„Gegen den Strom“ heißt in diesem Jahr die gemeinsame Stoßrichtung. Essens Kulturrichtungen organisieren unter diesem Motto den gemeinsamen Auftritt und entdecken gleichzeitig ihr Herz für die „Originale. Exzentriker. Nonkonformisten“. Schon seit Jahresbeginn wird unter diesem Titel ein Programm präsentiert, das nicht nur den Schatten der künstlerischen Avantgarde berücksichtigt, der ab Oktober im Museum Folkwang ausgestellt wird und der Reihe ihren Obertitel gegeben hat. Auch literarische und musikalische Originale fanden schon ihren Platz, und im Stadtarchiv läuft seit einigen Wochen mit Erfolg die Schau“ über „Außenseiter in der Geschichte“, von den Hexen der Frühen Neuzeit bis zur Hippie-Bewegung der 1960er-Jahre.

Nun liegt das gemeinsame Programm der zweiten Jahreshälfte vor. Und für viele der beteiligten 18 Kultureinrichtungen vom Kulturzentrum Grend bis zum Schauspiel Essen, vom Folkwang Kammerorchester bis zum Schloss Borbeck hat sich die Kooperation bereits so weit bewährt, dass man schon an Themen für die nächsten zwei Jahren arbeitet. Dabei geht es nicht nur darum, ein Thema möglichst facettenreich auszuleuchten und dem Publikum die Vielfalt der Essener Kulturszene über den gemeinsamen Leitfaden deutlicher vor Augen zu führen. Viele der Kulturanbieter schätzen den inhaltlichen Dialog und die Möglichkeit, sich gegenseitig besser kennenzulernen. Beispielsweise beim Austausch in der Studio-Bühne in Kray, deren spezielle „Wohnzimmer“-Einrichtung ja schon optisch eine schöne Portion Nonkonformismus verströmt. Mit Camus’ „Die Gerechten“ wird man hier ab 24. Oktober Außenseiter im revolutionären Kampf zeigen. Und George Orwells düstere Überwachungsstaat-Utopie „1984“ wird im November Anlass für ein zeitkritisches Jugendtheaterprojekt sein, das in Zeiten von Facebook nichts an Brisanz verloren hat.

Das Kulturbüro hat die Federführung übernommen, ohne aus dem ohnehin knappen Kulturetat allerdings zusätzliche Mittel abzwacken zu können. „Wir kommen nicht mit Geld“, sagt Bernd Mengede, Leiter des Kulturbüros. Allerdings erscheint das gemeinsame Programm in einer Auflage von rund 15 000 Stück und dürfte für breite Aufmerksamkeit sorgen. Die Broschüre gibt Ausblick auf ein vielfältiges Angebot, vom „Free Essen Festival“, das vom 21. bis 23. September im Goethebunker steigt und die ganze Bandbreite heutiger Avantgarde- und Improvisationsmusik vorstellt bis zum Vortrag über den „Ägyptenfeldzug Napoleons“, der am 7. November in der Volkshochschule betracht wird, allerdings nicht unter dem militärischen Aspekt, sondern unter dem wissenschaftlichen. Das Musik-Kabarett-Duo „Zärtlichkeiten mit Freunden“ unterläuft auf Zeche Carl vergnüglich die Genre-Gesetze (21. November), während Christoph Johannes Lörler in der Stadtbibliothek „gegen den Strom fotografiert“. Die Arbeiten sind ab 27. Oktober zu sehen.