Essen. . Politiker lehnen Reduzierungen für die Essener Verkehrsgesellschaft Evag von jährlich zehn bis 20 Millionen Euro ab.

Vor einer (Stich-)Wahl sind Versprechen meist mit Vorsicht zu genießen. Und dennoch freute sich am Dienstag der grüne Ratsherr Rolf Fliß über die „wundersame Kehrtwende“ bei der Spardebatte im Nahverkehr. Im Lenkungsausschuss ÖPNV lehnten die Vertreter von CDU, SPD, Grüne und Linke einhellig Kürzungen beim Angebot der Essener Verkehrsgesellschaft Evag ab. Fliß: „Alles hat sich plötzlich in Wohlwollen aufgelöst.“

Für den Planungsdezernenten Hans-Jürgen Best muss dies wohl überraschend gekommen sein. Er war es, der vorgeschlagen hatte, vier Szenarien für die künftige Ausstattung der Evag von einem Wirtschaftsprüfer untersuchen zu lassen. Doch bei den beiden letzteren Varianten, den jährlichen Zuschuss an die Evag, um zehn beziehungsweise 20 Millionen Euro zu kürzen, machten die politischen Vertreter im Lenkungsausschuss deutlich, dass sie zu solch drastischen Schritten nicht bereit seien. Da könne man das Geld für den Gutachter gleich sparen, hieß es.

CDU-Ratsherr Friedhelm Krause sprach gegenüber der NRZ gar von Horror-Szenarien. „Die würden deutliche Leistungseinschränkungen bedeuten“. Krause plädierte dafür, zumindest den „Status quo“ beizubehalten. „Wir brauchen einen qualitativ guten Nahverkehr in Essen. Da passen die Reduktionsszenarien einfach nicht in die Landschaft.“ Der Christdemokrat erinnerte in diesem Zusammenhang an die Zusage der Ruhr-Metropole bei der Bewerbung um die „Grüne Hauptstadt Europa“, den Anteil des Bahn- und Busverkehrs auf Essens Straßen von 19 auf 25 Prozent zu erhöhen. „Das ist mit solchen Einsparungen nicht möglich.“

SPD-Fraktionschef Rainer Marschan erklärte am Nachmittag per Pressemitteilung, dass man „ein Kaputtsparen des öffentlichen Nahverkehrs in Essen“ nicht unterstützen werde.“ Hier stehe man an der Seite von OB Reinhard Paß, „der das genauso sieht“, so Marschan.

Das klang vor wenigen Monaten noch etwas anders. War es doch die Stadtspitze, die die Evag aufforderte, den Gürtel enger zu schnallen. Nun aber erhält die Gewerkschaft Verdi plötzlich Post vom OB persönlich. Der schrieb: „Auch in Zeiten knapper Kassen ist eine Reduzierung des Nahverkehrsangebotes für mich nicht verhandelbar.“ Der Vorwurf, dass er eine (Teil)-Privatisierung betreibe, sei die „Folge eines Missverständnisses“. Er habe auf einer Podiumsveranstaltung beim Bund deutscher katholischer Jugend lediglich gesagt, dass man bei einer Angebotsverbesserung auch darüber nachdenken solle, auf Private (etwa Taxibusse) zurückzugreifen. Am Wahlabend hatte sich Paß noch allgemeiner ausgedrückt. Es sei nicht sein Wunsch, den öffentlichen Nahverkehr zu reduzieren. Aber man müsse „das Angebot von Privaten prüfen.“

SPD-Fraktionschef Rainer Marschan schloss nicht nur eine Privatisierung, sondern auch betriebsbedingte Kündigungen bei der Evag aus. Die Stadt und die EVV-Holding, zu der die Evag gehört „müssten andere Wege“ zur Haushaltskonsolidierung finden.“