Essen. CDU-Kandidat Thomas Kufen zu Wirtschaftsförderung und Flüchtlinksrise, Stilfragen und Reinhard Paß – und über seine Ziele.

Herr Kufen, der amtierende Oberbürgermeister hat mal bemerkt, zwischen Ihnen gäbe es inhaltlich kaum Unterschiede. Hat er Recht?

Thomas Kufen: Sicherlich ist Kommunalpolitik nicht sonderlich ideologisch aufgeladen. Aber es gibt dennoch Unterschiede, etwa in der Frage, wie wir politische Themen angehen. Ein OB, der nicht zum DGB geht, der nicht mit dem Essener Sportbund redet, der insgesamt einfach schlecht oder gar nicht kommuniziert, der ist wirklich die falsche Person für das Amt.

Das sind Stilfragen. Die sind nicht unwichtig, aber was ist mit Inhalten?

Kufen: Nehmen Sie den Komplex Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit. Da waren wir in Essen schon mal weiter. Die Szene am Willy-Brandt-Platz ist in der OB-Zeit von Herrn Paß entstanden. Unter seinem Vorgänger Wolfgang Reiniger ist die Doppelstreife eingeführt worden, die jetzt wieder zurückgeführt werden soll. Oder nehmen Sie das Thema Wirtschaft. Wir sind Energiehauptstadt, aber ich kann nicht sehen, dass wir daraus viel machen. Oder: Essen als Gesundheitsstandort. Mit 45 000 Beschäftigten ist der Gesundheitsbereich der größte Arbeitgeber in unserer Stadt. Wir haben es bislang nicht geschafft, diese Stärke so zur Geltung zu bringen, wie es angemessen wäre. Da lassen wir Potenzial liegen.

Was soll ein OB da machen? Wirtschaft findet nun mal in der Wirtschaft statt.

Lebensdaten des CDU-Kandidaten Thomas Kufen

Thomas Kufen wurde 1973 in Essen geboren. Nach dem Realschulabschluss 1991 absolvierte er eine Ausbildung im elterlichen Betrieb („Citroen Kufen“) als Bürokaufmann und war dort – unterbrochen durch einen zehnmonatigen Wehrdienst – bis zum Jahr 2000 tätig.

1988 trat Kufen der Jungen Union bei, ein Jahr später der CDU. Seit 1999 sitzt er im Rat der Stadt, von 2000 bis 2005 war er Mitglied des Landtages, von 2005 bis 2010 Integrationsbeauftragter der damaligen NRW-Landesregierung, 2012 wurde er erneut Landtagsabgeordneter. Seit 2009 ist er zudem Fraktionschef der CDU im Rat der Stadt und ist einer der Architekten des Viererbündnisses u.a. mit den Grünen.

Thomas Kufen lebt in einer gleichgeschlechtlichen festen Partnerschaft.

Kufen: Das stimmt nur halb. Ein Oberbürgermeister bestimmt die „Körperhaltung“ einer Stadt, wie sie Investoren begegnet oder Start-Up-Unternehmen. Oder nehmen Sie das Thema Wissenschaft: Essen ist eine Universitätsstadt, aber immer noch keine Studentenstadt. Wir sind die einzige Stadt mit über 500 000 Einwohnern, die weder ein Max-Planck-Institut noch ein Fraunhofer-Institut hat. All das scheint Herrn Paß nicht zu bekümmern. Es ist aber nun einmal so: Nicht Institutionen bringen Menschen zusammen, Menschen bringen Menschen zusammen. Das ist meine Stärke.

Vielleicht steckt ja mehr gar nicht drin. Kann es sein, dass Sie Essen ein bisschen überhöhen, um Paß dadurch klein zu machen?

Kufen: Keineswegs. Herr Paß hat es in sechs Jahren nicht geschafft, Essen so zu präsentieren, dass die Stadt von außen als besonders attraktiv empfunden wird – was sie meiner festen Überzeugung nach ist! Der OB muss Wirtschaftsförderer Nummer eins sein, er und kein anderer muss Stadt- und Standortmarketing machen. Das kann man nicht ausgliedern in städtische Gesellschaften. Ich bleibe dabei: Das Bild, das wir national und international abgeben, stimmt nicht mit dem überein, was wir an Stärken in dieser Stadt haben. Das hat auch mit dem OB zu tun.

Und deshalb reden Sie so viel über Kommunikation?

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Kufen: Wir werden Probleme nicht mit Geldgeschenken lösen – Geld haben wir nicht viel – sondern nur mit der Kreativität der Bürgerinnen und Bürger. Dafür muss ein Oberbürgermeister umfassend präsent sein, er muss die Menschen zusammenbringen, zuhören, verstehen und dann auch machen. Wenn ich den Kontakt nicht suche, dann läuft vieles eben nicht in unserer Stadt.

„Wir brauchen eine Regelung für die Staaten des Balkans“

Ohne Moos nix los, heißt es so schön. Da haben Sie doch dieselben schlechten Voraussetzungen.

