Essen. Einmal im Jahr geht das „Ensemble Unterwegs“ auf die Walz, ohne Geld und Handy, aber mit Elan. Die Musikerinnen spielen für Kost, Logis, Geschichten.
Sie waren dann mal wieder weg. Eine Woche lang geht das Ensemble Unterwegs im Sommer auf Wanderschaft: Eva Hennevogl mit der Violine, Friederike Holzapfel mit der Viola und Anna Reitmeier mit dem Cello. Sopranistin Barbara Schachtner komplettiert das Quartett, das in diesem Jahr von Essen aus den Rhein entlang bis Köln marschierte.
So geht das schon seit 2009. Nur im vergangenen Sommer haben die vier klassisch ausgebildeten Musikerinnen ausgesetzt. Da war gerade Mathilda auf die Welt gekommen. Jetzt gluckst sie glücklich im Kinderwagen und leckt Milchschaum von Mamas Latte-Löffel. Auch ein Luxus, in dessen Genuss man auf der musikalischen Walz selten kommt. Denn das Ensemble Unterwegs hat Prinzipien: In den Rucksack gehören weder Handy noch Bargeld. Und statt Abendkleid tragen sie dicke Wanderschuhe. Eingepackt werden lediglich Schlafsack, Isomatte, die Instrumente natürlich. Und ganz viel Neugier, Enthusiasmus und der feste Glaube daran, dass Gutes Gutes herausfordert.
Frühstücks-Einladung am Waldesrand
So ziehen sie einfach los, ohne vorbestellte Quartiere und ohne festes Programm und machen Musik für Kost, Logis und gute Geschichen, von denen sie später auf ihren Gesprächskonzerten erzählen. Es sind Geschichten von persönlichen Begegnungen, für die man nicht nur musikalisches Können mitbringen muss, sondern auch feine Antennen für die Zwischentöne des Lebens.
So geben sie, „und bekommen viel zurück“, sagt Barbara Schachtner. Applaus natürlich, aber auch mal einen Schokoriegel. Oder ein Frühstück, für das sie mit leerem Magen sonntags lange an einer Waldlichtung gespielt haben. Bis das Walker-Pärchen vorbeikam, horchte und sprach: „Kommt doch einfach mit, wir kochen schon mal Kaffee!“
Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wo man in der Nacht schläft und wann man etwas zu essen bekommt, „die muss man aushalten“, sagt Anna Betzl-Reitmeier. Das gehört zum Prinzip der Reise, die am Ende doch immer Brot und Unterkunft beschert hat, ob im Bierzelt oder in einer Gartenlaube.
Die nächsten Termine
Am 20. September, ab 16 Uhr, ist das Ensemble Unterwegs im Rahmen der Atelier-Aktion „Kunstspur“ im Kunsthaus Essen an der Rübezahl 33 zu erleben. Für diesen Auftritt planen die Musikerinnen eine kleine Ateliertour mit Liedern von Alban Berg und Gustav Mahler, die sie durch das Haus führt.
Im Kölner Kunstmuseum Kolumba haben die vier Musikerinnen in diesem Sommer schon das Abschluss-Konzert ihrer Wandertour gegeben. Am 18. Oktober sind sie wieder vor Ort. Um 17 Uhr werden sie direkt in der Ausgrabungsstätte des Museums des Erzbistums Köln die „Winterreise“ von F ranz Schubert spielen
Gute Zeiten sind das, auch wenn es in der vergangenen Woche so viel geregnet hat, dass die Begegnungen mühsam geworden sind – das Stehenbleiben, ins Gespräch kommen und vielleicht ein bisschen Zeit zusammen verbringen. „Geht doch auf den Marktplatz, da hat’s mehr Publikum“, raten die Leute manchmal. „Aber es geht ja gar nicht um die Masse“, sagt Barbara Schachtner, es geht um Begegnung, um Austausch. Alte Paare wagen da plötzlich wieder ein Tänzchen und junge Menschen hören die schon nicht mehr so vertrauten Volkslieder, die das Ensemble ebenso im Repertoire hat wie Schuberts „Winterreise“.
Vom Geben und Nehmen
Natürlich greifen die Menschen oft erst mal zum Portemonnaie, wenn sie die vier Musikerinnen auf der Straße spielen hören. „Aber wir wollen ja kein Geld“, erklärt Anna Betzl-Reitmeier, sondern eine Brotzeit oder die Einladung, gemeinsam mit der Fähre überzusetzen, wenn es keinen anderen Weg gibt. Und selbst wenn die Damen mit Instrumenten auf dem Rücken auf niemanden gefährlich wirken dürften, werden auch immer wieder Prinzipien überprüft. Vom Geben und Nehmen, vom Aufeinanderzugehen und Abgrenzen, vom Kommen und Gehen. „Wir fordern uns und die anderen“, lacht Friederike Holzapfel, die wie Anna Betzl-Reitmeier in Essen zu Hause ist, während Eva Hennevogl und Barbara Schachtner aus Frankfurt und Köln dazustoßen. Das Münsterland haben sie schon durchstreift, Franken, Niederbayern und den Chiemgau. „Die Sommerreise ist das Herzstück unseres Ensembles“, sagen die Musikerinnen. Weiterlaufen ist Programm.