In ihrem Laden „Wohngemeinschaft” bietet Judith Haselroth Kreativen eine Plattform. Hier bietet sie auch Wendepuppen einer Nachbarin an.

Textilien, sagt Judith Haselroth (36), haben mit Menschen zu tun. Darum hat sie Textilwissenschaft plus Psychologie studiert. Und im April etwas realisierte, bei dem sie mit „Herzblut” dabei ist: Sie eröffnete ihre „Wohngemeinschaft”. Der Laden erhielt bei „Essens kreative Klasse” einen Newcomer-Kreativ-Preis. Die Kreative bietet in der Annastraße 51 Kreativen eine Plattform. „Vernetzung und Kooperation sind wichtig.”

Der Preis macht ihr Mut: „Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession fragt man sich ja doch, ob man das Richtige gemacht hat.” Denn ihr 120 Quadratmeter großes Geschäft, in dem sie auch die Wendepuppe von Wil Borgmann anbietet, die in der Annastraße wohnt, liegt extra so, dass sich Laufkundschaft hierher nicht verirrt. „Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert gut. Teils kommen Kunden aus Bottrop”, so Haselroth, die preislich von kunstvollen Ein-Euro-Artikeln bis zum Designer-Sofa alles anbietet. Da wäre beispielsweise der Adventkalender „Heilg's Schächtle” mit vier Kerzenhaltern, vier Kerzchen, vier Streichhölzern. Oder der im Pillenverpackungsstil – vorne drauf eine schwangere Maria.

Arbeiten, sagt Julia Haselroth, tut sie eigentlich immer. „Es ist schön, dass inzwischen viele Kreative hierher kommen und fragen, ob ich ihre Sachen anbiete. Aber gleich ob ich eine Zeitschrift lese oder Bahn fahre, stets suche ich nach Neuem.”

Kinderkleider, Schlüsselanhänger, Wohnaccessoires, Geburtstagskrönchen, ein Schlitten als Schaukelpferd von einem Tischler aus Süddeutschland, Bekleidung des hiesigen Labels Tollkirsche, Ruhrpott-Schokolade, Frühstücksbrettchen einer Behindertenwerkstatt, Handytaschen, Badesalz, Aufnäher, Westfalen-Stoffe, Draußen-Nur-Kännchen-Kannen, Gemüseschrubber, die einst T-Shirts waren: Wer in der „Wohngemeinschaft” bummelt, braucht Zeit. „Individualität ist wichtig. Ich lasse die Menschen in Ruhe schauen, berate, wenn gewünscht. Mit meinem Freund, der Architekt ist, richte ich Räume ein.” Taschen im Tornister-Stil fertigt sie selbst.

Am Anfang war übrigens der Ort: „Die Idee der Selbstständigkeit hatte sich erst gefestigt, als ich hier das Ladenlokal entdeckte. Die Rohbauarchitektur ist super.” Heute hat die „Wohngemeinschaft” übrigens bis Mitternacht geöffnet. „Alle machen eine Weihnachtsfeier. Ich möchte auch eine. Eine Band spielt, es gibt Glühwein und Waffeln.”