Kufen: Ich bin seit 15 Jahren im Rat der Stadt und kenne die Finanzlage unserer Stadt sehr genau, da mache ich mir keine Illusionen. Natürlich kenne ich auch die Verpflichtungen in Richtung Bezirksregierung, denn im Gegensatz zu Herrn Paß habe ich allen Sparhaushalten zugestimmt. Aber Politik findet nicht nur im Rathaus statt. Wir dürfen nicht Ideen und Impulse abwürgen, wir müssen sie zusammenbringen – gerade in Essen gibt es doch ein vielfältiges bürgerschaftliches Engagement, das wird ja gerade in der Flüchtlingskrise deutlich.

Die Hilfsbereitschaft ist beeindruckend. Dennoch haben viele Menschen ein mulmiges Gefühl.

Kufen: Es gibt Grenzen der Aufnahmefähigkeit einer Stadt, die wir besser nicht austesten sollten. Wir sehen die Not, verhindern Obdachlosigkeit, öffnen unser Herz. Aber ich sage auch: Es werden nicht jedes Jahr so viele Menschen nach Deutschland kommen können. Wir brauchen eine Regelung für die Staaten des Balkans. Man muss sich das mal vorstellen: Das sind teilweise EU-Beitrittskandidaten! Der massenhafte Exodus aus diesen Ländern muss gestoppt werden, damit wir Platz für die Menschen haben, die vor Krieg und Verfolgung fliehen.

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Haben Sie Verständnis für die Ängste, die sich artikulieren?

Kufen: Ich habe sehr viel Verständnis, dass die Bürger sich Gedanken machen, wie es weitergeht. Sieben Zeltstädte - das ist schon eine andere Dimension als früher. Es ist nicht einfach zu vermitteln, dass etwa in Turnhallen jahrelang nicht renoviert wurde und jetzt, da Flüchtlinge vor der Tür stehen, Geld scheinbar keine Rolle spielt. Da werden wir als Politik erklären müssen, dass es sich um eine Notsituation handelt. Ich bin übrigens strikt dagegen, Turnhallen mit Flüchtlingen zu belegen. Wir brauchen die Turnhallen gerade auch, um Integration möglich zu machen – durch Sport.

„Zahl der arbeitslos Gemeldeten ist unter Herrn Paß gestiegen“

Die Asyl-Kosten sind für eine Stadt wie Essen besonders drückend.

Kufen: Deshalb müssen wir uns klar und deutlich zu Wort melden, bei Land und Bund. Wir helfen, aber die Kostenerstattung muss kommen. Schon jetzt fehlt uns doch das Geld für andere wichtige Investitionen, für Kitas und Schulen, Brücken und Straßen. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Das Land NRW erstattet nur 20 Prozent der Kosten. In Bayern sind es 100 Prozent. Das ist nicht hinnehmbar. Von Herrn Paß höre ich dazu nichts.

Themenwechsel: Sie betonen als Christdemokrat Ihre Wirtschaftskompetenz. Aber auch in der Ära Reiniger hat sich an der hohen Arbeitslosigkeit in Essen nichts geändert.

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Kufen: Ich bin Thomas Kufen und die Zahl der arbeitslos Gemeldeten ist unter Herrn Paß wieder gestiegen. Wir fallen nicht mehr positiv auf im Ruhrgebiet, wir stehen nicht viel besser da als Gelsenkirchen. Das ist mit Blick auf die wirtschaftliche Stärke unserer Stadt nicht befriedigend.

Aber wie wollen Sie das ändern?

Kufen: Wir müssen mehr auf die Wachstumsthemen setzen: Essen ist, wie gesagt, stark bei Gesundheit und Energie. Die Klammer für beide Megathemen heißt IT. Da ist unsere Universität spitze. Wir als Stadt müssen also Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen, dann entsteht Wachstum.

„Vor allem müssen wir aber auch Industrie wieder möglich machen“

Davon profitieren aber nicht die schlecht Qualifizierten, die jetzt arbeitslos sind.

Kufen: Wenn der Konsum steigt und die Nachfrage nach Dienstleistungen wächst, dann können davon auch Langzeitarbeitslose profitieren. Vor allem müssen wir aber auch Industrie wieder möglich machen. Die einseitige Fokussierung auf Dienstleistung in Essen war falsch. Da sind wir schnell bei der Flächendiskussion. Bisher hat die Verwaltung alle sieben Jahre fast ausnahmslos dieselben Flächen aus dem Hut gezaubert, dann geschaut, ob es vor Ort noch Proteste gibt. Ich wäre mehr für eine kleinteilige Vorgehensweise, mit Flächenkonferenzen auf Stadtteilebene, um einen Konsens zu erzielen, auch mit privaten Grundstückseigentümern. Es kann sicher auch nur um innere Verdichtung gehen, nicht um Flächenverbrauch auf Kosten der Lebensqualität. Das ist umweltpolitisch nicht zu verantworten.

DemokratieStichwort Umwelt: Die Grüne Hauptstadt ist auch von Ihnen begrüßt worden. Was erhoffen Sie sich?

