Essen. Die Strategie zur Vertreibung der Trinkerszene am Willy-Brandt-Platz hat im Essener Rat wohl keine Mehrheit. Die SPD zeigt offen Widerstand, auch die CDU wirkt wenig begeistert.

Die „Verordnung zur Begrenzung des Alkoholkonsums auf dem Willy-Brandt-Platz und dem Heinrich-Reisner-Platz“ hat die Stadtverwaltung am Freitag fertiggestellt, übers Wochenende hatten die Ratspolitiker Gelegenheit, die fünfseitige Vorlage zu studieren. Das voraussichtliche Ergebnis ist für Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) unerfreulich. Der OB will die auf den beiden Innenstadt-Plätzen ansässige Trinkerszene auch mit dem „robusten“ Mittel eines Alkoholverbots vertreiben, genau dies scheint aber ohne Chance zu sein.

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„Ich habe nichts gelesen, das mich von meiner Ablehnung abbringen könnte“, sagte SPD-Fraktionschef Rainer Marschan am Sonntag der WAZ. Marschan kennzeichnete dies zwar als „persönliche Meinung“, die am Montag noch in der SPD-Fraktion zu diskutieren sei, doch ist bekannt, dass eine breite Mehrheit dort dies ähnlich sieht. Damit ist so gut wie klar, dass der Plan des OB an seinen eigenen Parteifreunden scheitern wird, denen das Vorgehen juristisch zu riskant und sozialpolitisch zu unsensibel erscheint. Marschan zufolge hat Paß keinen Versuch unternommen, ihn und seine Fraktionskollegen persönlich zu überzeugen.

Streetworker sollen der Szene „beratend und begleitend“ zur Seite stehen

Der OB hatte schon vor Wochen auf WAZ-Anfrage erklärt, er wolle erst auf Basis der Vorlage argumentieren. Darin hofft die Stadt, mit einer abgestimmten Strategie die als unhaltbar empfundenen Zustände rund um das Handelshof-Gebäude beenden und die Szene einige Hundert Meter weiter an die Hollestraße verdrängen zu können, wo die Gelage dann weitergehen dürften. Zum einen wird dort ein Urinal installiert, um das wilde Urinieren und Koten vor dem Handelshof zu verhindern, das geeignet sei, „bei Besuchern der Stadt gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Übelkeit und Brechreiz hervorzurufen“, wie es heißt.

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Zweitens sollen Streetworker der rund 25 Personen starken Szene beim Umzug „beratend und begleitend“ zur Seite stehen, diesen aber auch forcieren. Schließlich soll, drittens, von März bis Oktober täglich durchgehend zwischen 10 und 22 Uhr das Konsumieren von Alkohol auf den beiden Plätzen untersagt werden. Stadt und Polizei seien sich einig, dass dies „zur nachhaltigen ordnungspolitischen Unterstützung der sozialpolitischen Maßnahmen“ unumgänglich sei.

In der Essener CDU sind viele skeptisch

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Alkoholverbote sind allerdings bislang meist vor Gerichten gescheitert, da die Einschränkung von Freiheitsrechten nur aus wichtigen Gründen zulässig ist. Die Stadt hat daher in ihrer Vorlage versucht darzulegen, dass die Szene regelmäßig Passanten und Besucher der Innenstadt durch Schlägereien, Belästigungen und Bedrohungen gefährde. Die entsprechenden Einsätze der Polizei - etwa 100 pro Jahr - belegten dies. Die Gefährdung der Bürger stünde „im kausalen Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum“. Einige Hundert Meter weiter gelten alle aufgeführten Probleme offenbar als verträglicher als am Haupteingang zur Innenstadt, der täglich von Zehntausenden frequentiert wird.

CDU-Fraktionschef Thomas Kufen, mit der SPD in einer Ratskoalition verbunden, erklärte am Sonntag, er stehe „einem Alkoholverbot grundsätzlich offen gegenüber“. Das klingt zurückhaltend und ist auch so gemeint. In der CDU sind ebenfalls viele skeptisch. Wenn die SPD nicht zustimmen wolle, „müssen wir in der Koalition bereden, wie es weitergehen soll“, so Kufen.