Essen. . Auch städtische Rechnungsprüfer haben den Stadion-Neubau unter die Lupe genommen. Ihr Abschlussbericht offenbart eine bemerkenswert laxe Kontrolle.

Der Rüffel kommt aus dem eigenem Hause, und er trifft sie alle: die Stadtspitze und die Politik, den Aufsichtsrat der städtischen Grundstücksverwaltung GVE und den ehemaligen Geschäftsführer erst recht. „Von Beginn an“, so kritisieren die städtischen Rechnungsprüfer, wurde das Projekt Stadion Essen hinsichtlich der Investitions- und Folgekosten „nicht mir der notwendigen Klarheit gehandhabt“.

Es gab einen Haufen Beschlüsse, aber kein zeitnahes Konzept, wo das Geld herkommen soll. Es gab permanente Kostenänderungen, aber keine echte Kontrolle, es gab hanebüchene Tricksereien, um einerseits das Vorhaben und andererseits den Fortbestand der Stadttochter GVE nicht zu gefährden, und nun steht man bedröppelt da: mit einem Stadion, das dieser Stadt ebenso lieb wie teuer war und noch auf Jahre hinaus beachtliche Folgekosten produziert, die so nie jemand hinterfragte.

Exorbitantes Honorar

Das alles haben die Ernst & Young-Wirtschaftsprüfer schon ermittelt, aber die eigens beauftragten Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) tauchten in den letzten zweieinhalb Monaten noch tiefer ein, prüften auf der Suche nach der endgültigen Stadion-Rechnung detailliert auch einzelne Belege, forschten nach Verträgen für das exorbitante Millionen-Honorar von Roland Berger und spürten die Geldquellen auf.

Ihr Abschlussbericht, der dieser Zeitung vorliegt, gerät so selbst zum Beleg – für die Sorglosigkeit, mit der das Stadion-Projekt vorangetrieben wurde. Wo man nicht hin-, sondern wegsah und als das RPA nun achselzuckend empfiehlt, „zukünftig bei großen Projekten (z. B. Messeerweiterung) die Aufträge (...) so abzufassen, dass diese in regelmäßigen Abständen auch direkt dem Gesellschafter und dem Aufsichtsrat berichten.“ Motto: Vertrauen zum Geschäftsführer ist gut, Kontrolle ist besser.

Doch auch die nachträgliche Kontrolle bringt einen nicht zwingend weiter: Wofür die Berater von Roland Berger rund 3,35 Millionen Euro erhielten, bleibt trotz RPA-Prüfung unklar. Doch so unglaublich es scheinen mag: Obwohl die GVE an 13 Beratungs-Firmen über 115 Rechnungsbelege fast 4,8 Millionen Euro auszahlte – den Löwenanteil von gut 3,3 Millionen an die Berger-Leute – wurden „zu keinem dieser Belege Verträge, Vereinbarungen, Angebote oder Leistungsbeschreibungen vorgelegt, aus denen Beratungsgegenstand, Stundensätze etc. hervorgehen.“

Neuer GVE-Chef: „Skandalös“

Folge fürs RPA: Ein sachlicher Zusammenhang mit dem „Projekt Fußball“ sei „nicht zweifelsfrei herzustellen“. Man behalf sich mit allem, was an Präsentationen, Dokumentationen und Terminprotokollen bei der GVE auffindbar war, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob es für das üppige Honorar eine angemessene Gegenleistung gab.

Was die Sache nicht leichter macht: Auch bei Roland Berger erlahmt offenbar die vor Wochen gegenüber der Stadt noch an den Tag gelegte Hilfsbereitschaft. „Man hat uns vor mehreren Wochen schon umfassende Unterstützung zugesagt“, bestätigte der neue GVE-Chef Dirk Miklikowski.

Doch statt des zugesagten Vertrages kam – nichts. Auch keine Antwort mehr, als die GVE nochmals nachhakte. Miklikowski ist sauer: „Ich halte ein solches Verhalten für skandalös.“ Und es nährt den Verdacht, den in einigen Roland Berger-Rechnungen erwähnten Vertrag habe es womöglich nie gegeben. Ob sich strafrechtlich-relevante Sachverhalte ergeben, steht noch nicht fest. „Die Ermittlungen dauern an“, so Oberstaatsanwältin Anette Milk.

Unterdessen hat der RPA-Bericht die Opposition auf den Plan gerufen. So dringt die Partei-Piraten-Fraktion darauf, den Bericht der Staatsanwaltschaft zu überlassen, zusätzlich soll die Stadt Strafanzeige gegen Ex-GVE-Geschäftsführer Hillebrand wegen des Verdachts auf Untreue stellen. „Die Weigerung von Roland Berger zur Herausgabe der mit dem ehemaligen GVE-Geschäftsführer geschlossenen Berater-Verträge zum Stadion ist ungeheuerlich. Mit diesem Verhalten verspielt das Unternehmen seinen guten Ruf und empfiehlt sich nicht für Nachfolgeaufträge“, findet Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger.

Für Linken-Fraktionschefin Gabriele Giesecke hat das Controlling der Stadt bei der GVE versagt. „Es gibt nun keinen Grund mehr für die Stadtspitze, mit Konsequenzen weiter zu warten.“