Kufen: Schwimmen im Baldeneysee wäre ein schönes Symbolprojekt, das durch die Grüne Hauptstadt neuen Schub erhält. Die Essener sind dort geschwommen, als die Wasserqualität noch schlecht war und haben es überlebt. Jetzt ist die Qualität gut und sie dürfen nicht schwimmen – absurd. Dann geht es aber auch darum: Wie können wir für die Themen Energieeffizienz und Ökologie mehr EU-Fördermittel akquirieren. Ich würde alle Essener Abgeordneten regelmäßig an einen Tisch holen, ganz unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Wo gibt es spannende Initiativen, die wir für Essen erreichen können? Da können wir durch die Grüne Hauptstadt wichtige Erfahrungen sammeln, das ist der Wert dieses Etiketts.

„Mehr an Lebenserfahrung und Unabhängigkeit als Herr Paß einbringen kann“

Was qualifiziert Sie für das Amt? Der amtierende OB bemerkte jüngst, er verfüge über ein lange Lebens- und Berufserfahrung, während Sie mehr ein „Freier Künstler“ seien.

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Kufen: Er ist 18 Jahre älter, richtig. Ich habe zehn Jahre im mittelständischen Betrieb meiner Familie gearbeitet, war Landtagsabgeordneter, hatte eine Regierungsfunktion als Integrationsbeauftragter und eine verantwortliche Position bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ich könnte jederzeit in unseren Betrieb zurückgehen und fühle mich daher von der Politik nicht abhängig. Das ist mehr an Lebenserfahrung und Unabhängigkeit, als Herr Paß einbringen kann. Das Abgleichen von Biografien, wie es Herr Paß mir durch seine seltsame Bemerkung aufdrängte, führt aber zu nichts.

Warum nicht?

Kufen: Weil Oberbürgermeister kein Ausbildungsberuf ist, das Amt kann man auch nicht studieren. Es geht um die Person. Repräsentieren, Kommunizieren und Akquirieren - das sind die Kernkompetenzen eines Oberbürgermeisters. Insofern bewerbe ich mich in Essen auf eine freie Stelle.

Thomas Kufen: „Weniger Stadttöchter, mehr Kontrolle“

Die letzten Jahre waren auch geprägt von kommunalen Skandalen. Kann die CDU dabei überhaupt anklagend auftreten? Einige Christdemokraten hängen doch tief mit drin.

Kufen: Also: Bei der OB-Wahl geht es um Herrn Paß oder Thomas Kufen, nicht um Christian Hülsmann, Jutta Eckenbach oder Bernhard Görgens. Ich frage mich durchaus auch selbstkritisch, ob ich in der Vergangenheit alles richtig gemacht habe – übrigens im Gegensatz zu Herrn Paß, der länger EBE-Aufsichtsratschef war als Willi Nowack. Und auch der Griff in die Kassen des Museums Folkwang war doch nur möglich, weil Herr Paß Herrn Hillebrand die entsprechende Vollmacht gegeben hat. Wer Freifahrtscheine ausstellt, muss auch kontrollieren.

Kufen: „Paß schadet der gesamten Politik“

Hätten Sie als OB Herrn Hillebrand weiterbeschäftigt?

Kufen: Nein. Ich hätte eine Weiterbeschäftigung abgelehnt. Ihm stehen ja alle Rechtsmittel und der Klageweg offen. Ich hätte auch den damaligen EBE-Chef Klaus Kunze nicht über das 70. Lebensjahr verlängert, wie es Herr Paß vorhatte. Als Kunze dann von sich aus das Handtuch schmiss, wollte Herr Paß Herrn Hillebrand zum EBE-Chef machen. Das muss man sich mal vorstellen. Und wenn Herr Paß sich jetzt hinstellt und sagt, er habe keine Fehler gemacht, kann man nur den Kopf schütteln.

Trotzdem: Der OB zeigt umgekehrt auf Christian Hülsmann. Dass Ihr Parteifreund in der Stadion-Affäre keine sehr rühmliche Rolle spielte, ist Ihnen doch klar, oder?

Kufen: Weiß ich nicht. Aber es interessiert mich auch nicht. Für mich gilt: Erst die Stadt, dann die Partei. Mir ist die Parteizugehörigkeit derjenigen, die sich da rechtfertigen müssen, egal. Ich habe mich immer klar geäußert. Anders Herr Paß: So wie er mit diesen Themen umgeht – Motto: Es gibt nichts zu sehen, gehen Sie bitte weiter – schadet er der gesamten Politik. Der Bürger sagt sich doch: Es kann passieren was will, am Ende war es keiner. Keiner hat was bemerkt. Nur eines ist passiert: Wir sind um 3,8 Millionen Euro ärmer. Für eine Power-Point-Präsentation, wonach Rot-Weiss Essen jetzt in der zweiten Bundesliga spielen sollte. Das ärgert die Bürgerinnen und Bürger zu Recht. Wir brauchen einen Neuanfang. Weniger Stadt-Töchter, weniger Geschäftsführer, weniger Aufsichtsräte, mehr Kontrolle durch den Rat der Stadt – das ist mein Konzept.

Das Gespräch führte Frank Stenglein

Die Essener OB-Kandidaten bei Abgeordnetenwatch: