird erst absehbar sein, wenn insbesondere die Bundesregierung und die EU ihre Verantwortungen auf der europäischen Ebene zur grundlegenden Reform der Asylpolitik wahrnehmen sowie endlich eine Beschleunigung der Asylverfahren umsetzen.

Katrin Schmitz: Ein Großteil der Asylunterkünfte liegt im Essener Norden, obwohl diese Stadtteile viele Probleme haben. Sie wollen lebenswerte Wohnquartiere – wie sollen diese ganz praktisch geschaffen werden?

Paß: Die Verteilung im Essener Stadtgebiet ist nicht zufriedenstellend. Die Flüchtlingszahlen haben sich völlig anders entwickelt, als noch kürzlich für 2015 prognostiziert war. Vorrang hat jetzt der Bau von Unterkünften, um massenhafte Obdachlosigkeit zu verhindern. Wir greifen auf Flächen und Gebäude zurück, die sehr schnell hergerichtet werden können. Diese befinden sich leider vermehrt im Essener Norden. Ich habe die Verwaltung beauftragt, nach Lösungen zu suchen, die eine gleichmäßigere Verteilung im Stadtgebiet vorsehen. Mein Vorschlag, zum Beispiel Teilflächen des Flughafens Essen/Mülheim und andere Flächen im Süden zu nutzen, fließt in die weitere Prüfung ein.

Fragen zur Sauberkeit, Baden in der Ruhr und PCB-Belastung

Sonja Späder: Warum haben Sie nichts dagegen getan und es nicht verhindert, dass unsere Stadt Essen so dermaßen verdrecken konnte? Wie gedenken Sie diese Missstände abzuschaffen?

Paß: Nicht die Stadt verursacht Dreck, sondern die Menschen. Ich teile nicht Ihre Wertung, wenngleich es auch mir nicht sauber genug ist. Müllverursachung halte ich für ein zutiefst unsoziales Verhalten. Ich appelliere an alle ist, den Müll entsprechend zu beseitigen. Augenzeugen von Verschmutzungen bitte ich, dies dem Verursacher gegenüber entsprechend anzusprechen. Darüber hinaus zeigt der Ordnungsdienst täglich Präsenz in unserer Stadt und sorgt durch Ordnungsmaßnahmen für ein saubereres Stadtbild. Die Pico-Bello-Hotline sorgt nach Beschwerdemeldung schnellstmöglich für Abhilfe.

Cedric Mosters: Ist es überhaupt realistisch, das Schwimmen in der Ruhr wieder zu legalisieren? Wenn ja, ab wann und in welchem Umfang?

Kufen: Wieso denn nicht?! Ich kenne übrigens viele Menschen, die in früheren Jahren regelmäßig im Baldeneysee schwimmen waren und damals war die Wasserqualität bedeutend schlechter. Also ich hoffe, dass es spätestens bis zum Jahr 2017 im Rahmen der Grünen Hauptstadt wieder möglich sein wird.

Paß: Die Wasserqualität der Ruhr ist in den letzten Jahren immer besser geworden, auch wenn die hygienische Qualität noch stark schwankt. Trotz offener Fragen ist es ein realistisches Ziel, spätestens im Jahr 2017 als Grüne Hauptstadt in der Ruhr oder im Baldeneysee an drei Stellen schwimmen zu können.

Wie schützen Sie Krayer vor PCB-Belastung?

Jörgen Weigt: Was würden Sie zum Schutz der Bürger unternehmen, damit die PCB-Belastung in Essen-Kray zurückgeht?

Kufen: Ich will, dass auch die Menschen in Kray gut und sicher leben. Das Umweltamt muss dafür jetzt die Luftproben in Essen-Kray verstärken, um die Bevölkerung frühzeitig vor möglichen Gefahrensituationen warnen zu können. Dabei werde ich den Fokus besonders auf Schulen und Kindergärten legen. Entscheidend für das weitere Vorgehen ist aber vor allem das laufende Gerichtsverfahren. Um weitere Maßnahmen durchführen zu können, bleibt das Ergebnis dieses Verfahrens abzuwarten.

Paß: Die auf Initiative meines Umweltamtes gemeinsam mit dem LANUV und der Bezirksregierung Düsseldorf durchgeführten Untersuchungen identifizierten die Firma Richter als alleinigen Verursacher der erhöhten PCB-Belastungen in Kray. Damit ist überhaupt erst die Grundlage für die Bezirksregierung (zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde) geschaffen worden, mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen die Firma vorgehen zu können. Die eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sind aufgrund der Klage der Firma Richter durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen noch nicht abschließen entschieden.

Fragen zum Jobcenter und zur Stadtverwaltung

Larissa Becker: Wie gedenken Sie als Chef der Verwaltung der Stadt Essen die Personalproblematik sowie die hohe Arbeitsbelastung im Jobcenter zu bekämpfen?

