Essen.. Künstler, Flüchtlinge und Kita-Kinder gestalten gemeinsam den Auftritt der „Arche Noah“. Projekt wirbt für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt über alle Herkunfts- und Religionsgrenzen hinweg

Die traurigen Bilder hat er immerzu im Kopf, aber malen will Kikoun Kalsh etwas anderes. Sein Bild zeigt bunte Blumen und grüne Wiesen. Ein kleines Quadrat kreativen Freiraums, um ein zuversichtliches Lebensbild zu entwerfen, das weit entfernt liegt von Armut, Elend und Bedrohung der Vergangenheit. Es ist Teil einer großen Gemeinschaftsaktion, mit der das Integrations-Projekt „Arche Noah“ in diesen Tagen stadtweit zum Mitgestalten auffordert. In Kindertagesstätten und Flüchtlingsheimen, aber auch in Ateliers der Stadt werden derzeit Planken bemalt, die sich am 18./19. September auf dem Kennedyplatz zur Arche Noah formieren.

Kikoun Kalsh hat gerne mitgemacht, als im Flüchtlingsheim an der Grimbergstraße Pinsel und Farbe ausgeteilt wurden. „Eine willkommene Abwechslung vom Alltag“, weiß Sozialarbeiter Class Jörges, der das Flüchtlingsheim seit März für die Diakonie betreut und alle 140 Bewohner ermuntert hat, sich an der Aktion zu beteiligen und eines der 35 Kästchen auszumalen. Die Kooperation mit der „Arche Noah“ währt dabei schon länger. Doch in diesem Jahr hat das interreligiöse Kulturprojekt eine ganz besondere Bedeutung bekommen und es will eine Vision in die Stadt tragen: Von einer Stadt frei von Rassismus und Diskriminierung, in der ein jeder dem anderen hilft.

Der Essener Künstler Jörg Meuser, der sich neben Kreativen wie Mechthild Frölich, Gigo Propaganda oder der Banda Senderos ebenfalls beteiligt, kennt das Gefühl, an einem Punkt des Lebens noch mal ganz neu anzufangen. Vor fünf Jahren hat der Schlosser und Kaufmann, der auch an der Fachhochschule Gestaltung gelernt hat, „auf den Reset-Knopf“ gedrückt“ und die wirtschaftliche Sicherheit des geordneten Berufslebens aufgegeben, um sich doch noch mal „ganz auf die Kunst zu stürzen“. Meuser steht inmitten seines Ateliers an der Steeler Straße, das er als „artgerechte Unterbringung“ beschreibt. Schraubstock und Werkbank zeugen noch von der früheren Nutzung als Schreiner-Werkstatt. Mit filigranem Pinsel und zarter Farbe hat es der 54-Jährige ohnehin nicht so. „Metall, da war ich am austrainiertesten“, sagt Meuser über seine bevorzugte Materialwahl. Aber wie er mit dem Metall spielt und seine farbflirrenden „ferromagnetischen Manipulationsobjekte“ kreiert, das hat Grandezza. Die steckt auch in den kreativ aufgebockten Schuhen, die Dessau oder Olympia heißen und garantiert nicht zum Gehen da sind, höchsten zum Schaulaufen im Sammlerregal.

Im Steeler Stadtgarten hat er gerade eine Ausstellung. „Jörg Meuser. Sie wissen schon“. Im Stadtteil ist er schließlich bekannt, ein bunter Hund. „Ein Kind der 1970er“ ist er auch. Die kinetische Kunst hat in Meusers Werk einen festen Platz. Dazu gehört aber auch die Haltung, das politisches Engagement mit zum künstlerischen Dasein gehört. Deshalb war Meuser sofort dabei, als es um die Planken-Kunst ging. Seine Arbeit zeigt zwei Glücksräder, eine Heimat- und eine Asylscheibe. Wer sie bedient, merkt rasch, wie schwer es ist, die Vor- und Nachteile des Fortgehens abzuwägen. „Ich wünsche mir, dass die Leute mit Empathie ihr Urteil bilden, ohne Angst“, sagt der Essener. Veränderungen haben für ihn längst den Schrecken verloren.