Essen.. Eine Fotoausstellung, die unter die Haut geht: Schau zeigt Betroffene und Angehörige und wirbt für sämtliche Selbsthilfegruppen in Essen
Ein Mann, der an Epilepsie leidet, lässt sich vollformatig vor einer hellen Wand fotografieren, darunter steht sein ganzer Name, und ein Satz, den der Mann gesagt hat: „Ohne die Gruppe würde es mich nicht mehr geben.“
Die Gruppe – das ist sein Selbsthilfekreis. Eine berührende Bilder-Ausstellung, die am Montag in der Volkshochschule eröffnet wurde, präsentiert ganz normale Menschen, die den Mut hatten, ihr Gesicht zu zeigen – für Bilder, die für Selbsthilfe werben sollen. „Selbsthilfe, da denkt man immer an einen Stuhlkreis und Leute, die jammern“, sagen Willi Krug (63) und Gerhard Linial (71). „Dabei ist Selbsthilfe richtig toll, und das wollten wir mit unseren Bildern zeigen.“
Die beiden Männer sind Hobbyfotografen und gehen seit Jahren in Selbsthilfegrppen – der eine mit seiner Krankheit Depression, der andere, weil er an dem „Restless Legs“-Syndrom leidet.
Essener Selbsthilfegruppen haben sich gefunden
Innerhalb eines ganzen Jahres haben sie Menschen in Essener Selbsthilfegruppen gesucht und gefunden, die sich ablichten lassen. „Das war gar kein Problem.“ Die Texte steuerte Karl Deiritz bei, ein langjähriger Mitarbeiter der Selbsthilfeberatung „Wiese“, der vor kurzem in Ruhestand ging.
Die „Wiese“ wird 25 Jahre alt in diesem Jahr – die Ausstellung ist Teil der Feierlichkeiten. „Wir sind stolz darauf, dass es unseren Fotografen schnell gelang, Leute zu finden, die bei der Ausstellung mitmachen wollten“, sagt Gabriele Becker von der „Wiese“-Beratungsstelle. Dabei kehren die Menschen, die auf den Bildern zu sehen sind, durchaus ihr Innerstes nach außen: „Das Kaffeetrinken“, bekennt eine Schlaganfall-Patientin, „ist mein einziger Trost in der Woche.“ Mit „Kaffeetrinken“ ist der Selbsthilfe-Treff gemeint. Eine Patientin, die an Darmkrebs litt und jetzt einen Stomabeutel tragen muss, sagt: „In der Gruppe habe ich gelernt, wieder Leben auszuprobieren – Reiten, Schwimmen, Sauna“. Eine Frau, deren Sohn psychisch krank ist, berichtet, wie ihr die regelmäßigen Treffen der Selbsthilfegruppe für Angehörige ruhige Nächte zurückgebracht hat.
Vielfältige Schau in der VHS
Andere, großformatige Bilder ganz normale Männer, versunken im Kartenspiel, vor sich Becher mit Wasser und Cola. Es sind Mitglieder der Anonymen Alkoholiker. Der Betrachter sieht fröhliche Motive von Weihnachtsfeiern, die Menschen mit Down-Syndrom begehen. Türkische Frauen mit Depression, auch für sie gibt es Selbsthilfe, sie sitzen meditierend im Stadtgarten. Und manchmal wird es richtig lustig: Eine Gruppe von Männern und Frauen stoßen in einer Kneipe mit Ouzo an: „Hurra, ich habe eine neue Niere“, steht darunter. Tatsächlich: Ja, in Selbsthilfegruppen darf auch gelacht werden.
Die Schau ist in den Etagen eins und zwei der VHS am Burgplatz noch bis Montag, 14. September, zu sehen. Ein Fotobuch, das alle Motive versammelt, ist in Arbeit. Die Ausstellung soll später noch an anderen Orten in der Stadt zu sehen sein.