Kufen: Ich werde dafür sorgen, dass das Budget, das der Stadt Essen vom Bund zur Verfügung gestellt wird, auch vollständig für ausreichendes Personal eingesetzt wird. Der jetzige Oberbürgermeister hat seit 2012 – seit wir Optionskommune sind – dies nicht getan und jedes Jahr über vier Millionen Euro wieder an den Bund zurückgegeben. Wenn das Jobcenter für dieses Bundesgeld Personal einstellt, belastet es nicht den städtischen Haushalt, verbessert aber nachhaltig die Möglichkeiten des Jobcenters, Aufgaben schneller zu erledigen.

Klaus Husmann: Was gedenken Sie im Falle Ihrer Wahl zum Oberbürgermeister gegen Vetternwirtschaft und Korruption in der Verwaltung der Stadt Essen und deren angeschlossenen Unternehmen zu unternehmen?

Kufen: Klare Regeln und Transparenz. Als Oberbürgermeister gilt für mich: Erst die Stadt, dann die Partei.

Fragen zu Wahlkampf, Wahlplakaten und Parteikarriere

André Schuber: Versprechen Sie, dass spätestens drei Tage nach der Stichwahl alle Wahlplakate im Stadtbild verschwunden sind und diese nicht, wie nach vergangenen Wahlen, wochen-/monatelang vor sich hinmodern?

Paß: Die Vorgabe ist, dass alle Plakate innerhalb einer Woche nach der Wahl beseitigt sein müssen. Verantwortlich dafür sind die Parteien. Für die Parteien kann ich nicht sprechen. Die SPD wird sich an die Vorgabe halten. Bei Nichtbeachtung drohen Ordnungsgelder.

Ulrike Steins, Winfried Bürvenich, Hildegard Pelzer: Ihre gesamte Biografie ist maßgeblich durch Parteiposten und politische Mandate geprägt. Wie wollen Sie Oberbürgermeister für alle Essener sein, unabhängig von Ihrer Partei, wie Sie stets betonen? Was qualifiziert Sie, einen großen Konzern wie die Stadt zu leiten?

Kufen: Ihre erste Feststellung teile ich nicht. Ich habe zunächst im elterlichen Betrieb meine Ausbildung gemacht und dort bis zu meinem Einzug in den Landtag gearbeitet. Als Integrationsbeauftragter der Landesregierung habe ich im bevölkerungsreichsten Bundesland eine wichtige Ombudsfunktion für Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte wahrgenommen. Ein Oberbürgermeister muss zuhören, verstehen und dann machen.

Markus Stockmann: Was kostet eigentlich Ihr Wahlkampf?

Kufen: Geld, das nicht aus öffentlichen Kassen kommt. Da kann ich Sie beruhigen. Der Wahlkampf wird ausschließlich aus Spenden finanziert. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich zur genauen Höhe keine Angaben machen kann.

Paß: In der Presse wurde von 150.000 Euro berichtet. In diesem Wahlkampf haben wir bewusst auf „Plakatwälder“ und „Plakat-Alleen“ verzichtet. Es gab auch keine teuren Großveranstaltungen mit Berliner Prominenz oder vielen exklusiven Kandidatentreffen mit professioneller Moderation oder anderen Extras. Meine Plakatmotive stehen zum Teil für Gemeinschaft in unserer Gesellschaft und allgemeine Werte unseres Zusammenlebens, von denen ich mich leiten lasse.

Frage zur Lärmbelästigung durch den Flughafen Düsseldorf

Helmut Brecklinghaus: Der Flughafen Düsseldorf will seine Kapazitäten um 60 Flüge pro Stunde erweitern. Die Lärmbelästigung ist gerade in den Abend- und Nachtstunden und bei Westwind unerträglich. Was wollen Sie dagegen tun?

Kufen: Der Flughafen Düsseldorf hat eine große Bedeutung für die Region Rhein-Ruhr, aber auch die von den Starts und Landungen betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Essen haben ein Recht auf Ruhe in den Nachtstunden. Daher habe ich mich auch klar und deutlich gegen die Kapazitätserweiterung beim Düsseldorfer Flughafen ausgesprochen. Sollte der Flughafen Düsseldorf seine Kapazitäten tatsächlich um 60 Flüge pro Stunde erweitern wollen, werde ich als Oberbürgermeister alle rechtlichen Schritte nutzen, um die Interesse der Essenerinnen und Essener zu wahren.

Paß: Ich bin an meinem Wohnort selber von den Auswirkungen des Flughafens betroffen und kann Ihre Kritik gut verstehen. Die ablehnende Position der Stadt zur vorgesehen Betriebsgenehmigung steht fest. Natürlich halte auch ich daran fest.

