Das exklusive Debatten-Duell zwischen SPD-OB Reinhard Paß und CDU-Herausforderer Thomas Kufen war ein Parforce-Ritt durch Essens politische Landschaft – und zeigte zwei Wahlkämpfer von ihrer taktischen Seite.
So, jetzt wissen wir’s.
Dass der Amtsinhaber drei Zentimeter größer ist und der Herausforderer knapp 18 Jahre jünger. Dass Reinhard Paß zwar auf Anhieb treffend schätzen kann, wie teuer ein Evag-Fahrschein kommt, beim Schuldenzuwachs pro Stunde aber passen muss. Während Thomas Kufen sich bei der Zahl der Freibäder genauso verhaut wie bei den Kindergärten und auswärtigen Gästen nur eine Ecke dieser Stadt nicht zu zeigen traut: sein unaufgeräumtes Arbeitszimmer.
Aber wissen die unentschiedenen unter den gut 500 Gästen im überfüllten Saal der Volkshochschule nach gut zweieinhalb Stunden Debatte endlich auch, wer (für sie) der bessere Oberbürgermeister ist?
Immerhin, den Versuch war’s wert, das Duell schweißtreibend – vor allem für die geduldige Zuschauerschar, die zu Dutzenden mit Stehplätzen vorlieb nehmen musste. Denn weil OB Paß diverse andere Debatten-Angebote, etwa des DGB oder des Sportbunds, ausgeschlagen hatte („Ich lasse mir keine Termine diktieren“), geriet der Diskussionsabend von NRZ und VHS zum exklusiven Schlagabtausch der beiden aussichtsreichsten OB-Kandidaten.
Wo so viel Gewicht auf einem Abend lastet, da fällt das Lockersein schwer – und deshalb hatten beide Seiten ihre „Schlachtenbummler“ aus der Partei mitgebracht. Oder wie ein Facebook-Spötter meinte: „ihre Großfamilien“. Was es selbstredend schwer macht zu urteilen, ob der eine oder andere vermeintliche Wirkungstreffer nicht nur ein von den eigenen Leuten heftig beklatschter Schlag ins Leere war.
Paß hat an diesem Abend solche Momente, etwa wenn er die Frage in den Raum stellt, warum die CDU in zehn Jahren am Drücker keinen konsequenteren Sparkurs fuhr. Und Kufen, wenn er dem Amtsinhaber im Gegenzug vorwerfen kann, das Zig-Millionen-Desaster bei den Krediten in Schweizer Franken beinahe noch verdoppelt zu haben, hätte der Rat ihn nicht gestoppt.
Um genutzte oder verpasste Gelegenheiten geht es oft an diesem Abend, bei dem die Moderatoren Thomas Becker und Ulrich Führmann einen Parforce-Ritt durch Höhen und Tiefen der Essener Polit-Landschaft unternehmen: zwischen Flüchtlingen und Finanzen, grüner Hauptstadt und blauen Briefen für den Sportbund, zwischen EBE-Skandal und GVE-Gehabe.
Es ist ein Streit zweier Politiker, die „auf jeden Topp ‘n Deckel haben“, wie man im Ruhrgebiet so sagt, die aber unterschiedliche taktische Konzepte fahren: Wo der OB nach sechs Jahren Amtszeit bei sich „keinen konkreten Fehler“ erkennen kann, räumt Kufen ein, er habe die Vorgänge bei den Entsorgungsbetrieben wohl zu lange schleifen lassen.
Paß redet länger, wird auch bei langatmigen technokratischen Erläuterungen zur Struktur der städtischen Beteiligungen nicht gebremst. Kufen verdichtet seine Positionen zu Schlagzeilen, zeigt sich im Zweifel eher staatsmännisch als bissig. Und wird nur an einer Stelle richtig fruchtig – als Paß ihm vorwirft, in seiner Biografie allzu früh auf (Partei-)Politik gesetzt zu haben. Und nun als „freier Künstler“ umherzuschweben, während er Amtspflichten zu erledigen habe. Ein Landtagsmandat als Chill-Out-Zone? Das legen auch diverse Zuschauer dem OB als ziemliche Arroganz aus, während Kufen SPD-Chefin Britta Altenkamp im Saal als Verbündete vereinnahmt: Auch sie teilt die Biografie einer Polit-Karriere von Jugendtagen an.
Sollte man als OB also lieber mehrere Jahre in Unternehmen gearbeitet haben? So wie Paß als Diplomingenieurchemiker und später als Betriebsrat? Man sollte, hält der CDU-Herausforderer entgegen, vor allem das Gespräch suchen, Kufens heftig beklatschter Dauervorwurf an Paß: Dass der nicht genug rede, mitunter nicht einmal mit den Leuten aus der eigenen Partei. Kufen würde kommunizieren, sagt er – mit dem durchaus willkommenen Nebeneffekt, jetzt nicht gleich jeden seiner politischen Pläne mit konkreten Maßnahmen unterlegen zu müssen.
Ob das reicht an politischem Gewicht, um die OB-Wahl zu gewinnen blieb an diesem Duell-Abend offen. Immerhin, das andere kennen wir ja jetzt: 81 Kilogramm.