Essen. . Sie berichtet am Beispiel eines jungen Syrers von angeblichen bürokratischen Hürden im Alltag. Sozialdienste verweisen auf umfassende Betreuung

Der junge Syrier ist 26 Jahre alt, seine Flucht beginnt am 4. Mai und endet am 6. Juni in Deutschland. Von Damaskus aus geht’s Richtung Türkei, mit dem Boot nach Athen, im Flugzeug nach Mailand – und von dort über die Alpen nach Deutschland. Seit sechs Wochen lebt er in Essen – mit dem sicheren Status als anerkannter Flüchtling. „In meinem Land herrscht Krieg, ich wollte auf keinen Fall Soldat werden“, begründet der angehende Maschinenbau-Ingenieur seine Flucht. Um seine Familie daheim nicht zu gefährden, legt er größten Wert auf Anonymität. Wir nennen ihn fortan „Mahmoud“.

Während hierzulande bisweilen euphorisch die neue Willkommenskultur beschworen wird, weiß Mahmoud von anderen Erlebnissen zu berichten: von bürokratischen Hürden im Alltag, gescheiterten Einkäufen und kaltschnäuzigen Sachbearbeiterinnen.

Schon bald wird er in eine eigene Wohnung ziehen, aber noch wohnt er bei der Essenerin Marion Rehmann – einer resoluten Frau, die sich seit Jahren in der Flüchtlingshilfe engagiert. „Wir haben den jungen Mann aus purer Not spontan bei uns aufgenommen“, berichtet sie. Und schildert verbittert die vermeintlichen „Purzelbäume“, die die Bürokratie schlage.

Reisepass wurde in Erstaufnahmestelle eingezogen

Massiv führt sie Klage – gegen das Jobcenter, die Sparkasse und einen Supermarkt. Lebensmittelgutscheine seien beim Jobcenter trotz mehrfacher Nachfragen zunächst nicht ausgestellt worden. Erst nach hartnäckigem Beharren habe man Mahmoud drei Coupons à 50 Euro ausgehändigt. „Ich frage mich, was machen andere Flüchtlinge, die keine deutsche Begleitung haben, die weiß, wo sie sich sachkundige Hilfe holen kann?“

Flüchtlinge in DeutschlandIn der Erstaufnahme in Schwerin ist Mahmouds Reisepass eingezogen worden, als amtliches Identitätsdokument dient nun eine „Vorläufige Bescheinigung über einen bewilligten Aufenthaltstitel“. Ein Wisch, der mit der Meldebestätigung ausreicht, um ein Konto zu eröffnen. Irritierend nur: Während sich Mahmoud in der ersten Filiale unter dem ausdrücklichen Bedauern des Mitarbeiters einen Korb holt, klappt die Kontoeröffnung in der nächsten Sparkassenfiliale auf Anhieb. Dritter Fall: der Supermarkt: Zwei lösen den Gutschein anstandslos ein, dann lässt ihn die Filialleiterin eines Discounters jäh auflaufen. „Leider mussten wir den ganzen Einkauf stehen lassen,“ so Marion Rehmann.

Ist der Fall Mahmoud beispielhaft oder eine Ausnahme? Beim Diakoniewerk etwa möchte man den konkreten Fall nicht kommentieren. Stattdessen weist Gisela Strotkötter, Leiterin der Sozialen Dienste, auf die umfassende und professionelle Alltagshilfe hin, die ihr rasant gewachsenes Team immer mehr Neuankömmlingen aus aller Welt angedeihen lasse. „Vor zwei Jahren gab’s nur zweieinhalb Kräfte in der Flüchtlingsberatung, demnächst sind wir fast vierzig.“ Allein 800 Flüchtlinge werden in Privatwohnungen betreut, weitere 800 in Übergangsheimen. Fest steht: Anerkannte Flüchtlinge wie Mahmoud haben das Recht, ein Jahr lang von Flüchtlingsberatern betreut zu werden. Außerdem gebe es die Migrantenberatungsstelle. „Wir bereiten Behördengänge vor und Arztbesuche, bei Verständigungsproblemen schalten wir die Sprach- und Kulturmittler der Stadt ein“, so Strotkötter.