Inzwischen dürfte es auch dem letzten Kritiker aufgegangen sein: Das trotz anfänglicher Widerstände aus Amsterdam nach Essen importierte Hilfeprojekt „Pick up“ für schwer drogen- und alkoholabhängige Menschen ist – ganz nüchtern betrachtet – eine saubere Sache, nicht nur für die Teilnehmer, sondern auch für die Bürger und Besucher der Essener Innenstadt. Auf hunderten von Reinigungsgängen haben die Teilnehmer der Maßnahme, die seit nunmehr elf Monaten Arbeitsgelegenheiten für besonders arbeitsmarktferne Menschen bietet, Müll in einer Menge von der Straße geholt, die zig große Container der Entsorgungsbetriebe füllte. Und sie werden es weiterhin tun können, wenn sie denn wollen: Das zunächst auf ein Jahr befristete Programm wurde jetzt um ein Jahr verlängert, berichtete gestern Oliver Balgar von der Suchthilfe.

23 Abhängige mobilisiert

„Besonders am Willy-Brandt-Platz ist eine deutliche Verbesserung auszumachen“, heißt es in einem ersten Zwischenbericht der Essener Suchthilfe, die nach fast einem Jahr ein durchaus zufriedenes Fazit ziehen kann: 23 Schwerstabhängige konnten in den ersten zehn Monaten für das Projekt mobilisiert, die Hälfte von ihnen in weiterführende medizinische und soziale Hilfen vermittelt werden, einige schafften sogar den Sprung in eine eigene Wohnung. Für die Verantwortlichen sind das offenbar der guten Gründe genug, um „Pick up“ noch länger am Laufen zu halten. Auch wenn das nicht immer eine leichte Übung ist, wie Balgar sagt: „Es ist eine unheimliche Überzeugungsarbeit, die Leute an Land zu kriegen.“

Dass es dennoch funktioniert, spricht für das Konzept, für das sich inzwischen inzwischen umliegende Städte wie Oberhausen, Duisburg oder Bochum ernsthaft interessieren. Balgar erläuterte das Essener Erfolgsmodell in diversen Sozialausschüssen. Am Rhein schickte der Sozialdienst katholischer Männer die „Kölner Feger“ nach Essener Vorbild bereits auf die Straße. Und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, machte sich jetzt auf Einladung der Essener SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz ebenfalls ein Bild von der erfolgreichen Suchthilfe-Arbeit.

Nach einer Begehung des Druckraums an der Hoffnungstraße, in dem pro Jahr etwa 30.000 Portionen Drogen unter hygienischen und sicheren Bedingungen konsumiert werden, sprachen Mortler und Hinz mit den Teilnehmern des „Pick up“-Projektes. Dabei erfuhren sie, dass sich die Frauen und Männer wieder als Teil der Gesellschaft fühlten, seitdem sie zumindest zeitweise arbeiten, jeder nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Motivierend sei dabei die durchweg positive Resonanz, die sie von Passanten auf ihre Arbeit bekommen. Ihr Dasein habe dadurch wieder einen Sinn, sie trinken tagsüber weniger und denken durchaus darüber nach, wie sie ihr Leben verändern können. Und das ist am Ende der wohl größte Erfolg von „Pick up“.