Fragen zur eigenen Kompetenz und zum Privatleben

Herr Seel: Warum haben Sie sich vor der Wahl als Homosexueller geoutet?

Kufen: Ich habe mich nicht erst im Wahlkampf geoutet. Das war auch nicht nötig, weil ich nie einen Hehl daraus gemacht habe. Wenn mich jemand gefragt hat, habe ich eine ehrliche Antwort gegeben.

Helga Dohmen: Wie halten Sie es mit der Religion?

Kufen: Ich bin ein gläubiger Mensch. Römisch-katholisch.

Paß: Religion ist für mich Privatsache, wobei ich jedoch überzeugt bin, dass ein festes Wertegerüst, egal aus welchen Quellen es sich speist, für jeden Menschen unabdingbar ist. Ich selbst bin Katholik. Mein Wertegerüst ist christlich. Der Besuch von Gottesdiensten ist mir ein persönliches Bedürfnis – als Oberbürgermeister und auch privat – dann aber eher bei den höchsten Feiertagen.

Norbert Jung: Ein Bürgermeister hat das Geld, das er als Mitglied eines RWE-Aufsichtsrates verdient hat, seiner klammen Kommune geschenkt. Was machen Sie mit Ihren Einkünften als Aufsichtsratsmitglied?

Paß: Vermutlich hat der besagte Bürgermeister seine RWE-Aufsichtsratseinkünfte an die Gemeinde abführen müssen. Ich selbst bin nicht im Aufsichtsrat der RWE-AG. Eine komplette Übersicht über meine Nebeneinkünfte veröffentliche ich jedes Jahr auf www.essen.de auf der Seite des Oberbürgermeisters. Von allen Nebeneinkünften führe ich den gesetzlich vorgesehenen Teil an die Stadt ab. Darüber hinaus spende ich einen großen Teil der Einkünfte aus zwei privaten Aufsichtsratstätigkeiten für gemeinnützige Zwecke. Das ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Herbert Zemke: Welches ökonomische Wissen und welche ökonomischen Kompetenzen bringen Sie in einen Aufsichtsrat mit ein, um Ihre dortigen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen?

Kufen: Ich bin gelernter Kaufmann und stamme aus einer Unternehmer-Familie. Ein ordentlicher Kaufmann weiß, dass Erwirtschaften vor dem Verteilen kommt. Und ich weiß auch, dass man ohne Investition nichts verdienen kann. Ich will aus dem Rathaus kein Unternehmen machen, aber ich denke, dass unternehmerisches und eigenverantwortliches Handeln in der Politik wichtig sind.

Paß: Ich war vor meiner Wahl im Jahr 2009 über 32 Jahre in einem konzernangehörigen technischen Dienstleistungsunternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern tätig, davon mehrere Jahre als leitender Angestellter und drei Jahre als Betriebsratsvorsitzender. Betriebswirtschaftliche Fragen gehörten zum Tagesgeschäft. Über elf Jahre war ich in dem Unternehmen Aufsichtsrat. An mehreren Organisationsveränderungen und einer Sanierung des Unternehmens habe ich an mitverantwortlicher Position mitgearbeitet und weitere Kompetenzen und Erfahrungen gewonnen, die mir in meinem Amt hilfreich sind.

Warum keine OB-Wahl 2014, Herr Paß?

Ilse Brett, Herr Seel: Warum haben Sie abgelehnt, die OB-Wahl mit der Kommunalwahl letztes Jahr zusammenzulegen? Dadurch hätte die Stadt 400.000 Euro einsparen können.

Paß: In 2009 habe ich den Auftrag für sechs Jahre bekommen, mich als Oberbürgermeister um die Belange der Stadt Essen zu kümmern. Das nehme ich sehr ernst und habe mich nach sorgfältiger Abwägung entschieden, diesen Auftrag bis 2015 zu erfüllen. 50 Prozent der Amtsträger in NRW haben so entschieden. Die Verantwortung dafür liegt in dem Gesetz der CDU/FDP-Landesregierung aus dem Jahr 2007. Resultierende Kosten sind damals billigend in Kauf genommen worden. Dennoch sind es Demokratiekosten. Gleiches gilt für jedes zulässige Bürgerbegehren, ohne die dadurch ausgelösten Kosten als Argument in Betracht zu nehmen.

Norbert Schlegel, Dietmar Husemann: Sie sind Landtagsabgeordneter. Werden Sie dieses Mandat behalten, falls Sie am 27. September zum neuen OB gewählt werden und wenn ja, glauben Sie beiden Ämtern gleichzeitig gerecht werden zu können?

Kufen: Ich werde mein Mandat selbstverständlich zurückgeben, beide Ämter sind nicht miteinander vereinbar.

