Essen. 59 Stürze wurden im Vorjahr in Bussen und Bahnen der Essener Verkehrsgesellschaft gemeldet. Für den sicheren Halt sind die Kunden verantwortlich.
Senioren mögen es auf die sanfte Tour. Je ruhiger und gelassener der Fahrer in der Bahn oder im Bus fährt, um so weniger müssen sie fürchten hinzufallen. Doch im dichten Stadtverkehr sind Anfahr- und Bremsmanöver gängige Praxis. Dabei kann ein Fahrgast schon mal sein Gleichgewicht verlieren. Insgesamt registrierte die Essener Verkehrsgesellschaft Evag im vergangenen Jahr 34 Stürze in den Trams und 25 weitere in den Bussen, so Sprecher Nils Hoffmann. Bei durchschnittlich etwa zehn Fällen jährlich wollen betroffene Fahrgäste Schadensansprüche geltend machen.
Doch dabei beißen die meisten auf Granit. Die Evag macht dann einen Haftungsausschluss geltend und verweist auf die Beförderungsrichtlinien des Verkehrsverbundes VRR.
Fahrmeister fährt als geheimer Passagier mit
Im Kapitel „Pflichten der Fahrgäste“ steht schwarz auf weiß: „Jeder Fahrgast muss sich ... so verhalten, wie es ... seine eigene Sicherheit und die Rücksicht auf andere Personen erfordern.“ Und weiter: „Zudem ist jeder Fahrgast verpflichtet, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen.“
Dass die 860 Fahrer nicht zu grob fahren sollen, hält die Evag für selbstverständlich. Darauf wird bei der Ausbildung in der Fahrschule besonders geachtet, betont Fahrmeister Rolf Hensel. Er und seine Kollegen mischen sich hier und da auch unauffällig unter die Fahrgäste, um das Verhalten der Fahrer zu überprüfen und sie gegebenenfalls darauf anzusprechen.
Zahl der Senioren im Nahverkehr nimmt zu
Dem Seniorenbeirat wird das nicht genügen. In seiner letzten Sitzung im Juli stimmte er einstimmig einem Antrag vom Essener Bürger Bündnis (EBB) zu und forderte, dass beim anstehenden Nahverkehrsplan das Thema „Demografischer Wandel“ aufgegriffen wird. Dabei müsse auf „die Beseitigung von Erschwernissen bei der Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs durch ältere Menschen eingegangen werden“, so Antragsteller Bernd Schlieper vom EBB, der damit auch die Unfallgefahr in Bahnen und Bussen anspricht. „Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die das verhindern.“ Etwa mit mehr Sitzplätzen oder kürzeren Taktzeiten, damit die Fahrzeuge nicht zu voll werden.
Dass die Zahl der Senioren im Nahverkehr in den nächsten Jahren zunehmen wird, davon geht die Evag ebenfalls aus. Schon jetzt ist jeder fünfte Inhaber eines Monatstickets über 60 Jahre alt. Aber die Fahrer können nicht warten, bis die Zugestiegenen einen Sitzplatz gefunden haben, sonst ließe sich der Fahrplan kaum einhalten.
Pilotprojekt in Düsseldorf
Die Evag setzt vielmehr darauf, ältere Fahrgäste selbst zu schulen und ihnen wichtige Tipps zu geben. Ihr Mobilitätstraining für Senioren in Bussen, bei dem auch das richtige Festhalten bei einer Notbremsung geübt wird, sei längst ein Renner. Allein im vergangenen Jahr nutzten 350 ältere Fahrgäste das kostenlose Angebot des Verkehrsunternehmens. „Unsere Kurse sind immer schnell ausgebucht“, berichtet Nils Hoffmann. (Anmeldungen im Internet unter: www.evag.de/service/barrierefreiheit/bustraining.html)
Düsseldorf und Bochum gehen noch andere Wege. Die Rheinbahn in der Landeshauptstadt will ihre 400 Busse mit Sensoren ausstatten. Bei einem Pilotprojekt signalisierte eine Mini-Ampel auf dem Armaturenbrett dem Fahrer mit den Farben grün, gelb und rot, wann er den Fuß vom Gaspedal nehmen sollte. „Wir bereiten jetzt die Ausschreibung für alle Busse vor“, so Rheinbahn-Sprecherin Heike Schuster. Die Düsseldorfer wollen damit vor allem Sprit sparen. „Aber das dient auch einer sanften Fahrweise“, so Schuster.
Evag will Fahrer nicht überwachen
Die Bochumer Verkehrsgesellschaft Bogestra macht das längst und erklärt, dass mit dem elektronischen Kontrollsystem Busfahrer behutsamer beschleunigen und stoppen. Ein „Kavalierstart“ sowie abruptes Bremsen würden nicht nur einen höheren Spritverbrauch verursachen, „sondern auch vom Fahrgast als äußerst unangenehm empfunden“, so die Bogestra. 400.000 Euro Kraftstoffkosten würden nun pro Jahr eingespart. Doch ein Fahrer, der sich der technischen Kontrolle widersetzte und entlassen wurde, bekam später vor Gericht Recht.
„Wir beobachten die Entwicklung in Bochum sehr genau“, sagt Nils Hoffmann. Die Evag hat sich erstmal gegen ein solches System für ihre 197 Busse ausgesprochen. Sie hält zum einen die Investition nicht für vertretbar, will aber auch keine innerbetrieblichen Konflikte auslösen. Hoffmann: „Wir machen nicht alles, was man machen kann.“ Eine Überwachung der Fahrer lehnt die Rheinbahn ebenso ab. Sie versichert allerdings, dass auch mit den Sensoren künftig keine Rückschlüsse auf den einzelnen Fahrer möglich sein sollen.