Essen. . Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an Essener Schulen aufgenommen werden, steigt. Zwei Schülerinnen erzählen, was sie in Deutschland vorhaben.

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die als sogenannte „Seiteneinsteiger“ – also ohne Deutschkenntnisse – an Essener Schulen aufgenommen werden, wächst weiter. Allein in den sechs Wochen von Anfang Juli bis Mitte August zogen 248 schulpflichtige Kinder zu, „die einen Migrationshintergrund haben“, heißt es in einer aktuellen Vorlage, mit der sich in der kommenden Woche der Schulausschuss beschäftigt.

Zu den Schulen, die derzeit wohl mit am meisten Kinder und Jugendliche aus Krisengebieten aufnimmt, zählt das Hugo-Kükelhaus-Berufskolleg, das im Schatten des Evonik-Hochhauses an der Gärtnerstraße sitzt.

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„Internationale Förderklassen haben wir fast seit zehn Jahren“, sagt die zuständige Abteilungsleiterin Sabine Ganz-Rummeni. Es waren stets zehn bis 15 Jugendliche pro Jahr, die in zwei Jahren übers Deutschlernen bis hin zu einem Hauptschulabschluss geführt werden konnten. „Jetzt wollten wir eigentlich drei solcher Klassen einrichten wegen der hohen Nachfrage“, berichtet Schulleiterin Reinhild Vogt. Es werden tatsächlich: sechs. „Knapp 100 Schüler sind bei uns jetzt sogenannte Seiteneinsteiger“, sagt die Schulleiterin. „Immerhin knapp zehn Prozent der gesamten Schülerschaft.“

Alles ist anders als in Syrien

Es sind Jugendliche, die häufig in ihrer Heimat ganz hervorragende Schulkarrieren hingelegt haben – denen es nicht an der Auffassungsgabe mangelt, sondern bei denen nur die Sprache ein Problem darstellt. „Ich bin jetzt ein halbes Jahr hier“, sagt zum Beispiel Schülerin Nazk (17), die aus Syrien kommt. „Ich würde gern aufs Gymnasium, aber mein Deutsch reicht nicht.“ Von acht bis eins geht sie zum Berufskolleg, danach, von eins bis sechs Uhr am Abend: Deutschkurs. „Ich will schnell die Sprache lernen, ich möchte studieren und Chirurgin werden, das wollte ich schon als Kind.“ Untergekommen ist sie bei einem Onkel im Südostviertel, ihre ganze Familie ist vor dem Krieg geflüchtet.

Was hier anders ist als in Syrien? „Alles!“, ruft Nazk und lacht. „Bei uns gibt es seit Jahren keine Regeln mehr, keine Polizei, es ist ja Krieg.“ Und was sie wundert: „Wie grün es hier ist, viel grüner als zu Hause.“

Schule ist auch Hilfe für den Alltag

Ihre Mitschülerin Jolyana (18) kommt aus dem Irak. „Ich bin Christin“, erzählt sie, „abends konnten wir nicht mehr allein auf die Straße gehen ohne Angst vor Überfällen.“ Sie vermisst ihre Freunde, „die Kirche, in der wir im Dorf gebetet haben, steht jetzt leer, alle sind geflüchtet vor dem IS.“

Vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) war Jolyana vor anderthalb Jahren geflüchtet, gemeinsam mit ihrer Familie. Sie kamen in Deutschland erst im norddeutschen Rendsburg an, dann nach Essen. „Ich will Kinderärztin werden“, berichtet Jolyana, „ich will unbedingt in Deutschland bleiben, hier kann ich mir eine gute Zukunft erarbeiten, anders als im Irak.“

Kükelhaus-Lehrer Benedikt Burgmer betont, dass die Schule – neben Deutschunterricht – den Schülern erst mal helfen müsse, auch im Alltag anzukommen. „Die erste Herausforderung für Jolyana war“, erinnert sich Burgmer, „den Antrag für ein Schoko-Ticket auszufüllen.“ Die junge Frau ging zielstrebig ins Evag-Kundencenter, verständigte sich mit Händen und Füßen – und kam mit dem vollständig ausgefüllten Formular zurück. „Sowas“, sagt Burgmer, „beeindruckt uns immer.“