Frage zu Zirkus-Gastspielen in Essen

Petra Hengescheidt: In vielen Städten sind Wildtiere und deren Präsentation im Zirkus verboten. Wie stehen Sie zu einem solchen Verbot?

Kufen: Für mich steht fest: Tierquälerei ist eine Straftat und muss konsequent verfolgt werden. Vom Aussterben bedrohte Tiere sollten nicht im Zirkus auftreten. Der Zirkus hat aber eine lange Tradition. Daher sollten wir den Menschen, die sich hierfür interessieren, auch den Spaß an einem Zirkusbesuch nicht nehmen. Wir brauchen eine tragfähige Lösung, die sowohl den Schutz und die Haltung der Tiere, als auch die Attraktivität einer Zirkusveranstaltung berücksichtigt.

Paß: Als Mitglied des Tierschutzvereins Essen stehe ich der nicht artgerechten Haltung und der Präsentation von Wildtieren sehr kritisch gegenüber. Ein Verbot ist aber grundsätzlich Sache der Gesetzgeber. Bisher ist ein solches Verbot der Präsentation von Wildtieren in der Gesetzgebung nicht vorgesehen. Ordnungsrechtliche Maßnahmen der Kommune könnten hier nur ein Behelfsinstrument sein, eigentlich muss der Bund als Gesetzgeber im Bereich des Tierschutzes aktiv werden. Die Ausführung liegt dann in der Landesverantwortung, während wir im Bereich des Tierschutzes keine Handhabe haben.

Fragen zu Bauplänen für die Admiral-Scheer-Straße

F.J. Pohl: Gerüchteweise heißt es, der jetzige Parkplatz an der Admiral-Scheer-Straße am Stadtgarten würde bebaut. Stimmt das? Wann werden wir Nachbarn informiert?

Kufen: Aktuell ist auf der Admiral-Scheer-Straße keine Bebauung geplant, genauso wenig gibt es einen Investor. Dennoch gehört die Admiral-Scheer-Straße zu den Standorten, die auf Antrag der Fraktionen von SPD und CDU von der Verwaltung als Flächenvorschlag für das Konzept „Bedarfsgerechte Flächenentwicklung“ für eine Wohnbebauung geprüft werden sollen. Die Anwohner werden sofort informiert, wenn das Ergebnis der Prüfung vorliegt.

Paß: Die Stadt Essen sucht derzeit nach Flächen für Wohnbebauung und der Parkplatz an der Admiral-Scheer-Straße könnte eine solche Fläche sein. Das wird derzeit geprüft. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung wird in seiner nächsten Sitzung darüber entscheiden, ob die Stadtverwaltung auf dieser Fläche entsprechend planen soll. Entscheidet er positiv, wird die Stadtverwaltung ein Bebauungsplanverfahren beginnen, in dessen Verlauf auch die Bürger beteiligt werden.

Fragen zu Bürgerentscheiden und zur Bürgerbeteiligung

Björn Ahaus: Sie haben nach dem verlorenen Messe-Bürgerentscheid sinngemäß gesagt, das Quorum sei zu niedrig (das die eigene Landesregierung kurz vorher gesenkt hatte) und müsse wieder angehoben werden, obwohl die Beteiligung für einen Bürgerentscheid gut war. Meine Frage: Ist das Ihr Verständnis von Demokratie und Bürgerbeteiligung?

Paß: Die sinkende Beteiligung an Bürgerbegehren und Kommunalwahlen ist sehr besorgniserregend. Wenn sich nur noch ein Drittel oder weniger an Entscheidungen beteiligt, hat dies auch direkten Einfluss auf die demokratische Legitimation der Entscheidung beziehungsweise die Legitimation des oder der Gewählten. Ja, ich halte ein höheres Quorum für sinnvoll, so wie zum Beispiel in Berlin, wo mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten einem Volksentscheid zustimmen müssen. Nur eine hohe Beteiligung sorgt dafür, dass nicht Minderheitsinteressen gegen die Mehrheit durchgesetzt werden. Demokratie darf nicht zum Zufall werden, sondern braucht belastbare Mehrheiten.

Björn Ahaus: Sie sprechen viel davon, besser kommunizieren zu wollen – wie wollen Sie die Bürger an Fragen der Stadtentwicklung und -politik beteiligen?

Kufen: Wenn Bürgerinnen und Bürger sich beteiligen können, tun sie es oft nicht – und wenn sie es wollen, können sie es oft nicht mehr. Wir brauchen neue Beteiligungsformen. Also Schluss mit bloßem Aushängen und Auslegen von Plänen, sondern aktive Ansprache von Bürgerinnen und Bürgern in den Stadtteilen. Aktiv einladen und einbinden. Und zwar am Anfang der Planungsphase.