Zu den Dingen, mit denen wir Altmodische gerne alt werden möchten, zählen neue Programme von Max Raabe. Denn welches Neue sonst auf der Welt ist schon so gut wie das Alte davor? Nie kämen wir darauf, dem elegantesten aller deutschen Frackträger Etikettenschwindelei vorzuwerfen. Und doch kam uns altbekannt vor, was er Samstag einer andächtig lauschenden (mancher Klavierfestival-Star könnte neidisch werden ob solchen Zuschauerrespekts) Tausendschaft darbot.
Nennen wir es also neudeutsch ein Raabe-Remix, diesen am Ende frenetisch gefeierten Abend aus zwei Dutzend süß klingenden und mit herzenskenntnisreichen Gemeinheiten gespickten Liedern, die von Tahiti bis an den Stroganoff-Herd führen. Ach, Raabe, was für ein Schellack-Souverän: Diese Meisterschaft minimalistischer Moderation („Guten Abend“). Dieses immer noch federleicht schwebende Falsett, mit dem der nunmehr 52-Jährige auch schmalzige Verse aller Erdenschwere enthebt. Diese süchtig machende Grammophon-Diktion, mit der sich Raabe (am Flügel der treue Christoph Israel) so mimisch ausdruckslos wie vielsagend ein Wort wie „Herrenartikelgeschäft“ auf der Zunge zergehen lässt.
„Die Liebe kommt, die Liebe geht“ ist einer dieser Zeilen, die banal wären, hätte nicht ein Heer genialer, später oftmals vertriebener Begabungen dieser großartig kreativen 1920er Jahre ein Vielfaches an doppelten Böden in ihre Chansons gebaut. Man hört und wird vor lauter Glück ein bisschen traurig, weil Witz im Unterhaltungsbetrieb nie wieder solcher Goldstaub geadelt hat.
Zwei Stunden namens „Ein heißer Kuss, ein süßer Blick“ flogen in der Philharmonie an uns vorbei, beseelt von der Dankbarkeit über einen Entertainer, der sich treu bleibt. Sich ständig neu erfinden, das sollen bitteschön die Haltlosen. Man ist doch keine Madonna.